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Feuerwehren Feuerwehren: Brandbekämpfer haben viele Aufgaben

Von Katrin Löwe 12.08.2012, 17:33

Schwemsal/MZ. - Der Geruch des Neuen ist im Haus noch nicht ganz verflogen. Kein Wunder, sagen die Männer im roten Feuerwehr-Shirt: "Wir sind im Mai 2011 erst eingezogen." Bis dahin hatten sie in Schwemsal (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) die Ärmel hochgekrempelt, sich auf dem Gelände eines ehemaligen Betonwerks ein neues Domizil im einstigen Verwaltungsgebäude eingerichtet - weitgehend in Eigenleistung. "1 500 Stunden waren das - Minimum", sagt Wehrleiter Ronald Rasenberger. Mit dem Umbau haben sie zudem zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Ihre Platznot ist Geschichte. Und im Dorf verschwand ein Schandfleck.

Schwemsal, das ist ein 600-Seelen-Ort in der Dübener Heide, das sind viel Wald und idyllische Teiche, das sind ein paar Handwerker und Mittelständler, ein Agrarbetrieb, Gasthof, Reiterhof, Kita und die Gutsscheune mit Café und Konzertsaal. Das sind Keglerverein, Hundesportler und Reiter oder der Seniorenclub.

Und nicht zuletzt die Feuerwehr. 20 aktive Einsatzkräfte hat sie, dazu 18 in der Ehrenabteilung. Allzu häufig sind Alarmierungen für die Brandbekämpfer nicht. Im Schnitt fünf pro Jahr, sagen sie, in diesem Jahr gab es erst einen Ödlandbrand. Nach 16 Uhr ist das alles kein Problem. Nur tagsüber, da sieht es in der Woche schlecht aus. Maximal drei Mann könnten da ausrücken, sagt Rasenberger. Bis auf einen arbeiten alle Kameraden auswärts - im Ernstfall müssten Nachbarwehren mit alarmiert werden. "Dass wir gar nicht ausgerückt sind, kam aber noch nie vor", sagt Feuerwehrmann Markus Heinz (30).

Ersatz für Dorffest

Nichts tun ist ohnehin nicht so ihr Ding bei der Feuerwehr - bei den Männern und Frauen, die in Schwemsal wie andernorts längst mehr sind als die schnelle Eingreiftruppe. "Ohne Feuerwehr würde das Dorfleben einschlafen", sagt Heinz. Nachdem es das Dorffest nicht mehr gab, war sie es, die vor zehn Jahren ein Fußball-Gaudi-Spiel zum 1. Mai auf die Beine stellte. Da treten dann Mannschaften wie Simbabwe an - Schwemsaler mit kiloweise Theaterschminke am Körper. Oder Schottland, in Röcken, versteht sich. Längst hat sich das Spektakel zum Volksfest gemausert. Kamen anfangs 60 bis 70 Besucher, sind es heute mehr als zehnmal so viele.

Der Feuerwehrball im November, abwechselnd mit einem Sportlerball, geht auf das Konto der Brandbekämpfer. Fackelumzug und Oktoberfeuer am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit ebenso. Beim Osterfeuer des Reitvereins sind sie als Absicherung dabei. Und 2007 hat sich in Schwemsal noch ein Feuerwehrverein mit heute 60 Mitgliedern gegründet, der die Brandbekämpfer unterstützt - bei der Einrichtung des neuen Gerätehauses etwa, insbesondere aber bei der Organisation der Feste, der Sponsorensuche.

Und bei der jüngsten Kommunalwahl 2009, da standen dann nicht mehr die Kegler und ein CDU-Mann zur Kandidatur, da gab es einzig die Liste des Feuerwehrvereins. Er stellt heute alle neun Ortschaftsräte, vier davon sind auch aktive Feuerwehrmitglieder.

Vergessen die Situation 1994, als Schwemsal zwangsverwaltet zu werden drohte, weil sich zunächst niemand für den Rat finden wollte. "Wir mussten nicht lange überredet werden", erinnert sich Wehrleiter Rasenberger, heute 48, an die Situation, als die Kegler sich 2009 zurückzogen. Allerdings macht sich inzwischen durchaus Frust breit: Schwemsal gehört nun zur Einheitsgemeinde Muldestausee, ihren Entscheidungsspielraum sehen die Ortschaftsräte quasi bei Null. Gut 2 200 Euro Brauchtumsmittel galt es in diesem Jahr noch an Vereine zu verteilen. Ansonsten, sagen die Männer, können sie zwar reden und beschließen, nur wirklich entscheiden tun dann andere.

Wie viele hat allerdings auch der Gemeinderat Muldestausee finanziellen Mangel zu verwalten. Selbst Feuerwehr-Lehrgänge würden auf das Nötigste zurückgefahren, sagt Rasenberger. Und am Sportplatz in Schwemsal, klagt Feuerwehrmann Jens Wildner, sei schon seit Jahren kein Cent mehr investiert worden. "Wenn sich da nicht mancher in Eigeninitiative kümmern würde..." Aufgeben ist für die Ortschaftsräte vom Feuerwehrverein dennoch nicht drin. Komplett fremd regieren lassen wollen sie sich nicht. "Und man lässt seinen Ort einfach nicht im Stich", sagt Heinz.

Sie leben gern hier draußen, im letzten Zipfel des Kreises, nur unweit von Leipzig. Das sagen selbst die Mädchen und Jungen, die sich bei der Jugendfeuerwehr tummeln. Seit 2010 gibt es sie, mit heute zwölf Mitgliedern. "Wir haben gemerkt, dass wir ein Nachwuchsproblem haben", sagt Rasenberger. Für den Moment zumindest sieht er das ausgeräumt. In den nächsten Jahren scheide nur ein aktives Mitglied aus Altersgründen aus, theoretisch rücken aber mehr aus der Jugendfeuerwehr nach.

Spaß am Mitmachen

In der Praxis heißt es oft, dass 30 Prozent der Jugendlichen auch wirklich dabei bleiben. Noch ist von Abkehr aber keine Spur. Der 16-jährige Lukas Nannt betreibt Taekwondo in Bad Düben. Fußball spielt er ab und an bei schönem Wetter mit Freunden auf dem Sportplatz - einen Verein gibt es in Schwemsal nicht. "Feuerwehr, das kannst du aber das ganze Jahr machen", sagt er. Selbst Jenny Deckert (16) und Marie Ludwig (12) sagen: Es ist nicht einfach der Mangel an Alternativen, der sie zur Feuerwehr treibt. Aus ihrer Altersgruppe sei etwa die Hälfte der Jugendlichen des Ortes in der Feuerwehr, so Deckert. Viel Freizeit verbringen sie zusammen, die Gemeinschaft zieht. Und der Spaß. "Sie wissen, dass es bei uns nicht ganz so ernst zugeht", sagt Rasenberger.

Zwei Feuerwehrmänner haben für die Jugendfeuerwehr eine Ausbildung absolviert. So sind sie am Ende nicht nur die Feuerlöscher vom Dienst, die Partymacher und die Politiker, sie sind auch die Jugendarbeiter. 2013 feiert die Feuerwehr ihr 80-jähriges Bestehen. Und in 20 Jahren? "Haben wir hoffentlich auch ein neues Fahrzeug und nicht weniger Mitglieder", sagt Rasenberger.