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Geschichte der Männerunterwäsche Geschichte der Männerunterwäsche: Was Mann drunter trägt

Von Antonie Städter 13.06.2015, 15:54
Unterhosen-Model David Beckham
Unterhosen-Model David Beckham Imago       Lizenz

Halle (Saale) - Entblößt bis auf die knappe Unterhose, sexy Blick frontal in die Kamera, das Ganze weltweit auf riesigen Plakaten an Häuserwänden - und dann dieser Gedanke: Was wird meine Mutter dazu sagen? Ja, das hat sich Ex-Fußballspieler David Beckham tatsächlich gefragt, als er die Werbung für die von ihm entworfene und präsentierte Unterwäsche sah. Hat er jedenfalls einmal in einem Interview erzählt. Inzwischen soll der gerade 40 Jahre alt gewordene Werbestar dem Job des Unterhosen-Models abgeschworen haben. Doch er hat auch gezeigt: Der Mann als Sexobjekt, das ist nichts mehr, was einen empörten Aufschrei auslöst. Als der Rapper Marky Mark alias Mark Wahlberg Anfang der 90er Jahre für einen Werbespot die Jeans herunterließ und enge Calvin-Klein-Unterhosen sowie seinen muskelbepackten Körper freilegte, war das noch nicht ganz so selbstverständlich.

„Während die Unterbekleidung früher vordergründig bei den Frauen als Erotikfaktor eingesetzt wurde, wirbt damit heutzutage auch der Mann für sich als sexuelles Wesen“, sagt Kostümbildnerin Kathrin Hegedüsch, die an der halleschen Kunsthochschule Burg Giebichenstein und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Dozentin für Kulturgeschichte der Mode ist. Die Zeiten haben sich geändert - und damit auch dieses spezielle Stück Stoff. Das Darunter ist heute oft kein Geheimnis mehr: So wie manche Frau den Spitzenstring hervorblitzen lässt, zeigen junge Männer gern Schriftzüge ihrer Lieblingsmarken. Womit wir wieder bei Calvin Klein wären, mit dessen Unterhosen diese Art der Eigenwerbung ihren Anfang nahm.

Unterwäsche war "Privileg der Betuchten"

Ein kleiner Skandal wäre derlei Flirt mit dem Betrachter (oder der Betrachterin) wohl noch vor 80 Jahren gewesen, als jene Variante entstand, die als Prototyp der Unterhose gilt, wie wir sie heute kennen - der erste Slip gewissermaßen für den Mann. Arthur Kneibler, ein deutschstämmiger US-Amerikaner, hatte sich dafür von den kurzen Badehosen, die an der französischen Riviera getragen wurden, inspirieren lassen. „Unter dem Markennamen ,Jockey’ entstand eine revolutionäre Form mit einem umgekehrten Ypsilon-Einsatz vorn“, berichtet Kathrin Hegedüsch. „Die Erfindung wurde patentiert und sie setzte sich nach und nach durch, was sicher auch an dem bequemen Schnitt und dem guten Halt lag, den sie bot.“ Die Präsentation der neuen Unterhose sorgte damals, in den 30ern, für mächtig Aufsehen: Das Männermodel, das sie vorführte, trug darüber nichts als einen durchsichtigen Smoking aus Zellophan.

„Unterwäsche war lange Zeit ein Privileg der Betuchten gewesen“, sagt die Dozentin. „Erst mit der Industrialisierung wurde sie massentauglich, weil sie nun für viele Leute erschwinglich war - und im Sinne der bürgerlichen Moral- und Sittlichkeitsvorstellungen im beginnenden 19. Jahrhundert unbedingt erwünscht.“ Ende jenes Jahrhunderts kamen für die Herren Hemdhosen auf, „eine Kombination aus Hemd und langer Unterhose“. Später, in den Kriegsjahren, sei - „für Soldaten überlebenswichtig“ - seriell gefertigte Unterbekleidung aus Baumwolle, Wolle oder Trikotstoff geläufig gewesen. „Im zivilen Bereich setzte sich die oberschenkellange Unterhose mit Vorderschlitz durch, die meist aus Baumwolle bestand - oder als Luxusausführung aus gewirkter Seide.“ Mit der Badekultur kommen Unterhosenschnitte ans Licht der Öffentlichkeit: „War es vor 1900 noch undenkbar gewesen, den Körper in solch knapper Badebekleidung zu präsentieren, wurden nun Badehosen oder Shorts immer mehr akzeptiert. Heute haben sie längst nichts Anstößiges mehr und werden in Sport und Freizeit getragen - wie etwa auch Radlerhosen, die eine klare Unterhosenform haben“, so Kathrin Hegedüsch.

Bei dem, was er drunter trägt, gibt es keine Vorschriften mehr. Im Gegenteil: Der Mann hat heute die Qual der Wahl. Klassischer Slip oder knapper String, weite Boxershorts oder enge Unterhose? Oder gar die lange Form, die bislang alle Schmähungen als „Liebestöter“ überdauert hat? Dieser Schnitt oder jener, mit oder ohne Eingriff, dezent in der Farbe oder schreiend bunt: „Heute sind der männlichen Verpackungskunst keine Grenzen gesetzt“, sagt die Modeexpertin. „Alles ist erlaubt und alles wird angeboten.“ Wobei: Männer bleiben ihrem einmal favorisierten Unterhosen-Modell gern treu - haben Studien ergeben. Jedoch sollen andere Studien auch belegen, was viele schon vermutet haben: Es sind in der Mehrzahl nicht die Männer, die ihre Unterhosen kaufen - sondern die Frauen.

Auf jeden Fall geht der Trend bei seiner Unterwäsche heute zu Understatement und Qualität, wie Kathrin Hegedüsch berichtet: „Der persönliche Luxus besteht vor allem in der Schnittführung, raffinierten Details, besonderer Verarbeitung und schmeichelnden Materialien.“ Auch das Thema Nachhaltigkeit in Material und Herstellung sei vielen inzwischen wichtig. Vorbei die Zeiten, als es möglichst schrill zugehen musste: „Neonfarben oder Leopardenmuster, wie sie in den 80ern angesagt waren, sind heute nicht mehr so verbreitet.“

Die Ritter trugen braune Leinenunterhosen, "das ersparte das Waschen"

Apropos Tierdrucke, die auch im Erotik-Bereich Verwendung finden: „Solche Prints fordern zum Liebkosen und Streicheln auf und signalisieren das Ungezähmte und Wilde des Tieres. Erotische Unterwäsche ist ja immer ein Signal, um erotische Wünsche auszudrücken“, erklärt sie. Dem Material komme dabei eine besondere Bedeutung zu, weil es im direkten Kontakt zum Körper steht. „Leder zum Beispiel umhüllt den Mann wie eine zweite Haut - und symbolisiert gleichzeitig Machtbewusstsein.“ Und es erinnert ein wenig an die Anfänge dieses Kleidungsstücks.

Die Geschichte der Unterhose, sie beginnt, als der Mensch den aufrechten Gang annimmt, so Kathrin Hegedüsch: „Damit war das männliche Geschlecht präsent. Zum Schutz wird es bedeckt, und bereits in der Steinzeit entwickelt sich die Urform der Unterhose, der Lendenschurz.“ Bevorzugte Materialien: Stoffe aus der Natur wie Kokosfasern oder die Haut beziehungsweise das Fell erlegter Tiere - „letztere galten zugleich als schmückende Trophäen“.

Und was die Herren später nicht alles drunter getragen haben! Im alten Rom wurden Lendentücher ähnlich wie Windeln gebunden, die Ritter des Mittelalters trugen halblange Leinenunterhosen mit Beinlingen, „bevorzugt in Rot- oder Brauntönen - das ersparte das Waschen“, sagt sie. Nein, die Geschichte der Unterwäsche war lange Zeit keine saubere Sache. In der Renaissance wird es dann speziell: Schamkapseln werden modern. „,Mann’ hebt damit das männliche Geschlecht schmückend hervor und dekoriert es für jeden sichtbar mit Schleifen und Bändern.“ Und die Frauen? Haben ein weit größeres Repertoire gehabt. Oder? „Abgesehen von Hemden und Korsagen war Unterwäsche bei Frauen über Jahrhunderte nicht üblich“, berichtet Kathrin Hegedüsch. Später haben sie sich umso mehr ins Zeug gelegt. (mz)

Lange Unterhosen gelten als unattraktiv, müssen es aber nicht sein.
Lange Unterhosen gelten als unattraktiv, müssen es aber nicht sein.
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