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Millionen in Hinterhand  Geld aus Hochschulpakt: Unis in Sachsen-Anhalt haben Millionen in der Hinterhand

Von Walter Zöller 25.04.2017, 10:00
Euro-Geldscheine: Warum haben die Hochschulen in Sachsen-Anhalt sehr viel Geld aus dem Hochschulpakt zur Stärkung der Lehre noch nicht ausgegeben?
Euro-Geldscheine: Warum haben die Hochschulen in Sachsen-Anhalt sehr viel Geld aus dem Hochschulpakt zur Stärkung der Lehre noch nicht ausgegeben? dpa-Zentralbild

Magdeburg/Halle (Saale) - Was für eine Vorstellung: Die Hochschulleitungen in Sachsen-Anhalt jammern über fehlendes Geld - und haben im Keller die Millionen gebunkert. Das Bild mag vielen im Kopf umherschwirren angesichts der Tatsache, dass die beiden Universitäten und fünf Hochschulen Mittel aus dem Hochschulpakt in Höhe von 76 Millionen Euro noch nicht ausgegeben haben.

Doch die Wirklichkeit ist komplizierter: Einige Hochschulen haben die Millionen für geplante Projekte fest veranschlagt, sozusagen als Wechsel auf die Zukunft. Andere haben einige Millionen dagegen schon vor längerer Zeit aus Angst vor eben dieser Zukunft als Notgroschen zurückgelegt. Und fast alle fürchten, dass sie mit dem Hochschulpakt jetzt Verpflichtungen eingehen, die sie später nicht mehr bezahlen können. Die MZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu dieser Gemengelage.

Wie kam es zu dem Hochschulpakt?

Bund und Länder einigten sich vor über zehn Jahren darauf, die Lehre an den Hochschulen zu stärken und sie so für die Aufnahme zusätzlicher Studenten fit zu machen. Die fünf ostdeutschen Länder verpflichteten sich zudem, die Zahl der Studienanfänger trotz rückläufiger Bevölkerungszahl auf dem Stand von 2005 zu halten. Das soll auch zur Stärkung der Hochschulstädte beitragen. Dazu sind erhebliche zusätzliche Anstrengungen nötig.

Die Bundesländer bekommen seit 2008 jedes Jahr einen festen Betrag, den sie um eine geringe Summe aufstocken und an ihre Hochschulen verteilen. In Sachsen-Anhalt waren das im Jahr 2016 fast 54 Millionen Euro. Die Martin-Luther-Universität in Halle erhielt beispielsweise gut 16,4 Millionen Euro, die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg 14,6 Millionen, die Hochschule Anhalt knapp 7,3 Millionen.

Wofür darf das Geld ausgegeben werden?

Mit dem Geld sollen alle Hochschulen ein „qualitativ hochwertiges Studium“ garantieren. Die Mittel können sowohl in zusätzliche befristete Stellen als auch in konkrete Projekte investiert werden, der Schwerpunkt soll aber im Personalbereich liegen. Bund und Länder können Rückforderungen geltend machen, wenn die Millionen falsch eingesetzt wurden. Das Geld muss nicht im selben Jahr, in dem es überwiesen wird, ausgegeben werden. Und hier fängt das Problem an: Alle Hochschulen in Sachsen-Anhalt haben zum Teil beträchtliche Rücklagen gebildet. An der Uni in Halle sind dies fast 20,7 Millionen, an der Uni Magdeburg ist es nur knapp eine Million Euro weniger. Die Hochschule Anhalt hat 11,7 Millionen Euro in Reserve.

Wie sieht es an der Martin-Luther-Universität aus?

An der Uni in Halle haben sich offensichtlich zu viele Rücklagen angehäuft. Das kann man aus Äußerungen von Uni-Kanzler Markus Leber schlussfolgern: „Die Ausgabereste bei den Hochschulpaktmitteln müssen abgebaut werden. Das ist keine Frage“, sagt er. Man müsse dazu kommen, das Geld „kontinuierlich den Zwecken des Hochschulpakts entsprechend zu verwenden“. Damit habe man bereits im Jahr 2016 begonnen.

Leber ist seit April 2015 Kanzler. Die Uni aber begann schon davor, den Sparstrumpf zu füllen, statt mit den Hochschulpaktmitteln noch offensiver in Lehre und Studium zu investieren. So sagte 2014 die damalige Prorektorin für Struktur und Finanzen, Brigitte Dräger, in einem Interview, ein Teil des Geldes solle zur „Absicherung der Zukunft der Universität“ dienen und in die kommenden Jahre übertragen werden. Nur so werde die Uni in der Lage sein, in den Jahren 2015 und 2016 wieder einen ausgeglichenen Etat aufzustellen.

Neben der Sorge um den Etat soll es - so wird kolportiert - einen weiteren Grund für die hohen Rücklagen geben: Die verschiedenen Gruppen im Senat hätten sich nicht auf Vorhaben verständigen können. Diese Lesart wird freilich offiziell bestritten.

Wie geht es an der Universität in Halle nun weiter?

Mittlerweile haben sich die Zeiten etwas geändert. Um die Finanzen der Uni ist es zumindest kurzfristig nicht mehr so schlecht bestellt wie noch vor einigen Jahren. Darauf macht auch Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) im Streit um die Frage aufmerksam, wie die angesichts des riesigen Lehrermangels im Land notwendige zusätzliche Ausbildung von Pädagogen an der Uni Halle finanziert werden kann. Statt nach mehr Finanzhilfe zu rufen, sollte die Uni die Reserven aus den Hochschulpaktmitteln anzapfen. „Dieses Geld steht für die Verbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung“, so der Minister.

Leber reagiert auf diesen Vorstoß reserviert. Für die über mehrere Jahre laufende zusätzliche Ausbildung von Lehrern brauche man zusätzliches unbefristetes Personal. „Und da hilft der Hochschulpakt nicht wirklich weiter“, sagt Leber.

Der Strategiewechsel aber scheint - jenseits des Konfliktfalls Lehrerausbildung - eingeleitet. „Unter anderem haben wir die Fakultäten aufgefordert, konkrete Projekte zu benennen, die mit Hilfe des Hochschulpakts finanziert werden können“, sagt Leber.

Was macht die Hochschule Anhalt anders als die Uni in Halle?

Folgt man den Äußerungen von Jörg Bagdahn, seit 2016 Präsident der Hochschule Anhalt, ist man dort schon viele Schritte weiter. Die Rücklagen in Höhe von elf Millionen Euro seien „gebunden“ und größtenteils mit konkreten Aufträgen verbunden. So würden alleine 4,8 Millionen Euro in ein neues IT-Netz investiert. Zudem würden unter anderem das Campusgelände und die Sportmöglichkeiten erweitert. All dies diene dazu, für die Studenten moderne Studienbedingungen zu schaffen.

Warum hat die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg Rücklagen gebildet?

Wie die Hochschule Anhalt verweist auch die Universität in Magdeburg auf ein „umfangreiches Maßnahmenbündel“ zur Verbesserung der Lehre, das bis zum Jahr 2023 konzipiert sei. Ohne Rücklagen lasse sich das nicht finanzieren. „Um die inhaltlich sinnvollen Maßnahmen auch noch in den 2020ger Jahren finanzieren zu können, durften wir in den ersten Jahren nicht das gesamte zur Verfügung stehende Geld ausgeben“, begründet Uni-Kanzler Jörg Wadzack einen Teil der Rücklagen.

Wo liegen die Tücken des Hochschulpakts?

Mit dem Geld können nur zeitlich befristete Stellen für die Lehre bezahlt werden. Läuft die Vereinbarung mit dem Bund aus, droht Dozenten die Arbeitslosigkeit, wenn die Unis nicht mir „eigenem“ Geld einspringen. „Und da stoßen wir schnell an unsere Grenzen“, so Halles Uni-Kanzler Leber.

Was passiert, wenn der Hochschulpakt ausgelaufen ist. Stehen die Hochschulen dann vor der Pleite?

Die letzten Raten des Hochschulpakts werden im Jahr 2023 überwiesen. Allgemein wird damit gerechnet, dass Bund und Länder nach der Bundestagswahl im Herbst über eine neue Vereinbarung verhandeln.

Für die Hochschulen ist das alternativlos. „Sollte es keine Fortsetzung des Hochschulpaktes nach 2020 geben, wären die Hochschulen auf Basis der Landesfinanzierung nicht mehr in der Lage, ihre Kernaufgaben in dem erforderlichen Umfang mit hinreichender Qualität auszuüben“, sagt der Magdeburger Uni-Kanzler Wadzack voraus. Sein hallescher Kollege Leber stößt ins gleiche Horn: „Nach dem Ende des Hochschulpakts droht der Universität ein großes Minus, wenn es keinen Ersatz gibt.“  (mz)