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«Heine» in Leipzig «Heine» in Leipzig: Kleines Restaurant mit großen Standards

Von MICHAEL FALGOWSKI UND ANJA HEROLD 19.10.2012, 18:17

Leipzig/MZ. - Oscar Wilde, der alte Genießer, hat gesagt: "Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden." Glück gehabt, können wir da nur sagen, vermutlich hatte er eine gute Köchin. Wir selber sind da deutlich bescheidener, aber immer dankbar für ein gutes Essen. Auf der Suche danach verschlug es uns diesmal nach Leipzig ins "Restaurant Heine". In einem ehemaligen Garagenkomplex, der später zu einem Wohnhaus und noch später dann in die heutige Lokalität umgebaut wurde, findet sich das mehrfach prämierte Spitzenrestaurant. Im "Feinschmecker" regelmäßig bedacht, im "Michelin" erwähnt, im "Gault Millau" mit 14 Punkten gepriesen. Doch genug der Vorschusslorbeeren, wir urteilen selbst.

Das Personal verkostet alles

Umgeben ist der Flachbau von einem kleinen Park. Unter alten Bäumen könnte man sitzen, wäre nicht schon Herbst. Aber auch drinnen sitzt man schön, hinter großen Fenstern, im dezent und stilvoll möblierten Raum. Der ist nicht sehr groß, nur etwa 25 Leute passen hinein. Annett Oelsner, die Inhaberin des Restaurants, bedient höchstselbst, ist ausgesprochen freundlich und vor allem kompetent. Ihr Mann ist der Koch, seine Freundlichkeit können wir nicht beurteilen, seine Kompetenz scheint uns jedoch erwiesen. Das gesamte Personal verkostet übrigens jedes Gericht, allein schon deshalb, um unwissenden Gästen erschöpfend Auskunft geben zu können. Funktioniert übrigens, diese Methode.

Nun zum Wichtigsten. Angeboten werden, meist im 14-tägigen Wechsel, immer zwei Menüs plus zwei extra Hauptgerichte. Wobei auch durcheinander bestellt oder ein Menü nach Belieben reduziert oder erweitert werden kann. Wir kreuzten nach Belieben das "Heinemenü" und das "Saisonmenü". Den offerierten Bretonischen Hummer verschmähten wir, wurden dafür aber von einer köstlichen Panna cotta von Pfifferlingen und einer Krokette vom Kalb belohnt. Das Stückchen fester Sahne, vermengt mit einem pürierten und mehrfach reduzierten Pfifferlingssüppchen und versehen mit einem Streifen gelierter Essenz, war mal wieder ein ganz neues und umwerfendes Geschmackserlebnis, ebenso wie die leicht süßlich anmutende, knusprige Krokette.

Wir bleiben gleich beim Schwelgen und leiten über zur Banyuls-Trüffelsuppe und einer mit Rotwurst gefüllten Backpflaume (10,90 Euro). Die Pflaume war ganz okay, aber die Suppe! Ein Grundfonds aus Geflügel und ausgekochten Trüffeln, mit Süßwein angereichert, zweimal einreduziert auf die Hälfte, etwas Sahne untergehoben, und fertig ist diese Köstlichkeit. Haben wir uns erklären lassen in unserer Begeisterung. Aber ach, viel zu klein schien uns das Tässchen für diesen Genuss. War aber auch gar nicht so schlimm, es ging ja weiter. Ein Saibling aus der Müritz mit einem Confit von Gurken und einer Wan-Tan (16,90 Euro) erschien, allerdings ganz anders als erwartet. Nämlich in verschiedenen Variationen, auf einer länglichen Glasplatte angerichtet: Tatar vom Saibling mit Creme fraiche, Forellenlaich und gebratener Blutwurstscheibe; Saibling-Roulade mit Muschelfleisch; geräucherter Saibling, garniert mit einem Wachtelei. Interessant, sehr lecker, wenn auch recht fischig das Ganze, ist ja klar. An die Wan Tan - eine gefüllte Teigtasche - können wir uns jetzt dummerweise nicht mehr erinnern, vermutlich hat sie aber geschmeckt.

Als kleinen Pausensnack servierte die Chefin hernach ein Gurkensorbet mit Pernotschaum, in der Kombination ein wohlschmeckender und wunderbar leichter Zwischengang.

Und nun zu den Hauptgerichten, als da wären: Fläminger Hirschkalbrücken mit Kartoffelbaumkuchen, Kornapfelkroketten, Holunder und Petersilienwurzel (31 Euro) zum einen. Zum anderen Filet vom Wiesenkalb mit Trauben-Senfkornjus, Feige, Pfifferlingen, einem mit Büffelmozarella gefüllten Raviolo und einem Dijon-Senfkartoffelbällchen (28,50). Stoßzahngleich ragte die Petersilienwurzel (karamellisiert?) hervor, das Fleisch war butterzart und schmackhaft, die Apfelkrokette fruchtig, die Pfifferlinge würzig und sogar knackig. Der Raviolo schmeckte vielleicht einen Hauch zu intensiv nach dem geräucherten Mozzarella.

Zu wenig des Köstlichen

Aber jetzt, jetzt wollen wir auch mal ein wenig kritisieren: Es war ein bisschen viel auf dem Teller. Nicht absolut, die Portionsgrößen sind im "Heine" genauso übersichtlich wie in allen gehobenen Restaurants. Aber die Komponenten waren eine Spur zu zahlreich, jede für sich genommen aber zu wenig. Fanden wir zumindest. Zum Beispiel das Senfkartoffelbällchen. Groß wie eine, sagen wir mal, große Kirsche, lag es so allein da. Und schmeckte doch so gut, dass wir gerne eine oder zwei mehr davon gehabt hätten. Oder der Kartoffelbaumkuchen. So klein war das Stück, und so köstlich. Aufwendig hergestellt, natürlich. Immer eine hauchdünne rohe Kartoffelscheibe, bestrichen mit Eimasse, gebacken. Wieder eine Kartoffelscheibe, bestrichen mit Eimasse, gebacken. Und so weiter.

Entbehrung im Überfluss, so wollen wir benennen, was sich beim Dessert (14,90 Euro) fortsetzte. Ein Glas wurde gebracht, in Schichten gefüllt mit Ginger-Ale-Gelee, Pistazienpesto, Pfirsich-Mousse, einer Baissermasse - abgebrannt -, darauf eine frittierte Glasnudel, anbei Mangoeis. Verstehen Sie, was wir meinen? Überflüssig zu erwähnen, wie gut es geschmeckt hat. Aber ein wenig verspielt halt.

Noch ein Wort zum Wein, auch hier müssen wir ein wenig meckern: Die Auswahl an offenen Weinen ist klein. Sie wechselt immer mal, große Mengen an Flaschen werden nicht vorrätig gehalten. Uns wurden jedenfalls nur zwei Weißweine angeboten, einer davon der "Goldriesling" der Winzergenossenschaft Meißen, für den wir uns auch entschieden. Dieser Wein, eine Kreuzung aus Riesling und Courtillier musque précoce, ist eine Rarität, es gibt ihn nur in Sachsen. Wir ahnen aber, dass das Gründe haben könnte. Zwar schmückt sich die sächsische Winzergilde mit diesem Tropfen, verkauft ihn auch zu teurem Preis, aber qualitativ gibt es dafür wenig Grund. Ein einfacher Trinkwein ist er, mehr nicht.

Das aber war es schon mit Kritik, mehr hat das "Heine" wirklich nicht verdient.

Alle Restaurantkritiken unter www.mz-web.de/restaurantkritik