Gewalt in Flüchtlingsunterkünften Gewalt in Flüchtlingsunterkünften: Explosive Mischung

Klietz - Nun also Klietz. Nach einer Massenschlägerei zwischen rund hundert Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan in einer Asylbewerber-Unterkunft in dem Altmark-Ort ermittelt die Polizei wegen Nötigung gegen einen 18-jährigen Mann aus Afghanistan. Er soll am Montagabend ein syrisches Mädchen, zwölf Jahre alt, umfasst haben. Deren Familie wollte ihn zur Rede stellen, daraus entwickelte sich die Auseinandersetzung. Ein sexueller Übergriff? „Die Familie des Mädchens hat das offenbar so gedeutet“, sagt ein Polizeisprecher, „das genaue Motiv kennen wir aber noch nicht.“ Der Mann sei zur Tatzeit betrunken gewesen. Bei der Schlägerei wurde ein Beteiligter leicht verletzt.
Klietz ist kein Einzelfall. Suhl, Dresden, Kassel, Leipzig, Hamburg?-?immer wieder geraten Flüchtlinge in überfüllten Massenunterkünften aneinander. Aus Sicht der Hilfsorganisation Pro Asyl liegt das häufig an den Umständen, unter denen die Menschen dort leben müssen. Drangvolle Enge, kaum Privatsphäre, keine Rückzugsräume für Familien, die Ungewissheit wie es weitergeht-?eine explosive Mischung, in der schon ein Streit in der Schlange vor der Essenausgabe genügen kann, um das Pulverfass hochgehen zu lassen. Religiöse oder ethnische Konflikte spielten dagegen weniger eine Rolle, sagt Pro-Asyl-Rechtsreferentin Marei Pelzer.
Bei einer Massenschlägerei zwischen Flüchtlingen in einer Leipziger Messehalle hatte sich vor wenigen Wochen sogar eine Helferin des Roten Kreuzes verletzt. Sie war vor der Auseinandersetzung geflüchtet und hatte sich bei einem Sturz die Kniescheibe gebrochen. Guido Fellgiebel weiß um die Situation, in die er seine Leute schickt. „Das ist nicht ganz ungefährlich.“ Fellgiebel ist Geschäftsführer im Kreisverband Wanzleben des Deutschen Roten Kreuzes. Seine Mitarbeiter betreuen Asylbewerber in der Zentralen Aufnahmestelle des Landes (Zast) in Halberstadt. Dort leben zurzeit etwa 2.500 Menschen aus 20 Nationen.
Fellgiebel setzt auf „niedrigschwellige Angebote“, wie er es nennt. Zwei Zelte dienen in Halberstadt als eine Art Begegnungszentrum; Flüchtlinge könnten dort zur Ruhe kommen und mal einen Tee trinken. Seine Erfahrung: „Tee regt zum Gespräch an“ - und trägt damit zur Deeskalation bei. Dolmetscher helfen über Sprach-Barrieren hinweg. Über ein spezielles Konflikt-Training verfügen die Rot-Kreuz-Mitarbeiter nicht. Das wäre zwar wünschenswert, meint der DRK-Mann. Es sei aber wegen der häufig wechselnden Helfer - sowohl Hauptamtliche als auch Freiwillige - schwer umzusetzen.
Neben den Rot-Kreuz-Leuten arbeiten in der Zast nach Angaben des Innenministeriums derzeit auch 21 Sozialarbeiter; ihre Zahl soll noch aufgestockt werden. Auch Pro Asyl fordert in Massenunterkünften den Einsatz von mehr Sozialarbeitern. Diese seien geschult einzugreifen, ehe Konflikte eskalierten, sagt Rechtsreferentin Marei Pelzer. Darüber hinaus sollten zumindest Familien mit Kindern rasch in kleineren Unterkünften aufgenommen werden, verlangt die Organisation. (mz)