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Forstwirtschaft Forstwirtschaft: Aus Sachsen-Anhalts Wäldern wird immer mehr Holz gestohlen

Von Katrin Löwe 15.04.2007, 17:46

Gräfenhainichen/MZ. - Die Räder des Geländewagens wirbeln Staub auf im trockenen Wald. Rasend schnell trotz unebener Wege legen Polizeikommissar Dirk Flügge und sein Kollege Ingolf Wolter die Strecke zurück. Links, rechts, links - die Anweisungen kommen von "Ikarus", dem Polizeihubschrauber, der am Samstag auf der Suche nach Holzdieben über der Dübener Heide im Kreis Wittenberg fliegt.

Mitten im Wald stoßen die Beamten am Boden auf einen Minitraktor samt Anhänger und ein Pferdefuhrwerk - beladen mit Holzstämmen. Legal, wie sich schnell herausstellt. Gerald Scholz aus Reinharz kann Papiere vorweisen, die ihm die Abfuhr der Stämme gestatten. Seit Jahren heizt der Mann, selbst beim Forst beschäftigt, zu Hause mit Holz. Und liegt damit im Trend. Nach einer Studie der Universität Hamburg stieg der Brennholzbedarf für Privathaushalte in Deutschland 2005 auf 20,7 Millionen Kubikmeter - fast das Doppelte vom Jahr 2000. Hohe Rohölpreise machen den Brennstoff aus dem Wald zunehmend interessanter. Dies und die inzwischen ebenfalls steigenden Holzpreise - im Harz wurden sie im vergangenen Jahr teils verdoppelt - bereiten Forst und Industrie auch Sorgen: Es wird immer mehr gestohlen im Wald.

Allein die Dessauer Polizeidirektion hat bis März fast ebenso viele Diebstahlsanzeigen registriert wie im kompletten Jahr 2006. Und schon da hatte der Forst ein Problem: "Aus dem Landeswald wurden 2006 rund 2 000 Kubikmeter Holz gestohlen", sagt Landesforstbetriebs-Leiter Eberhard Reckleben. Teilweise verschwinden ganze Lastwagen-Ladungen. Das Gros wird aber für den heimischen Kamin entwendet. Im Forstbetrieb Anhalt beklagt Chef Wilhelm Uschmann ein völlig fehlendes Unrechts-Bewusstsein. Insbesondere nach Sturmtief Kyrill hört er von Dieben Ausreden wie "das liegt doch hier sowieso bloß rum". Der Forst reagiert strikt: "Wer erwischt wird, den zeigen wir an. Sonst werden wir der Sache nicht mehr Herr. Holzdiebstahl ist kein Kavaliersdelikt", sagt Reckleben. Zumal das Problem nicht nur die Wälder im Raum Anhalt trifft. Im Oberharz hat sich die Zahl der Fälle schon im vergangenen Jahr verdoppelt.

Auch private Besitzer, denen rund 60 Prozent der Waldfläche im Land gehören, klagen zunehmend. Vor wenigen Tagen hat sich der Waldbesitzerverband an das Innenministerium gewandt. "Das Problem wird eher verharmlost", meint Verbandgeschäftsführer Raban Schmid-Mölholm. "Dass die Polizei beim Thema Holzdiebstahl nicht untätig ist, zeigt die Tatsache, dass wir in der Dübener Heide sogar einen Hubschrauber im Einsatz hatten", entgegnet Ministeriumssprecher Klaus-Peter Knobloch.

In den vergangenen Wochen sind die Kontrollen insgesamt verstärkt worden. Das betrachtet auch die Industrie mit Wohlwollen. "Uns wurden in den vergangenen ein, zwei Jahren bis zu 5 000 Kubikmeter jährlich gestohlen", sagt Jürgen Schreiner, Einkaufsleiter des Holzverarbeiters Varioboard in Magdeburg. Holz, das bezahlt war, aber vor der Abholung verschwand. Der Schaden lag allein für Varioboard bei 150 000 bis 200 000 Euro jährlich. "Für kleinere Sägewerke können schon geringere Mengen existenzbedrohend sein", so Schreiner.

Mit strikter Buchführung über vorhandenes Holz und einer intensiven Zusammenarbeit mit der Polizei will auch der Landesforst gegen den Diebstahl ankämpfen. Für ausreichend eigene Kontrollen mangele es aber an Personal. Technik wie ein derzeit vom Fraunhofer-Institut getesteter Chip, der am Holz angebracht wird, erlaube nur die Zuordnung zum Besitzer, nicht aber die Fahndung nach verschwundenen Ladungen, so Reckleben.

In der Dübener Heide bleiben Flügge und Wolter von der Umweltgruppe der Dessauer Polizei am Samstag erfolglos. Alle Überprüften können nachweisen, dass sie legal Holz transportieren. Polizeisprecher Volker Sobczyk will potentielle Diebe aber nicht in Sicherheit wiegen: "Derartige Kontrollen werden fortgesetzt."