Zweite Chance Hilfspolizei in Sachsen-Anhalt: Erste Hilfspolizisten werden ausgebildet
Magdeburg - Die dunkelblaue Uniform sitzt passgenau, die Polizeimütze ist griffbereit. Allein die Aufregung, die Odette Lifka unter den knallroten Haaren ins Gesicht geschrieben steht, zeigt: Ein bisschen Reinwachsen braucht es noch. „Man hat schon ein ängstliches Gefühl im Bauch. Wir sind ja die ersten, die das machen“, sagt Lifka. Die Magdeburgerin mit dem auffälligen Make-up ist eine der 20 Hilfspolizisten, die ab Montag ausgebildet werden.
Drei Monate Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei, drei Monate Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Polizeibefugnisse und menschlicher Umgang - dann wird es ernst für die künftigen Hilfspolizisten des Landes. Sie werden im Schnelldurchlauf ausgebildet, um ab August die Landespolizei zu entlasten. Und beim Entlasten bleibt es auch. Die künftigen Hilfspolizisten werden Verkehrssündern auf den Fersen sein und Schwerlasttransporte begleiten - aber vorerst keine Flüchtlingsheime bewachen, so wie Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ursprünglich geplant hatte.
Polizeigewerkschaft kritisiert
Abgesehen von der Uniform haben die Hilfspolizisten nicht allzu viel mit den regulären Ordnungshütern gemein. An den Gürteln der Anwärter hängt keine Schusswaffe, sondern lediglich Pfefferspray und Schlagstock - nicht zur Gefahrenabwehr, sondern zur Selbstverteidigung. In der dreimonatigen Ausbildung kann außerdem natürlich nur ein Bruchteil der Inhalte der regulären, dreijährigen Ausbildung vermittelt werden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert das Modell somit nicht von ungefähr: Dem Status „Polizei“ würden die Auszubildenden nicht gerecht.
Knapp 170 Bewerbungen aus ganz Sachsen-Anhalt, vereinzelt auch aus Niedersachsen, gingen seit Februar in der Polizeidirektion Nord ein. 92 der Bewerber wurden zum Auswahlgespräch eingeladen, 20 setzten sich durch. Die Anwärter haben unterschiedlichste Voraussetzungen und Werdegänge, sind ausgebildete Handwerker, Kaufleute, Akademiker.
Keine Liegestütze, kein Tempolauf
Oder sie waren in der Verwaltung privater Unternehmen tätig, wie Odette Lifka. Der Job der deutlich jünger wirkenden 33-Jährigen war befristet - die Ausbildung zur Hilfspolizistin ist für sie vor allem auch eine große Chance und Perspektive.
Das gilt sowohl beruflich als auch finanziell: Während der Ausbildung erhalten die Anwärter um die 2.000 Euro brutto. Einen weiteren Anwärter lockte allerdings nicht das Geld, sondern die Zukunft: Der künftige Hilfspolizist war zuletzt Feuerwehrmann beim insolventen Flughafen Magdeburg-Cochstedt.
Er war auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive auf die Ausschreibung zum Hilfspolizisten gestoßen und sah seine Chance. Lifka wiederum hatte eine Freundin, die selbst Polizistin ist, von der Stellenausschreibung erzählt und sie ermutigt, sich zu bewerben.
Polizeiausbildung kann folgen
Es folgten ein Bewerbungsschreiben, ein Auswahlgespräch und ein Gesundheitscheck. Keine Liegestütze, kein Tempolauf - umfangreiche Auswahlverfahren wie vor der regulären Polizeiausbildung gab es nicht. Die Besten von ihnen sollen nach zwei Jahren in eine reguläre Polizeiausbildung rutschen können.
Auf diesem Weg könnte auch Christian Glimm doch noch an seinen Traumjob gelangen. Der 30-Jährige mit der schmalen Brille und dem Kurzhaarschnitt wollte bereits nach seinem Schulabschluss und dem Grundwehrdienst vor zehn Jahren zur Polizei, scheiterte aber im Auswahlverfahren durch seinen mittelmäßigen Abiturschnitt. Er absolvierte stattdessen eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten, war im Ordnungsamt in Barby (Salzlandkreis) beschäftigt. Aber dort hatte er „zuletzt nur eine 30-Stunden-Woche“, so Glimm.
Der gebürtige Havelberger wirkt mit seinen rund 1,70 Meter Körpergröße und seiner schmalen Statur nicht wie die Bilderbuch-Vorstellung eines Polizeibeamten. „Es geht auch um den Respekt, eine Uniform hat nicht jeder“, sagt Glimm.
Odette Lifka hat jedenfalls großen Respekt vor dem, was da auf sie zukommt, erzählt sie mit festen Blick. Für die Ehefrau und Mutter sei der Dienst als Hilfspolizistin eine ganz neue Herausforderung und eine spannende Zeit. „Mein Mann, ach, meine ganze Familie sind tierisch stolz. Mein Mann sagt sogar schon ,Hilfssheriff’ zu mir“, strahlt Lifka über das ganze Gesicht.
Christian Glimm denkt schon einen Schritt weiter, an das Ende der auf zwei Jahre befristeten Stelle: „Ich hoffe stark, später in den richtigen Polizeidienst wechseln zu können“. Besonders der mittlere Dienst reizt ihn. „Knöllchen, Ruhestörung, Demonstrationen – all das kann ich mir gut vorstellen“, so Glimm. „Dann hätte ich auch eine Dienstwaffe.“ (mz)