Floristikschau in Leipzig Floristikschau in Leipzig: Bezaubert vom Candy-Land

Leipzig/MZ - Warm ist die Luft, die Sonne strahlt vom Himmel, wild wuchert es im Oktober noch auf dem weitläufigen Gelände der Gärtnerei am Rande von Leipzig. Weihnachten? Noch ganz, ganz fern. Nicht für Veit Petzold, der hier mit seiner Partnerin Cornelia Engler das Zepter schwingt. Er öffnet die Tür zum Erdgewächshaus und da ist sie: die betörend nach Schokolade duftende Weihnachtswelt. Gemahlene Kakaoschalen, dick auf den Fußboden gestreut, sorgen für das Geruchserlebnis der anderen Art. Kränze, Gestecke, vergoldete Wände, Zapfengirlanden - hier steht schon parat, was drei Wochen später Teil einer spektakulären Ausstellung sein wird. Weihnachten ist ganz nah.
Für Veit Petzold eigentlich das ganze Jahr über. Denn was inzwischen seit einer Woche auf dem 2,5 Hektar großen Gelände in Leipzig-Miltitz schimmert, prunkt und glitzert, das hat vor seinem inneren Auge schon vor Monaten Gestalt angenommen. Der Florist ist der kreative Kopf hinter „Bezaubert“, so der Titel der nunmehr 13. Adventsausstellung des Familienunternehmens. Aber was besagt schon ein solch nüchternes Wort wie Adventsausstellung? Es verrät rein gar nichts über diese Opulenz, diesen wunderbaren morbiden Charme eines vom Zahn der Zeit gezeichneten und doch so festlich geschmückten Geländes und die reich ausgestatteten Räume in Gewölben, Erdkellern und alten Foliengewächshäusern.
Weihnachten ist ganz nah
Was einst klein begann, hat sich auf die gesamte Fläche ausgebreitet und umfasst mehr als 3 500 „Werkstücke“ wie Gestecke und ähnliches im Floristendeutsch heißen. Wo einst 800 Besucher in drei Wochen sich erfreuten, tun es nun ebenso viele an einem einzigen Tag. Sie treten ein in ein Fliederdom genanntes Holzgebilde. Veit Petzold hat es selbst zusammengefügt, es ist behängt mit hunderten glitzernden Glaskugeln, gefüllt mit blauer Flüssigkeit und weißen Alpenveilchenblüten - ein wundervoller Sternenhimmel.
Erst mit Mitte 20 hat sich der Leipziger für den Floristenberuf entschieden, „weil ich endlich etwas Bodenständiges machen wollte“, wie er sagt. Vorher hat er „allerhand witzige Dinge“ ausprobiert, dann aber richtig losgelegt: Wofür andere Jahre brauchen, das hat er in Monaten erreicht. Sich binnen eines Jahres zum Meister qualifiziert, auf Anregung und mit Hilfe seines Mentors und Lehrers von der Meisterschule Straubing die erste Ausstellung auf die Beine gestellt – in einem einzigen Raum und mit 200 Gestecken. Dass er sich Blumen, Pflanzen, Naturmaterial und der Gestaltung schöner Dinge mit Haut und Haaren verschrieben hat – und dabei offensichtlich über jede Menge Talent verfügt –, das ist ein wahres Glück für alle, die beim Anblick gestalteter Naturkunstwerke Freude empfinden. „Wie Farben wirken, wie Formen angeordnet werden können, wie Licht Spannung und Aufmerksamkeit erregt und wie das alles zusammen Emotionen erzeugen kann, das fasziniert mich“, sagt der heute 38-Jährige. Was er bescheiden verschweigt: Natürlich kann man diese Dinge lernen, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Das besondere Etwas, das ihn ausmacht, das muss jeder Blumenkünstler schon selbst mitbringen, will er ausbrechen aus dem Gewöhnlichen und vor allem immer wieder neue Ideen haben.
"Ideen habe ich noch für zehn Jahre"
Wie er zu seinen Einfällen kommt, dafür hat Veit Petzold eine ganz besondere Methode. Schon Ende Januar zieht sich der zweifache Vater jedes Jahr für zwei, drei Tage völlig zurück, verschwindet mit Zetteln, Stift und Notizbuch, um mit dem fertigen Konzept für die nächste Ausstellung wiederzukehren. „Ideen habe ich noch für zehn Jahre“, kommentiert er. Festgelegt hat er so zu Beginn des Jahres schon den Titel der nächsten Schau, die Themen, die Farben, die meisten Materialien.
Das ist auch dringend notwendig, denn nur wenig später macht er sich mit seiner Partnerin Cornelia auf den Weg zur größten Messe für entsprechendes Zubehör nach Frankfurt/Main. „Die meisten Einzelheiten besprechen wir erst auf der Zugfahrt“, sagt die Frau, die für die Zahlen im Unternehmen zuständig ist. Sie weiß genau: Was ist noch da, was brauchen wir unbedingt, worauf ist zu achten. Und das bei immerhin über tausend Dekorteilen, 5 000 bis 6 000 Kerzen, die schon teilweise im August in Leipzig anlanden. „Es ist für mich frappierend“, erzählt sie, „dass wir die Dinge, die wir wollen, oft suchen müssen. Im Jahr darauf gibt es sie dann im Überfluss - mein Mann ist mit seinen Einfällen also immer dem Trend einen Tick voraus.“ Wie das ist, mit einem so kreativen Mann? Da lacht Cornelia Engler und kann Druck und Hektik des Alltagsgeschäfts kurz vergessen: „Es ist das Beste, was mir passieren konnte,“ sagt sie, „dass es so passt bei uns. Er denkt sich was aus, ich sorge für die Dinge zur Umsetzung.“
Die ist zur Eröffnung bis ins Detail gelungen. Veit Petzold kennt die Branche genau. Er gibt Material, Farben und Thema vor, lädt dann kreative Geister ein, denen er zutraut, daraus in freier Arbeit Spektakuläres zu schaffen. Viele selbstständige Floristenmeister zeigen zu Messen, Events oder eben Ausstellungen, was sie können. Und so tummeln sich in Miltitz die Besten ihres Fachs, auch aus Österreich, der Schweiz oder Italien.
Ein Traum ging in diesem Jahr für den gebürtigen Hallenser Stephan Winzer in Erfüllung. Oft war der Meister hier „nur“ Besucher, jetzt trägt der Raum „Oase“ seine Handschrift und erstrahlt in Orange, Braun und Gelb, ergänzt mit Organza, glänzenden Bändern, goldenem Dekor.
Nichts überlässt der Perfektionist dem Zufall
Nichts überlässt der Perfektionist Petzold, der übrigens in der Steiermark die Traukirche für DJ Ötzi 2003 mit Blumen schmückte, dem Zufall. Zig Rundgänge über das Gelände lassen ihn vor der Eröffnung auch das letzte unstimmige Detail verbessern. Auch während der Ausstellungszeit behält er diese Runden bei. Dann lauscht er den Besuchern ab, was besonders gefällt, entwickelt daraus umgehend neue Ideen. „Für mich ist es interessanter eine Ausstellung zu planen als sie dann zu sehen“, sagt er. Seine Partnerin träumt davon, eines Tages nicht nur zwei-, dreimal im Jahr solche Events zu organisieren, sondern nichts Anderes. Welch fantastische Aussichten!
Blumenland Engler, Geschwister-Scholl-Straße 45, Leipzig-Miltitz, Ausstellung „Bezaubert“ bis zum 1. Dezember, täglich 10 bis 20 Uhr, Eintritt 5 Euro (wird verrechnet)
Mehr Informationen auch unter: www.blumenland-engler.de