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Hochschule der Polizei in Aschersleben Hochschule der Polizei in Aschersleben: MZ-Redakteur beim Aufnahmetest

Von Felix Knothe 01.10.2014, 07:51
Felix Knothe beim sogenannten Kasten-Bummerang-Test
Felix Knothe beim sogenannten Kasten-Bummerang-Test Pülicher Lizenz

Aschersleben - Nach fünf Minuten Dauerlauf werden die Beine schwer, die Lunge will Luft, mein Schnaufen wird laut und lauter. Ich fluche innerlich. Warum tue ich mir das an? Ohne Training! Und ohne dass ich überhaupt Polizist werden will!

Meine Zeitung hat mich zur Hochschule der Polizei nach Aschersleben (Salzlandkreis) geschickt, um herauszufinden, wie schwer das eigentlich ist: Polizist zu werden. Vor einigen Wochen hatte die Nachricht für Aufsehen gesorgt, dass es keine Vorauswahl nach Schulnoten mehr geben soll. Die Polizei finde nicht mehr genug schlaue Bewerber, war die Botschaft, die hängen geblieben war. Doch das will man in Ascherleben so natürlich nicht verstanden wissen. Peter Reisse ist der Prorektor der Hochschule. „Unser Auswahltest ist anspruchsvoll, und am Ende wollen wir wissen, ob ein Bewerber insgesamt als Mensch für die Polizei geeignet ist.“

Wer Polizist in Sachsen-Anhalt werden will, muss drei Teststufen durchlaufen. Es gilt das K.o.-Prinzip: Wer in einer Stufe durchfällt, ist raus. Doch es geht nicht nur um Sport oder um Wissen, das man auswendig lernen kann. Es geht um Intelligenz, Kreativität, Problemlösungskompetenz und Begeisterungsfähigkeit. Das alles soll getestet werden - auch an mir. „Über diese Dinge sagt die Schulnote oft nicht viel aus. Wer schon in einem Beruf gearbeitet und Lebenserfahrung gesammelt hat, dem geben wir eine Chance. Wir wollen den klugen, schlauen Polizisten.“ Mir schwant, dass es keine normale Recherche wird. Die Gefahr ist hoch, mich hoffnungslos zu blamieren.

Wie Felix Knothe das Diktat und den Intelligenztest erlebt, lesen Sie auf Seite 2.

Zuerst lande ich in einem großen Computerkabinett. Das ist das Reich von Rolf Böttcher, Sachbearbeiter im Auswahldienst der Polizei. 30 Rechner stehen akurat nebeneinander. Am Anfang steht ein Deutschtest in Form eines Diktats. Ein Lückentext erscheint auf dem Bildschirm, den ich ausfüllen soll. Eine Frauenstimme liest ihn sehr langsam vor. Als Böttcher mein Ergebnis sieht, hebt er die Augenbraue: „Null Fehler, das hat bisher erst einer geschafft.“ Nun gut, für mich als Journalisten ist es trotzdem Ehrensache.

Der anschließende Intelligenztest ist da schon schwieriger. Rechnen, Logik, räumliches Denken, Merkfähigkeit, Allgemeinwissen - die Aufgaben bringen mich manchmal an den Rand der Verzweiflung, denn es herrscht Zeitdruck. Am Ende habe ich trotzdem ein ordentliches Ergebnis. Bis hierher wäre ich ein guter Polizeianwärter.

Beim Sporttest trennt sich die Spreu vom Weizen

Doch spätestens beim Sporttest trennt sich die Spreu vom Weizen. In der Redaktion hielt man mich offenbar für hinreichend sportlich, um die Zeitung auch hier nicht zu blamieren. Ich mich übrigens auch. Beim Pendellauf läuft es für mich noch okay. An der Klimmzugstange sieht es aber schon anders aus, doch ich überrasche mich mit ganzen vier Stück - aus der Kalten. Da staunt selbst Michael Moosbauer, der den Test bei mir abnimmt. „Normalerweise sind die Leute vorbereitet“, sagt er.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat mit sinkenden Bewerberzahlen zu kämpfen. Während sich im Jahr 2011 noch rund 5 200 junge Leute auf einen Ausbildungsplatz bewarben, waren es im Jahr 2014 noch gut 2 800. Das ist innerhalb von vier Jahren beinahe eine Halbierung der Bewerberzahlen. Grundsätzlich lädt die Polizei aber immer gut dreimal so viele Bewerber zu den Auswahltests ein als freie Stellen vorhanden sind.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt stellt zweimal im Jahr ein, einmal im Frühjahr zum 1. März und einmal im Herbst zum 1. September. Es stehen zwei verschiedene Laufbahnen zur Auswahl. Zum einen der frühere mittlere Dienst - heute Laufbahngruppe eins - für den Bewerber mindestens einen Realschulabschluss benötigen. Die Ausbildungszeit dauert zwei Jahre. Zum anderen gibt es den ehemals gehobenen Dienst - die sogenannte Laufbahngruppe zwei. Für diese Karriere wird mindestens das Fachabitur verlangt. Das Studium an der Polizeihochschule dauert drei Jahre und schließt mit einem Bachelor Polizeivollzugsdienst ab.

Die größte Hürde bei den Test ist statistisch über die vergangenen vier Jahre der Intelligenzstrukturtest. Je nach Laufbahn fallen hier zwischen 5 bis 13 Prozent der Bewerber durch. Weitere Hindernisse sind der Sporttest (2,5 bis 3,5 Prozent) und das Diktat (1 bis 4 Prozent). Die meisten Bewerber scheiden allerdings aus persönlichen Gründen aus. Darunter fallen beispielsweise das Zurückziehen der Bewerbung, fehlende Unterlagen oder das Verpassen des Auswahlverfahrens. Dies betrifft zwischen 35 und 43 Prozent der Bewerber.

Es folgen noch Standweitsprung und der Kasten-Bumerang-Test, wo man in einem Parcour Schnellig- und Wendigkeit zeigen muss. Zum Schluss noch der Cooper-Test. In zwölf Minuten muss ich mindestens 25 und eine halbe Turnhallenrunde laufen, um überhaupt noch eine Chance zu haben. 2 550 Meter sind das Minimum für eine Vier. Und ich stehe nach vier Disziplinen insgesamt, das weiß ich, genau auf der Kippe. Am Ende reicht es nur für 25 Runden. Michael Moosbauer zuckt mit keiner Miene: „Sie hätten heute knapp verrissen.“

Was unseren Redakteur am zweiten Tag erwartete und ob er den Test am Ende bestanden hat, lesen Sie auf Seite 3.

Doch ich darf trotzdem wieder kommen zum zweiten Tag. Die, die durchgekommen sind, müssen nun den Charaktertest vor einer Kommission bestehen: Ein Interview, in dem sie 20 Minuten lang über ihre Motivation ausgefragt werden, danach eine Präsentation, in der sie die Jury von einem Thema ihrer Wahl „begeistern“ sollen. Und zum Schluss eine Gruppendiskussion zu einem Spezialthema. Hier soll die Gruppe als Team überzeugen.

Im Wartezimmer sitzen zehn junge Leute. Es entbrennen Diskussionen. Wo kommt ihr her? Was macht ihr? Linda Memmler, 20, aus Magdeburg hofft, mit Gitarre und Gesang zu überzeugen. Polizistin zu werden ist ihr fester Wunsch. Aus ihrer Schule haben schon viele den Test gemacht. „Das ist ein sicherer Job“, sagt Memmler. Warum sie Polizistin werden will? „Der Gerechtigkeitssinn, die Uniform.“ Memmler grinst, hat den Humor noch nicht verloren, obwohl hier gerade jeder angespannt ist. Es ist eine bunte Truppe, die darauf wartet, verhört zu werden. Ein Bankkaufmann, ein Ex-Soldat, eine Junioren-Europameisterin im Schwimmen.

Gepunktet wird nach wissenschaftlichen Kriterien

Nicht alle werden es schaffen. Die Kommission ist streng. Eckehard Peters, der Chef an diesem Tag, bringt es auf den Punkt: „Sie bewerben sich hier um eine Lebensversicherung: Verbeamtung auf Lebenszeit, Pensionsansprüche und so weiter.“ Da suche man sich die Bewerber genau aus. Das ausgeklügelte Verfahren sei fair und habe sich bewährt. Die Polizei will nicht nur den Sportler, sondern erfahrene, sozial kompetente Bewerber. Dabei ist es laut Peters egal, vor welcher Kommission man landet. Gepunktet wird nach wissenschaftlichen Kriterien. Auch ich hätte es am Ende fast geschafft. Wenn nicht der Sporttest gewesen wäre. Zu Stufe drei, dem Medizincheck, trete ich nicht mehr an. (mz)

Beim Intelligenzstrukturtest ist höchste Konzentration gefordert.
Beim Intelligenzstrukturtest ist höchste Konzentration gefordert.
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Max Geudert, Melanie Radicke, Josephine Hausherr, Linda Memmler, Alexander Kurzhals, Sebastian Haut und Yoandry Martinez Silva (v.l.) wollen Polizisten werden. Ob sie es geschafft haben, steht noch nicht fest.
Max Geudert, Melanie Radicke, Josephine Hausherr, Linda Memmler, Alexander Kurzhals, Sebastian Haut und Yoandry Martinez Silva (v.l.) wollen Polizisten werden. Ob sie es geschafft haben, steht noch nicht fest.
Thomas Tobis Lizenz