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Familienfreundlichkeit an der Hochschule Merseburg Familienfreundlichkeit an der Hochschule Merseburg: Mehr Zeit mit Bruno

Von Susanne Thon 23.04.2014, 15:27
Christian Auspurg, zweifacher Vater, muss nicht im Büro sein, um Infomaterial zu erstellen. Er nutzt die Möglichkeit der Telearbeit.
Christian Auspurg, zweifacher Vater, muss nicht im Büro sein, um Infomaterial zu erstellen. Er nutzt die Möglichkeit der Telearbeit. Vincent Grätsch Lizenz

Merseburg/MZ - Freitag ist alles anders, da ist der Zeitdruck nicht so groß. „Ich stehe zwar auf wie immer, kann effektiv aber schon eine Stunde eher anfangen zu arbeiten“, sagt Christian Auspurg. Freitag muss der 32-Jährige nicht zwischen seinem Wohnort Leipzig und dem Arbeitsort Merseburg pendeln - „dadurch geht sonst viel Zeit verloren“. Freitag bringt er Tochter Karla, sechs Jahre, in die Kita, schaukelt zwischendurch Baby Bruno in den Schlaf - und schafft trotzdem sein Tagwerk.

Christian Auspurg ist Projektmitarbeiter an der Hochschule Merseburg. Er gestaltet das Informationsmaterial für die Einrichtung, stellt Layouts und Grafiken her. Seine Wohnung verlässt der Leipziger freitags dafür nicht. Denn Auspurg ist einer von acht Mitarbeitern, die die Möglichkeit nutzen, zeitweise von zu Hause aus zu arbeiten. Die sogenannte Telearbeit hilft ihm, „mehr für die Familie da zu sein“, seitdem er vor einem dreiviertel Jahr zum zweiten Mal Vater geworden ist.

Ein Spagat zwischen Studium und Familie

Dabei macht er in seinem Home- Office nichts anderes als auch in seinem Büro in Merseburg. Selbst die Hochschulsoftware hat er auf seinem Computer. „Ich erledige hier meine ganz normalen Aufgaben und habe auch ganz normale Arbeitszeiten“, erklärt er. Allerdings könne er den Tag flexibler strukturieren. Per E-Mail und via Skype stehe er mit seinen Kollegen in Verbindung, wenn er nicht im Hause sei. „Ich habe sogar festgestellt, dass ich in Wochen, in denen viel los ist - das Telefon ständig klingelt und wir jede Menge Publikumsverkehr haben - mehr an den Freitagen schaffe als an den anderen Tagen“, sagt Auspurg. „Es nutzt also beiden Seiten.“ Noch bis Ende 2015 wird er das Arbeitsmodell der Telearbeit nutzen. „Das ist so vereinbart“, erklärt er.

Mit Angeboten wie diesem wolle die Einrichtung Mitarbeitern und Studenten den Spagat zwischen Beruf beziehungsweise Studium und Familie ermöglichen, sagt Ines Wahl von der Hochschule, die im März die Auditierung zur „Familiengerechten Hochschule“ abgeschlossen hat. Bis 2017 erfolgt die Phase der Re-Auditierung. Dann soll das Signet für weitere drei Jahre verliehen werden.

Das Audit „Familiengerechte Hochschule“ wird von der „berufundfamilie gGmbH“ der Hertie-Stiftung vergeben. Mit Beginn der Auditierung werden konkrete Maßnahmen erarbeitet. Drei Jahre nach Erteilung des Zertifikats erfolgt die Re-Auditierung. Im Rahmen derer wird geprüft, inwieweit die Vorhaben umgesetzt wurden. Bei Bestätigung dürfen die Einrichtungen das Qualitätssiegel führen.

Hochschule Harz: Seit mehr als zehn Jahren forciert die Hochschule den Ausbau familienfreundlicher Maßnahmen. Das Zertifikat hat sie 2013 bekommen. Säulen der Familienfreundlichkeit sind die Gleitzeitregelung, eine flexible Studienorganisation, ein Veranstaltungsprogramm und Angebote wie die Kinder-Hochschule. Zudem wurde der Semesterbeginn vorverlegt. Die vorlesungsfreien Zeiten decken sich stärker mit den Schulferien.

Hochschule Magdeburg-Stendal: Eine ganze Reihe Maßnahmen hat die Einrichtung schon umgesetzt mit dem Ziel, Lern- und Arbeitsort attraktiv zu gestalten: So haben beispielsweise Studierende mit Familienpflichten bei der Einschreibung in Lehrveranstaltungen bevorzugte Wahlmöglichkeiten. Für Beschäftigte gibt es flexible Arbeitszeitenregelungen. Eltern-Kind-Treffen zur Vernetzung finden regelmäßig statt.

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: 2009 hat die Einrichtung ihre Ziele hinsichtlich der Familienfreundlichkeit festgeschrieben. Zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle ist seit drei Jahren das Familienbüro in der Barfüßer Straße. Die Mitarbeiter unterstützen auch bei Fragen und Problemen rund um die Pflege von Angehörigen. Zur besseren Vereinbarkeit von Studium oder Beruf und Familien gibt es die „Weinberg Kids“. Das Angebot kann von 13.45 bis 20.30 Uhr stundenweise in Anspruch genommen werden. Angeboten wird eine Reihe von Eltern-Kind-Sportkursen. Neu im Angebot: Ein Zumbakurs für Kids, die Eltern machen parallel dazu Zirkeltraining.

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Als erste Hochschule in Sachsen-Anhalt erhielt die Universität das Grundzertifikat 2006 (rechts). Mit dem Campus-Kinderzimmer besteht seit 2010 ein Kinderbetreuungsservice in den Randzeiten. Außerdem gibt es auf dem Campus die ersten (Groß)Eltern-Kind-Zimmer - kindgerecht ausgestattete Arbeitsräume, die von Studenten und Mitarbeitern genutzt werden.

Hochschule Anhalt: Im März haben die Hochschulleitung und der Personalrat der Einrichtung eine Dienstvereinbarung über Heim- beziehungsweise Telearbeit geschlossen. Neben der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll das Angebot die Motivation der Beschäftigten sowie deren Arbeitseffizienz und -qualität erhöhen.

Fachhochschule Polizei: An einem Auditierungsverfahren nimmt die Einrichtung nicht teil. Per Zielvereinbarung hat sie vor mehr als einem Jahr für sich konkrete Standards definiert. So können Studium, Aus- oder Weiterbildung in Absprache flexibler gestaltet und Berufspraktika heimatnah absolviert werden. Auf dem Campus gibt es zwei Wohneinheiten für Familien.

Neben familienfreundlichen Sitzungs- und Vorlesungszeiten, besteht auch die Möglichkeit, seine Kinder auf dem Campus betreuen zu lassen - in eigens dafür eingerichteten Räumen und von einer ausgebildeten Tagesmutter, die von einer Hilfskraft unterstützt wird. „Campus-Kids ist in erster Linie als Randzeiten- oder Notfallbetreuung gedacht, wird von einigen Kindern aber auch regelmäßig genutzt“, erklärt Wahl. Nicht von Auspurgs. Der Entfernung wegen. Sonst wäre das durchaus eine Option, meint der Familienvater, der demnächst zwei „Papamonate“ einlegt. „Ich habe erst überlegt, stundenweise arbeiten zu gehen“, weil er keinen Vertreter habe. Entschied sich dann aber dagegen - und für die Elternzeit: „Die zwei Monate sind der einzige Zeitraum, von dem ich sagen kann, dass ich ihn nur für mich und mein Kind habe.“

Überlegungen, die Auspurg vor ein paar Jahren - als Karla noch klein war - nicht anstellen musste: Damals hatte er sein Studium schon fast abgeschlossen und war überwiegend zu Hause. „Aber selbst wenn das nicht so gewesen wäre, hätte es bestimmt eine Möglichkeit gegeben, alles unter einen Hut zu bringen“, glaubt er, „bisher gab es jedenfalls nicht eine Situation, in der wir gesagt haben: Arbeit und Familie - das geht gar nicht zusammen.“