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35 Jahre friedliche Revolution Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig: Es ist vollbracht

2008 beschloss der Bundestag, dass Leipzig ein Einheitsdenkmal bekommen soll. Nach einem quälend langen Prozess wurde nun der Siegerentwurf dafür präsentiert.

Von Anja Falgowski Aktualisiert: 05.10.2024, 17:19
Der Plan steht: Das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig soll gebaut werden. Den Wettbewerb hat der Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ von Zila Architekt.innen gewonnen.
Der Plan steht: Das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig soll gebaut werden. Den Wettbewerb hat der Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ von Zila Architekt.innen gewonnen. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Halle/MZ - Auch Leipzig kann Drama. Jenes, das sich rund um das sogenannte Freiheits- und Einheitsdenkmal abspielte, hätte selbst Berlin Ehre gemacht. Nun findet es, voraussichtlich, ein glückliches Ende. Vor zwei Tagen wurde der Siegerentwurf für das Denkmal präsentiert, auf großer Bühne. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretzschmer war da, Leipzigs OB Burkhard Jung, das Sieger-Büro, Vertreter der „Stiftung Friedliche Revolution“ und der Auswahljury. Und jede Menge Presse – immerhin wird nun vermutlich das Leipziger Mahnmal vor dem in Berlin, der Einheitswippe, zustandekommen. Letzteres nämlich ist zwar schon größtenteils gebaut, sollte auch schon mehrfach eröffnet werden, die Arbeiten ruhen momentan aber wegen finanzieller Querelen.

Baustart in einem Jahr?

Dass mit dem Bau in Leipzig bereits in einem Jahr begonnen werden kann, hofft man nun inständig in der Heldenstadt. „Banner, Fahnen, Transparente“ heißt der Entwurf des Leipziger Architekturbüros Zila Architekti.innen. Etwa 50 „Transparente“ sollen in einem – ohnehin geplanten – Park auf der Westseite des Wilhelm-Leuschner-Platzes, derzeit eher eine Baustelle, aufgestellt werden. Bis zu 3,50 Meter hoch, aus dünnem, rostfreien Stahl in Handarbeit hergestellt und weiß eingefärbt – Symbol für die Transparente der friedlichen Revolution, die mit 70.000 Teilnehmern in Leipzig ihren größten Druck entfaltete. Ganz weiß sollen die aufgebauten Elemente sein – ob sie so bleiben, wird bezweifelt. Über etwaige Spontanbeschriftungen oder -bemalungen durch Bürger beziehungsweise ihre Beseitigung wolle man dann nachdenken, wenn es soweit sei, verkündete Burkhard Jung.

Der Leuschner-Platz in Leipzig - hier soll das Einheitsdenkmal entstehen.
Der Leuschner-Platz in Leipzig - hier soll das Einheitsdenkmal entstehen.
(Foto: Jan Woitas/dpa)

Damit findet zu einem Ende, was nicht anders als ein langer und qualvoller Prozess bezeichnet werden kann. Ob das Ganze nun dafür steht, was in Deutschland nicht rund läuft, oder ob der Osten nicht funktioniert oder aber irgendwie benachteiligt wird oder sich selbst schadet, sei dahingestellt. Bereits 2008 jedenfalls hatte der Bundestag nach einigen Diskussionen beschlossen, dass Berlin und auch Leipzig – soviel Anerkennung musste schon sein – ein Einheitsdenkmal bekommen sollten. 2008! Drei Jahre dauerte es, bis Leipzig dessen Gestaltung international ausschrieb. 2012 stand der Sieger des künstlerischen Wettbewerbs fest. 70.000 bunte Würfel sollten auf dem Leuschner-Platz installiert werden in Erinnerung an die Zahl der Demonstrationsteilnehmer am 9. Oktober 1989. „Lego“, maulten aber die Leipziger, die nach dem Wettbewerbsentscheid ihre Meinung abgeben durften. Sie wollten die bunten Würfel nicht und favorisierten stattdessen den Entwurf „Herbstgarten“, eine grüne Hügellandschaft.

Die Leipziger maulten

Also wurde ein neues Begutachtungsgremium eingerichtet, das wiederum ein Jahr später – 2013 – den von den Menschen bevorzugten „Herbstgarten“ auf Platz 1 setzte. Die bunten Würfel rutschten im Ranking nach unten, was den Urhebern, dem Architektenbüro M+M, gar nicht gefiel – es brachte den Fall schließlich vor das Oberlandesgericht. Dieses entschied – inzwischen schrieb man das Jahr 2014 – auf Überarbeitung der Entwürfe und eine Neubewertung. 550.000 Euro hatte die Stadt das Procedere bis dato gekostet.

Es vergingen zehn Jahre, bis vor wenigen Tagen nun verkündet wurde, was die Leipziger und alle, die es interessiert, zu erwarten haben. In der Zwischenzeit hatte die Stadt ihre Verwaltung entlastet und die „Stiftung Friedliche Revolution“ mit der Umsetzung des Planes beauftragt. Ein Bürgerrat wurde ins Leben gerufen, bestehend aus 40 Leipzigern unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Stadtteilen, die über den Standort des Denkmals – denn auch der stand wieder zur Diskussion –  mitentscheiden sollten. Daneben ging es auch im Leipziger Stadtrat hin und her, die Linke bemühte sich dreimal um einen Bürgerentscheid, scheiterte aber jedesmal. Denn dass das Volk geschlossen hinter dem Vorhaben steht, ist gar nicht so klar.

Gruppenbild mit Modell: Seine Erbauer und die Politiker sind froh, dass es nun endlich zur Sache geht.
Gruppenbild mit Modell: Seine Erbauer und die Politiker sind froh, dass es nun endlich zur Sache geht.
(Foto: Jan Woitas/dpa)

Umfragen der Leipziger Volkszeitung und der Stadt ermittelten eher eine ablehnende Haltung, eine repräsentative Umfrage der Stiftung ergab jedoch 80 Prozent Zustimmung. Eines der Argumente der Gegner war, dass die Stadt bereits über mehrere Gedenkorte für die friedliche Revolution verfüge: die Demokratieglocke auf dem Augustusplatz zum Beispiel oder die Säule an der Nikolaikirche, dem Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen. Die Leipziger Volkszeitung hingegen befand: Das Denkmal muss kommen. Immerhin habe man schon auf das „Zukunftszentrum“ zugunsten Halles verzichten müssen, und im neuen Film „Napoleon“ sei die Völkerschlacht bei Leipzig nicht einmal erwähnt worden! Zeit also, den Heldenstatus der Stadt in Erinnerung zu rufen.

32 Teilnehmer

Und so kommt es nun: Für fünf Millionen Euro wird das Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet. Eine 13köpfige, internationale Jury aus Künstlern und Architekten hatte zwei Tage lang intensiv beraten und sich dann für das Leipziger Büro entschieden. 32 Teilnehmer aus sechs Ländern waren insgesamt am Wettbewerb beteiligt. Der lief anonym; umso größer sei seine Freude gewesen, so der Oberbürgermeister, dass ein ansässiges Büro das Rennen gemacht habe. Dessen Modell sowie alle anderen Entwürfe können ab 9. Oktober im Paulinum besichtigt werden. Der Leipziger Stadtrat muss dann noch seine Zustimmung geben. Und vielleicht auch die Bürger – die Linke strebt ein weiteres Mal eine Befragung an.