1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Gutsgasthof von Bismarck: Gutsgasthof von Bismarck: Hering und Himbeeren

Gutsgasthof von Bismarck Gutsgasthof von Bismarck: Hering und Himbeeren

Von iris stein 07.09.2012, 17:51

Halle (Saale)/MZ. - Es gibt ihn tatsächlich: Mitten auf dem Hof liegt ein ordentlich gestapelter - in seinen Ausmaßen beeindruckender Misthaufen. Allerdings muss der Besucher schon zweimal hinschauen, denn der Hof des Rittergutes Braunsroda hat stattliche Ausmaße und andere Dinge fallen mehr ins Auge. Das steinerne Eingangsportal in das Anwesen beispielsweise und der einladende Aufgang in das Gutshaus von Bismarck, in dem sich ein kleines Café-Restaurant mit besonderem Charme befindet.

Doch bevor die von zwei Robinien gesäumten steinernen Stufen genommen werden, sei ein kurzer Rundgang durch eine lange Geschichte gestattet. Seit über 350 Jahren gehört das Rittergut Braunsroda der Familie von Trebra, unterbrochen nur durch volkseigenen Besitz von 1945 bis Anfang der 90er Jahre. Da kehrte der Enkel des letzten Besitzers zurück ins Thüringische. Georg von Bismarck bewirtschaftet heute rund 230 Hektar Land, kaufte mit seiner Frau Kristin den Gutshof zurück und sanierte ihn Stück für Stück. Nach und nach wird sichtbar, welches Kleinod beide da unter ihren Händen entstehen lassen.

Einladung zum Urlaub

Das Café-Restaurant gibt es seit 2004, drei Ferienwohnungen gesellten sich hinzu und Pensionspferdeställe. Eine rechte Einladung, nicht nur für einen kurzen Restaurantbesuch zu bleiben, denn bis nach Braunsroda braucht es eine Weile. Es lassen sich durchaus auch ein paar erholsame Ferientage verbringen, schließlich locken mit Unstrut-Radwanderweg, Kyffhäuser und der Berg- und Rosenstadt Sangerhausen in unmittelbarer Nähe jede Menge Ausflugsziele. Die Ferienwohnungen verfügen über gehobenes Niveau, gut versorgt ist der Gast im Restaurant.

Das heißt es jetzt ausprobieren. Der kleine, lauschige Biergarten neben dem Gutshaus lockt, doch es ist früher Abend und schon etwas kühl - da sitzt es sich in der in freundlichen, hellen Farben gehaltenen Gaststube angenehmer. Ein kleiner Stopp noch unmittelbar vor dem Raum: Unter der Treppe, die ins obere Geschoss führt, befindet sich immerhin Thüringens kleinstes Gutslädchen. Hier werden Marmeladen angeboten, verschiedene Tees und Säfte - ein einladend sympathisches Sortiment zum Entdecken und Probieren.

Adelheids Rezeptbuch

Im Gastraum schickt die Sonne allerletzte Strahlen durchs Fenster, es ist genügend Platz, sich den nach Gusto schönsten Tisch zu wählen. Nicht mehr ganz sauber die Tischdecke, nach einem wohl turbulenten Sonntag, dafür Gestecke mit frischen Blüten. Auch zum Auftakt eine kleine Enttäuschung: Leider sind die Pfifferlinge aus, für die extra eine Sonderkarte einliegt. Das ist bedauerlich, denn ein Mango-Sorbet mit karamellisierten Pfifferlingen (5,20 Euro) - das macht denn doch sehr neugierig, das hätten wir gern gekostet.

Allein, das Bedauern ist schnell verflogen, denn die kleine, dafür aber sehr originelle Karte wartet mit Gerichten auf, die man eigentlich allesamt probieren möchte. Dabei legen die Betreiber des Restaurants, Georg und Kristin von Bismarck und Küchenchef Daniel Reuber, aus Erfurt stammend, den Schwerpunkt auf Regionalität und auf die Familientradition. Adelheid von Trebra, die Großmutter des heutigen Besitzers, heiratete in Braunsroda einst den Landwirt Levin-Friedrich von Bismarck und hinterließ ein handgeschriebenes Rezeptbuch. Einige ihrer Empfehlungen fanden Eingang in die Karte. Sie sind sogar als Original-Faksimile darin enthalten und werden genau noch so gekocht oder gebacken wie einst zu ihrer Zeit. Das gilt beispielsweise für das Briester Brot, ein Sauerteigbrot aus Roggenschrot und -mehl mit knackigen Nussstücken. Benannt ist es nach dem Gut Briest in der Altmark, Stammsitz der Briester Linie der Bismarcks, und gereicht wird es beispielsweise zur Heldrunger Zwiebelrahmsuppe (4,80 Euro), die kräftig nach den Stuttgarter Riesen und Braunschweiger Roten schmeckt, aus denen sie gemacht ist. Geröstet begleitet das Brot das Cremesüppchen von frischen Gartenkräutern (3,90 Euro), das nach Basilikum duftet und eine feine Pfeffernote hat.

Der junge Küchenchef lässt es sich nicht nehmen, selbst mitzuteilen, was er außerdem an feinen Zutaten ins Töpfchen gegeben hat. Kundig gibt er Auskunft zu Pimpinelle und Petersilie, Borretsch, Vogelmiere und Sauerklee. Zahlreiche regionale Zutaten sind allenthalben in der Karte zu finden: Neben den erwähnten Heldrunger Zwiebeln auch Kleinhettstedter Senf, Tee vom Kyffhäuser und in der Umgebung produziertes Fleisch. Darauf macht auch eine ungewöhnlich Seite in der Karte deutlich: Hier listet das Gutshaus auf, wer seine Partner in der Region sind: von welcher Agrar-GmbH das Fleisch kommt, welche Bäckerei das Briester Brot und die Eiernudeln liefert, welcher Bauernhof für Gemüse und Kartoffeln sorgt. Hier erfährt der Gast ganz genau, was er zu sich nimmt.

Diesmal der andere Otto

Während der Wartezeit sind aus der Küche übrigens eindeutige Geräusche zu vernehmen: Da wird das Cremesüppchen mit dem Pürierstab frisch aufgeschäumt, lautes Klopfen zeigt an, dass ein Gast das Schnitzel vom Steinthalebener Landschwein (11,70 Euro) probieren will. Wir haben ein Fleisch- und ein Fischgericht gewählt: Rumpsteak mit frischen Gemüsen der Saison und Kartoffel-Käse-Spalten (17,90 Euro), das ohne Fehl und Tadel selbstverständlich zartrosa serviert wird, und in Butter gebratenes Zanderfilet mit Champignons und Kapern-Sardellen-Sauce und Salzkartoffeln (14,10 Euro). Das beruht auf einem Original-Rezept der Adelheid von Bismarck, die auf diese Art Hecht zubereitete. Sehr saftiger, zarter Zander, pikante Sauce. Die Weinempfehlung der netten Bedienung dazu wirkt nicht wirklich kompetent, erweist sich aber dennoch als Treffer. "Otto der Große" nennt sich der sehr typische, perfekt gekühlte Müller-Thurgau vom Weinhaus Elste in Barnstädt (4,40 Euro). Diesmal ist allerdings der andere Otto, der II., gemeint. Überhaupt, die Weine: Die kommen erfreulich häufig aus der Region, sogar vom Geiseltalsee.

Wiederholung erwünscht

Inzwischen munden die Hauptgerichte, vor allem auch das begleitende Gemüse, das als Salat angerichtet ist. Ein Zitronenkern verrät, dass auch dieses Detail selbst zubereitet wurde. In einem separaten Schälchen käme es wohl aber noch besser zur Geltung.

Ein Dessert passt natürlich immer, noch dazu bei diesen verlockenden Aussichten: Otto von Bismarck, heißt es, war ein großer Liebhaber von Himbeereis. Seinem Andenken ist folgerichtig das hausgemachte Himbeer-Sorbet an frischen Früchten gewidmet (4,90 Euro). Die frischen Früchte entpuppen sich als leicht müde Melonen-stücke, aber das Sorbet ist wirklich köstlich. Genau wie die Quarkkeulchen nach Rezept der Braunsrodaer Gutsküche, die auf einem Fruchtspiegel serviert werden. Statt Quitte oder Holunder, wie vielleicht zu vermuten gewesen wäre, entpuppt sich der als Mango - das sollte noch besser gelingen.

Ein gelungenes Essen und doch bleibt der Gedanke vom Anfang: Mehr hätten die Gäste gern versucht. Beispielsweise die Bismarck-Heringe, die in einem solchen Haus natürlich nicht fehlen auf der Karte. Und: Sie kommen extra aus Stralsund, vom Fischer Henning Rasmus, der als einziger Produzent heute noch nach dem Original-Rezept die berühmte Spezialität herstellt. Was bleibt da? Der Wunsch nach einem zweiten Besuch natürlich.