Harz Harz: Mit Wanderstiefeln zur Hirschbrunft
Sonnenberg/dpa. - Als Alexander Ehrig und Dirk Gronowski amWandertreff in Sonnenberg ankommen, werden sie schon erwartet. Andiesem Abend wollen 16 Besucher mit den Rangern zur Hirschbrunft aufden Bruchberg laufen. «Alles dabei? Wanderstiefel, dicke Jacke,Taschenlampe, Sitzkissen?» Ein Fernglas sei nicht nötig. «Wir werdendie Hirsche hören, aber nicht sehen», sagt Gronowski. Dann geht eslos, immer bergauf.
Mit 927 Metern ist der zwischen Torfhaus und Altenau gelegeneBruchberg Niedersachsens zweithöchste Erhebung. Dort befindet sicheiner der größten Brunftplätze des Rotwildes im Harz. «Mal ruhig»,sagt Ehrig plötzlich. Von Ferne sind Hirsche zu hören. Aber nochleise.
Seit einigen Jahren bietet der Nationalpark Führungen zurHirschbrunft an. Das Interesse ist groß. «Die Nachfrage steigtständig», sagt Gronowski. Die Teilnehmer kommen nicht nur aus demHarz, sondern aus dem gesamten Umland. Diesmal sind sogar Teilnehmeraus Holland dabei.
In diesem Spätsommer hat die Hirschbrunft früh begonnen. «Dieersten Tiere haben schon Ende August gerufen», berichtet Ehrig. DiePlatzhirsche achten darauf, dass sie Rivalen von ihren Rudelnfernhalten. Insgesamt leben bis zu 7500 Hirsche im Harz und seinenRandlagen, allein rund 5000 im niedersächsischen Teil des Gebirges.Im Harz lebt damit die zweitgrößte Rotwildpopulation des Landes. Nurin der Lüneburger Heide gibt es noch mehr Hirsche.
«Wir sollten ab jetzt sehr leise sein», mahnt der Ranger, als esimmer weiter hinaufgeht. «Die Tiere sollen möglichst wenig gestörtwerden.» Der Bruchberg, ein weitgehend naturbelassenes Hochplateau,ist eines der bekanntesten Brunftgebiete des Rotwildes. Momentan sinddie Tiere aber überall im Harz aktiv. Selbst auf der Brockenkuppekönne man jetzt Hirsche antreffen, sagt Gronowski.
Nach einer halben Stunde ist das Ziel der Wanderung erreicht. Einpaar Bänke aus unbehandelten Holzbalken. Die Gruppe lässt sich niederund lauscht. Hier oben hat der Borkenkäfer vor 20 Jahren ganze Arbeitgeleistet und viele Fichten-Leichen hinterlassen. Zwischen den kahlenStämmen, die grau in den Abendhimmel ragen, wachsen aber überallschon wieder neue Bäume: Fichten, Ebereschen, Birken.
Dann ist es so weit: Es röhrt, dröhnt, bellt. Ein Hirsch beginnt,andere antworten. Ein leichter Westwind trägt die Rufe heran. «DasRöhren ist ein permanentes Imponiergehabe», erklärt Ranger Ehrig.«Dabei ist ganz viel Show.» Richtige Kämpfe zwischen den Hirschenseien in der freien Natur eher die Ausnahme. Wenn jedoch nach derBrunftzeit über den Höhen des Harzes Kolkraben kreisen, ist das einZeichen dafür, dass irgendwo der Kadaver eines Hirsches liegt, den esim Kampf erwischt hat.
Natürliche Feinde hat der Rothirsch im Harz nicht. Der vor einigenJahren wieder angesiedelte Luchs könne zwar mal ein Kalb oder eingeschwächtes Jungtier reißen, erzählen die Ranger. Gegen die bis zu160 Kilogramm schweren Alttiere habe der Räuber aber keine Chance. Umden Bestand in Grenzen zu halten und damit die Bäume vor Verbiss zuschützen, müsse auch im Nationalpark gejagt werden. Etwa 500 Tierepro Jahr haben die Ranger zuletzt geschossen. «Deswegen warten wirhier auf den Wolf», sagt Gronowski. Er werde bald von Osten kommenund dann die Arbeit der Jäger erledigen.
Inzwischen ist es spät geworden und kalt. Der Himmel iststernenklar. Leise macht sich die Gruppe im Schein von Taschenlampenauf den Rückweg. Dann plötzlich von Ferne ein Krachen. «Jetzt kämpfendoch zwei Hirsche gegeneinander», sagt Ranger Ehrig. Noch einmalstoßen die Geweihe geräuschvoll gegeneinander. Die Gruppe lauscht.Ein letztes Röhren. Dann geht es für die Wanderer zurück auf denSonnenberg. Viel geredet haben sie auf Wunsch der Ranger nicht. Wiezufrieden die Wanderer mit der Führung sind, zeigt sich daran, dassviele Geldscheine in die Spendendose des Nationalparks wandern.