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Gabriele Erdmann Gabriele Erdmann: Am Abend eine Scheibe Brot

30.12.2010, 21:49

Halle (Saale)/MZ. - Frau Erdmann, pappt eigentlich auch einer Spitzenköchin mal die Milch am Topfboden fest?

Erdmann: Eigentlich nicht. Man darf halt nicht vom Herd weggehen. Und ein bisschen Zucker in der Milch hilft auch. Außerdem spielt sicher auch die Qualität des Topfes eine Rolle.

Es liegt also am Topf! Aber ernsthaft: Ist Ihre Speisekarte für 2011 schon fertig?

Erdmann: Nein. Die wird es auch nicht geben. Wir probieren immer etwas Neues und lassen uns vor allem von der jeweiligen Saison inspirieren. Wir kochen, wie wir sind: bodenständig: Wir verarbeiten in erster Linie Zutaten aus der Region. Trüffel etwa bieten wir nur auf Wunsch an. Das hat auch den Grund, dass sich die Gäste unsere Karte ja auch leisten können. Wir sind nun mal nicht in Baden-Württemberg, wo es doch eine größere Zahl Vermögender gibt.

Sie bieten stattdessen in einer wirtschaftlich schwachen Gegend ohne Großstadt Spitzengastronomie an. Wieso?

Erdmann: Das ist eine Frage des eigenen Anspruchs und der Tradition. Wir haben unser Restaurant Vogelherd, das die Familie meines Mannes inzwischen in fünfter Generation betreibt, nach rund 20 Jahren Schließung 1987 wieder eröffnet. Schon damals übrigens als Nichtrauchergaststätte. Von Anfang an haben wir uns um einen gewissen Standard bemüht - aus Liebe zur Gastronomie. Mein Mann ist gelernter Schlosser und ich Bankkauffrau mit einem Ökonomie-Studium in Weimar. Aber in einer Bank zu arbeiten - das war mir zu langweilig. In der Abendschule haben wir uns beide zu Restaurantfachleuten qualifiziert. Ich habe schon immer gerne gekocht. Meine Mutter war Köchin.

Die Kritik lobt ihre Küche als "Beschränkung auf das Wesentliche, ohne simpel zu werden".

Erdmann: Was soll ich dazu sagen? Bei uns gibt es eben auch Eintöpfe. Denn für uns ist eine stark regionale Küche wichtig. Abgesehen natürlich vom Seefisch, der bei uns aber auch sehr gerne bestellt wird. Wir wollen jeden Tag gute Qualität liefern. Über Geschmack kann man streiten, über Qualität nicht. Ich hoffe, dass auch 2011 die Gäste das erkennen und schätzen.

Woher kommen Ihre Gäste?

Erdmann: Eher aus Magdeburg, Dessau oder Wittenberg. Zerbster gehen gerne zu Familienfeiern bei uns essen. Wer einmal da war, kommt meist gerne wieder.

Silvester ist das Restaurant mal geschlossen. Was gibt es bei Ihnen an diesem Tag zu essen?

Erdmann: Karpfen blau, ganz klassisch im Gewürzsud, dazu Butterkartoffeln und Apfel-Meerrettich, frisch gerieben. Zum Dessert: Gratinierte Topfenpalatschinken mit Zitrusfrüchtesalat.

Seit drei Jahren verteidigen Sie die 15 Punkte. Wollen sie 2011 mehr?

Erdmann: Nein. Alles ist schon jetzt sehr aufwendig. Denn wir sind ein kleines Familienunternehmen: vier Leute und drei Lehrlinge. Mein Mann Roland arbeitet im Service. Auch mein Sohn Michael kocht mit. Wir alle können schon dabei nicht auf die Uhr gucken. Bei 16 Punkten müssten wir zudem Preise nehmen und Essen anbieten, die sich hier nur wenige Leute leisten können.

Und - letzte Frage - was essen Sie, wenn abends der Hunger kommt?

Erdmann: Einfach eine Scheibe Brot. Ich stehe schon den ganzen Tag in der Küche und koste.