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Evangelische Kirche Evangelische Kirche: Sachsen streitet über schwule Pfarrer

Von Birgit Zimmermann 29.01.2012, 12:57
Pfarrerin Ulrike Franke arbeitet als Krankenhausseelsorgerin am Leipziger Klinikum St. Georg. (FOTO: DPA)
Pfarrerin Ulrike Franke arbeitet als Krankenhausseelsorgerin am Leipziger Klinikum St. Georg. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Leipzig/dpa. - Pfarrerin Ulrike Franke blickt zuversichtlichnach vorn. Vor einer Woche hat die Leitung der evangelischen Kirchein Sachsen beschlossen, homosexuellen Pfarrern ein Leben mit ihrenPartnern im Pfarrhaus zu gestatten - wie in anderen Landeskirchenschon länger üblich. Franke führt seit vielen Jahren eine glücklicheBeziehung mit einer Frau. Momentan arbeitet sie alsKrankenhausseelsorgerin in Leipzig, «aus gutem Grund», wie sie sagt.Denn das Thema homosexuelle Pfarrer ist bislang heikel gewesen - undist es im konservativen Sachsen noch immer. Es regt sich heftigerWiderstand. Unterschriften werden gesammelt, um schwule oderlesbische Paare im Pfarrhaus doch noch zu verhindern.

Der Hort des Widerstandes ist Markersbach im Erzgebirge. Dortwurde die «Markersbacher Erklärung» aufgesetzt - ein inständigerAppell an die Kirchenleitung und die Synode, an einer Festlegung ausdem Jahr 2001 festzuhalten, dass «eine homosexuelle Beziehung nichtim Pfarrhaus gelebt» wird. Ehe und Familie sollen das Leitbild desZusammenlebens von Mann und Frau sein, Homosexualität sei Sünde. «Esist unser spezieller Auftrag, das Leitbild von Ehe und Familie zuleben, das ist uns vorgegeben von Gott», sagt der MarkersbacherPfarrer Gaston Nogrady. Keinesfalls gehe es um eine Diskriminierungvon Lesben und Schwulen.

Wie viele homosexuelle Pfarrer es in Sachsen gibt, mag die Kirchenicht beziffern. Man gehe davon aus, dass eins bis vier Prozent derBevölkerung homosexuell seien. Der Anteil werde unter den rund 700Pfarrern in Sachsen nicht anders sein, heißt es.

Franke sieht kämpferisch und ein bisschen traurig zugleich aus,wenn sie auf die «Markersbacher Erklärung» angesprochen wird. Esfänden sich in der Bibel durchaus Passagen, die Homosexualitätgeißeln - etwa im Heiligkeitsgesetz und im Römerbrief, räumt sie ein.«Wer sagt: "Homosexualität ist Sünde", hat es ziemlich eindeutig mitdiesen Stellen», sagt die 42-Jährige. «Aber es gibt viele Stellen inder Bibel, die wir heute aus ihrer Zeit heraus verstehen, die wirlange nicht mehr leben.» Wichtig sei doch eine verlässlichePartnerschaft - ob nun homo- oder heterosexuell.

Die Theologin hat sich privat schon Anfang der 90er Jahre alslesbisch geoutet. 1998 wurde sie Gemeindepfarrerin in Reichenbach imVogtland - und hielt ihre Beziehung erstmal geheim. Nach drei Jahrenhabe sie sich jedoch nicht mehr verstecken wollen, erzählt sie. «Ichwollte einfach sagen können, mit wem ich in den Urlaub fahre undwarum.» Leicht gefallen sei ihr das nicht, «und es war auch für dieKirchenvorsteher nicht leicht, damit umzugehen». Zu ihrer Freude habedie Mehrheit der Gemeinde gesagt: «Das ist nicht wichtig für uns.»

Was damals allerdings nicht ging: mit ihrer Freundin im Pfarrhauszusammenzuleben. Das verhinderte die Regelung aus dem Jahr 2001.Franke und ihre Partnerin wollten aber, wie jedes andere Paar,ausprobieren, ob sie es zusammen aushalten - und so blieb ihr nur einJobwechsel. Sie wurde Krankenhausseelsorgerin, ihre Lebensgefährtin,eine Pfarrerin aus Bayern, ließ sich beurlauben und zog nach Leipzig.Sie leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. «Es klappt»,stellt Franke fest. Mit der neuen Linie der Kirchenleitung könnte esfür sie «vielleicht doch eine Perspektive in Sachsen» auf einePfarrstelle geben. «Ich war sehr gerne Gemeindepfarrerin.»

Bevor ein homosexuelles Paar künftig in Sachsen in ein Pfarrhausziehen kann, muss es allerdings noch eine Hürde nehmen: Der jeweiligeKirchenvorstand muss zustimmen. Das sieht der Kompromiss derKirchenleitung vor. Landesbischof Jochen Bohl nennt das Prozedereeinen «weisen Beschluss». «Er nimmt eine Öffnung vor, respektiertaber auch die Bedenken.» Die gesamte Debatte um die schwulen Pfarrerwerde in Sachsen sehr emotional geführt. «Das ist eine sehrherausfordernde Situation», sagt Bohl.

Im April wird sich die Synode der evangelischen Landeskirchevoraussichtlich noch einmal mit dem Thema befassen. Bis dahin wollendie Markersbacher weiter Unterschriften gegen gleichgeschlechtlichePaare im Pfarrhaus sammeln. Doch auch wenn sie sich lautstark undvehement zu Wort melden - sie sind mit ihrem Protest wohl in derMinderheit. Der Kirchenleitungsbeschluss jedenfalls, berichtetLandeskirchensprecher Matthias Oelke, sei sehr eindeutig gewesen. Von18 Mitgliedern hätten sich 14 für die Akzeptanz von homosexuellenPaaren im Pfarrhaus ausgesprochen, nur 4 waren dagegen.