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Hausärzte Hausärzte: Ländliche Einzelkämpfer

Von JULIA KLABUHN 26.04.2010, 18:25

FRIEDERSDORF/HALLE/MZ. - Die Arztpraxis von Ines Aleithe ist kaum zu verfehlen. Gut sichtbar führen Schilder von der Hauptstraße des knapp 2 000 Einwohner zählenden Ortes Friedersdorf bei Bitterfeld zu ihr hin. Doch auch ohne Wegweiser wäre das Wartezimmer der jungen Ärztin an diesem Tag voll. Denn Hausärzte sind knapp in der Region Bitterfeld. Und damit unterscheidet sich diese Region kaum von anderen ländlichen Gegenden Sachsen-Anhalts.

Aleithe ist Landärztin - eine Tätigkeit, die inzwischen nicht mehr genügend Mediziner ausüben wollen. Die Folge: Viele ländliche Regionen sind medizinisch unterversorgt. "70-Stunden-Wochen, wie mein Vorgänger sie noch geleistet hat - das will heutzutage kein junger Arzt mehr machen", so Aleithe. Nicht nur jungen Frauen, auch Männern sei es zunehmend wichtig, ausreichend Zeit mit der Familie zu verbringen, so die 38-Jährige.

Nach Aleithes Meinung ist die derzeitige Organisationsstruktur der ärztlichen Versorgung einer der Gründe für den Landarztmangel. "Einzelpraxen sind eigentlich nicht die Lösung für sehr dünn besiedelte ländliche Gebiete", sagt sie. Günstiger seien Praxisgemeinschaften - oder auch der Betrieb von ländlichen Praxen oder Gesundheitszentren durch übergeordnete Träger. Letztere könnten jungen Ärzten womöglich auch die Angst vor dem hohen Verwaltungsaufwand nehmen. "Angefangen von den unterschiedlichen Abrechnungsregeln der vielen Krankenkassen bis zur Feuerlösch-Verordnung müssen niedergelassene Ärzte sich mit sehr viel Bürokratie auseinandersetzen", sagt Aleithe. Davor schreckten jedoch viele junge Mediziner zurück.

Auch Andreas Klement ist der Ansicht, dass junge Mediziner nur dann für eine Tätigkeit als Landarzt motiviert werden können, wenn es Arbeitszeiten unterhalb einer Sieben-Tage-Woche gibt. Der kommissarische Leiter der Sektion Allgemeinmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle meint, dass mit Angeboten zur Teilzeitarbeit und kooperativen Modellen wie Praxisgemeinschaften die Schwelle sinken würde, sich für eine Niederlassung auf dem Land zu entscheiden. "Das ist wahrscheinlich sogar wichtiger als der Verdienst", sagt Klement.

Zudem müssten Studenten früh für das Fachgebiet Allgemeinmedizin interessiert werden. Viele der künftigen Mediziner gingen nicht mit Blick auf ein bestimmtes Fachgebiet ins Studium. "Es kommt darauf an, wie viel Kontakt die Studenten während des Studiums mit dem Fachgebiet haben und wie überzeugend die Dozenten sind", sagt Klement. Im deutschlandweiten Durchschnitt liege der Anteil der Allgemeinmedizin an der Lehre bei zwei Prozent, international dagegen bei sechs Prozent. "Wenn man möchte, dass Allgemeinmedizin häufiger als Berufsziel erwogen wird, dann muss man es intensiv lehren", betont Klement.

Seit 2004 gebe es die Möglichkeit, das für Studenten vorgeschriebene Blockpraktikum vor dem Staatsexamen in der Allgemeinmedizin zu absolvieren. Zudem unterrichteten niedergelassene Ärzte an der Uni Halle. "Die Studenten brauchen überzeugende Vorbilder, um sich für das Berufsbild des Hausarztes begeistern zu können."

Niedergelassene Ärzte als Vorbilder hatte Daniela Himar vor Augen, als sie ihr Medizinstudium mit dem Berufsziel Hausärztin begann. Inzwischen arbeitet die 32-Jährige nach dem Studium als Ärztin in Weiterbildung. "Mir gefällt, dass der Hausarzt die Patienten in der Regel über einen langen Lebensabschnitt begleitet", sagt Himar. Zudem sei die Tätigkeit sehr vielfältig. "Auf dem Land gilt das noch mehr, weil der nächste Facharzt weiter entfernt ist als in der Stadt."

Ob sie sich für eine Niederlassung auf dem Land entscheiden werde, sei aber nicht sicher. Anders als in der Stadt, wo es die Notaufnahmen der Krankenhäuser gibt, müsse man auf dem Land im Zweifel immer erreichbar sein. Das ließe sich mit einer Familie schlecht vereinbaren. "Das Problem ist, dass keiner der Erste in einer untersorgten Region sein will", so Himar. "Wenn zehn andere Ärzte mitgehen, würde ich sofort aufs Land ziehen."

Die Friedersdorfer Ärztin Aleithe hat es unterdessen nicht bereut, sich in einer ländlichen Region niedergelassen zu haben. "Die Arbeit ist für mich angenehmer als im Krankenhaus, wo ich zuvor als Internistin beschäftigt war", sagt sie. Es sei schön, alle Altersgruppen zu betreuen. Der Kontakt zu den Patienten sei enger - und es motiviere sie immer von neuem, wenn die Patienten sich bei ihr bedanken.