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Ein Tag als Zootierpfleger Ein Tag als Zootierpfleger: Kuscheln im Job ist verboten

Von Katrin Löwe 12.08.2013, 05:51
Löwenmännchen Bono hat sein Futter - das Huhn natürlich - sofort erspäht. Von Reporterin Katrin Löwe trennt ihn nur die Scheibe.
Löwenmännchen Bono hat sein Futter - das Huhn natürlich - sofort erspäht. Von Reporterin Katrin Löwe trennt ihn nur die Scheibe. Günter Bauer Lizenz

Halle/MZ - Wie hoch ist die Chance, dass ein passabler Fußballer einen halben Meter vor dem leeren Tor noch den Treffer versemmelt? Nun, genau so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, mit meinem Namen woanders als im Raubtierrevier eingeteilt zu werden, wenn ich mich als Helfer im Zoo verdinge. Aber hey: Raubtiere, wie faszinierend!

Gut gelaunt starte ich morgens um 7 Uhr meine Schicht im halleschen Bergzoo. Und werde im Revier von Volker Jacob mit einer für mich freudigen Botschaft begrüßt. Zum Scheibenputzen - bei den Raubkatzen gibt es verdammt viele Scheiben! - ist schon Praktikantin Marica (16) verdonnert. Dass mir aber auch kein Zuckerschlecken bevorsteht, werde ich bald merken. Anja Eschke, Zootierpflegerin und meine Chefin für einen Tag, wird mit mir zum „Tiger scheuern“ eingeteilt. Hab’ ich etwa komisch geguckt? „Die Tigeranlage natürlich“, heißt es fix.

Ich lege also los, mit Wassereimer und Schrubber bewaffnet im 108 Quadratmeter großen Innengehege von Tigerkater Sompon, der sicher abgetrennt draußen im Schatten liegt. Typischen Raubkatzengeruch nehme ich übrigens nur kurz in der Schleuse wahr. Dafür sehne ich mich schnell nach den knapp über 20 Grad, die draußen herrschen. Hier drin steht die warme Luft - nur der Schweiß fließt. Irgendwann ruft mir Anja Eschke zu, dass ich ruhig Pausen machen kann. Mich schon in der ersten Stunde als Weichei outen? Nicht doch. Weiterschrubben ist angesagt, den Boden mit Sompons Tapsenspuren, die Wände, an denen er markiert hat. „Bin ich zu langsam?“, frage ich. Die 27-Jährige, seit elf Jahren dabei, ist gnädig: „Geht schon.“ Bloß gut, dass wir den kleineren Part der Raubkatzengehege erwischt haben und am Tag zuvor Fasten angesagt war. So bleiben mir getrocknete Blutspuren von frischem Fleisch und Federn von toten Hühnern erspart.

Das anschließende Programm ist straff - putzen, füttern, Näpfe waschen. Erstaunlich viele Tiere sind zudem hinter den Kulissen zu versorgen. Heimchen, Grillen und Schaben etwa, die neben den wöchentlich gelieferten im Keller herangezogen werden, um einmal Futter zu sein für die Reptilien im Raubtierhaus. An der Stelle fragt Eschke zum ersten Mal: „Ist das okay für dich?“ Nun, wenigstens muss ich die Krabbler nicht essen, sondern ihnen in ihren Boxen nur Apfel kredenzen. Und dann Dornschwanzagame Willi einen Mehlwurm vor die Nase halten. Den der, im Keller im Asyl, weil er oben gemobbt wurde, allerdings stoisch ignoriert. Dabei ist es ein guter heller Wurm - leichter verdaulich, wie ich gerade erst gelernt habe.

Mehr als 120 Tiere

Ich lerne jede Menge an diesem Tag. Auch, dass ein Zootierpfleger gut zu Fuß sein sollte. Zum Raubtierrevier gehören ja noch das Krokodilhaus, die Seebärenanlage, selbst Meerschweinchen, Degus und Baumstachler in anderen Gehegen, obwohl die keine Raubtiere sind. Über 120 Tiere sind es, die mir Eschke detailliert runterrattert. Zu versorgen von sechs Pflegern, von denen meist drei im Dienst sind und dementsprechend oft hin und her flitzen.

Zeit zum Kuscheln bleibt da nicht - wobei sich das in diesem Revier ohnehin zumeist von selbst verbietet. Wenn Pflegerin Bärbel Steffen gefragt wird, ob ihr Job bei Löwen und Tigern gefährlich ist, winkt sie ab. „Du darfst nur keinen Fehler machen.“ Selbst Krokodile hält sie für berechenbar: die gehen immer auf Angriff. Die intelligenten Robben, sagt sie aber, so süß mit ihren großen Augen, „sind nicht ohne“. Und beißen durchaus - eine Erfahrung, die auch in Halle schon gemacht wurde.

Anja Eschke indes nennt die Seebären „meine Schätzchen“, liebt das Training mit ihnen - notwendig, weil sie keine Narkosen vertragen und trotzdem behandelbar sein müssen. „Ich merke schon, wenn da einer Grütze im Kopf hat“, sagt sie. Vier gibt es im Moment: Molly (8), Diego (6), der immer Handstand macht, wenn er im Training nicht weiter weiß, und die Dortmunder Neulinge Pontos (2) und Marino (3) - beide im besten Rüpelalter. Sicherheitshalber bleibt es für mich bei einem Einzeldate mit Molly. Der beäugt mich zwar kritisch - ein dezenter Schritt hinter meine Aufpasserin kann jetzt wirklich nicht schaden -, fängt am Ende aber brav die Frisbee-Scheibe, die ich ihm zuwerfe.

Ganz schön stachelig

Zurück im Raubkatzenhaus kommt Elvis - meine erste „tragende“ Rolle. Elvis ist ein Bartagame, der gerade in der Quarantänestation ist. Und nun das zweifelhafte Vergnügen hat, auf meiner Hand zu warten, bis Anja Eschke sein Terrarium fertig geputzt hat. Er erträgt es gelassen und ich staune: ganz schön stachlig fühlt sich der kleine Kerl an. Das nächste Terrarium ist meins: Steine und Baumrinden raus, Wasser raus, putzen, Wasser wieder rein - möglichst ohne die zwei Wasseragamen zu stressen. Dann der kurze Schreck: „Wie waren nochmal die Kletterhilfen aufgebaut?“, frage ich. Dass die auch wieder rein müssen, war mir beim Ausräumen glatt entfallen.

Am frühen Nachmittag kommt dann meine Stunde: Löwenfütterung! Der Lohn für tagelange Namensvetter-Lästereien meiner echten Kollegen. Eschke drückt mir ein lauwarmes totes Huhn in die Hand. Und Löwenmännchen Bono - beeindruckend mit seiner Mähne - weiß, was die Stunde geschlagen hat. Kaum bin ich mit dem Futter in seinem Innengehege, steht er vor mir an der Scheibe, die Pranken am Glas. Was für ein Anblick!

Der Rest der Zeit vergeht wie im Flug: Baumstachler füttern, Fische für die nächste Robbenfütterung mit Vitamin-Tabletten präparieren und dabei ständig meditieren: „Du willst, aber du kannst nicht mit ins Wasser.“ Zum Abschied halte ich doch noch eine der Königspythons in der Hand - wovor ich mich am Morgen noch gedrückt habe. Hätte ich nur eher gewusst, wie angenehm und kühl die sich anfühlt! Eines hat der Job bei aller Faszination und Abwechslung nämlich sehr wohl geschafft: mich anständig ins Schwitzen zu bringen.