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Doku von Denny Schönemann Doku von Denny Schönemann: Kommt der Schlager im MDR zu kurz?

Von Steffen Könau 13.02.2015, 19:43
Denny Schönemann (links) mit Jürgen Drews
Denny Schönemann (links) mit Jürgen Drews Privat Lizenz

Trebitz - Oma hat ihm den letzten Schubs gegeben. Eigentlich war der Bernburger Schlagersänger und Hobbyfilmer Denny Schönemann völlig ausgelastet. „Wir sind dabei, die letzten Handgriffe an unserer Neuauflage des legendären Nightrider-Filmes zu machen“, sagt er. Seit einigen Jahren schon bastelt Schönemann an einem aufwendigen Nachbau des originalen K.I.T.T-Autos von David Hasselhoff und einer Fortsetzung des Kultstreifens.

Aber dann kam eben Oma. Und klagte bitter über das Radioprogramm. Nur noch englische Musik! Denny Schönemann selbst war das auch schon aufgefallen, wenn er unterwegs zu Auftritten war. Und dann kam auch noch ein befreundeter Fan mit einem Brief vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) vorbei. „Der hatte eine CD des jungen Schlagersängers Peter Pach an den Sender geschickt, mit der Bitte, doch mal was davon zu spielen.“ Die Antwort des MDR empörte den Einsender und noch mehr empörte sie Denny Schönemann: MDR-Zuhörer würden Schlager strikt ablehnen, hieß es da.

Bei einer großen Premiere im Hotel „Treff am Schloss“ in Leitzkau stellen Denny Schönemann und Kameramann Michael Werner ihre Dokumentation „Keine Schlager im Rundfunk - die Abrechnung“ am Samstag öffentlich vor. Ab 16 Uhr läuft der mit Unterstützung des Geraer Filmklubs Pforten gedrehte Streifen im „Treff am Schloss“, dazu gibt es Auftritte von Schlagersängern und Gesprächsrunden. Der Eintritt zur Veranstaltung ist kostenlos.

Das breite Publikum wollen die Macher dann aber ab Sonntag früh online erreichen: Beim Videoportal Youtube und über das soziale Netzwerk Facebook wird der Film zu sehen sein, kurze Trailer erreichten bereits tausende Zuschauer.

Später soll die Doku auch auf DVD erscheinen und bei verschiedenen Filmfestivals eingereicht werden, etwa bei den Internationalen Hofer Filmtagen und dem angesehenen Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest. Für den Sommer planen die Schlagerfans dann auch öffentliche Protestaktionen, etwa mit lautstarken musikalischen Auftritten von Stars vor MDR-Landesfunkhäusern.

Zur Facebook-Gruppe der Protestler: www.bit.ly/Schlag

Für Schönemann eine Ohrfeige. „Es kann nicht sein, dass ein Sender, dessen Auftrag die Grundversorgung ist, sich ausgerechnet in einem Bereich zurückzieht, in dem das Angebot sowieso schon dünn ist.“ Die privaten Radiosender spielten bereits seit Jahren keinen Schlager mehr, auch die Jugendwellen verweigerten Jürgen Drews, Andrea Berg und Co. „Sind wir Schlagerfans denn keine Gebührenzahler“, empört sich Schönemann, „haben wir nicht das Recht, hören zu dürfen, was uns gefällt?“

Eine Frage, auf die der 34-Jährige eine Antwort finden wollte. „Ich bin Fan dieser Musik, seit ich ein Jugendlicher war“, erzählt er, „damals wurde ich dafür auch mal belächelt, aber das hat mir überhaupt nichts ausgemacht.“ Schönemann, ein kräftiger Typ mit breitem Lächeln und rundem Kinnbart, wusste, er würde später mal selbst Schlagersänger werden. Der Schlagergott hat ihm das Haar und die Stimme des erfolgreichen Kölner Klassikers Wolfgang Petry mitgegeben, als dessen Double Schönemann bis heute auftritt. „Vor meinem ersten Auftritt habe ich gezittert und fast geheult, aber auf der Bühne, das war dann so gigantisch, ich wusste sofort, das ist es, was Du für immer machen willst.“

Zehn Jahre ist Denny Schönemann dabei, er hat kleine und in Tschechien sogar einen richtig großen Hit gehabt, er hat mit Bonnie Tyler auf einer Bühne gestanden und mehr als einmal ein auf Rock gebürstetes Publikum dazu bekommen, mit ihm zusammen abzufeiern. „Ich habe gesehen, die Leute wollen das, die finden das gut, die machen mit und die haben Spaß - und nun kommen die vom MDR und sagen, stimmt alles gar nicht.“

Welche Stars Schönemann bei seinen Recherchen zu Rate gezogen hat und was er dem MDR vorwirft, lesen Sie auf Seite 2.

Schönemann will es nicht akzeptieren. „Ich habe mir gesagt, jetzt gehst du los, suchst die harten Fakten zusammen und machst einen Film draus.“ Über seine Verbindungen in die Szene kontaktierte er Stars wie Jürgen Drews, Rosanna Rocci und Michael Holm. Er nahm Kontakt zu Ulli Schwinge, Jürgen Kerber und dem Herzbuben-Produzent Jörg Lamster auf. Er setzte sich ins Auto, fuhr nach jedem Auftritt noch bei jemandem vorbei, hockte in Backstageräumen und Stadthallen. Kamera an, Mikro auf. Und es war, als hätten die Stars wie die Sternchen nur darauf gewartet, endlich mal jemandem erzählen zu können, „dass das Thema sie alle unglaublich aufregt“.

Aufstand der Abgesagten

Es ist ein Aufstand der Abgesagten. Die Frauen und Männer des deutschen Schlagers, der in der Person von Helene Fischer erfolgreicher ist als je zuvor, fühlen sich verkannt, verachtet und ungerecht behandelt. „Junge kommen nicht hoch, weil sie keiner kennen kann, weil sie nicht gespielt werden“, fasst Schönemann zusammen. Und die älteren Künstler, die sich früher noch aussuchen konnten, welchem Sender sie ein Interview geben, haben es heute schwer, wenigstens ein bisschen öffentliche Aufmerksamkeit abzubekommen.

Die Abkehr des MDR vom Schlager wird da in der Szene als Kriegserklärung begriffen. Sendersprecher Thomas Ahrens aber verweist auf Fakten. „Die Zahl der Hörer, die Schlager mögen, sinkt seit Jahren kontinuierlich“, beschreibt er. Im vergangenen Jahr habe eine Befragung gezeigt, dass nur noch eine kleine Gruppe gern Schlager höre. „Hinzu kommt, dass der Schlager zunehmend polarisiert.“ So schalten zwar die einen ein, die anderen dafür aber ab. Anders sei das bei englischen Oldies, beschreibt Ahrens: „Die werden in allen unseren Kernzielgruppen gern gehört.“

Im Sinne eines „zukunftsfähigen Programms“ gehe MDR Sachsen-Anhalt auf diese Vorlieben der Mehrheit der Hörer ein, zugleich achte man darauf, dass deutschsprachige Musik weiter zum Programm gehöre. „Der Anteil der deutschen Hits von Ostrock-Klassikern bis zu Liedern von Maffay, Grönemeyer, Lindenberg oder Falco und Pur beträgt etwa 20 Prozent“, betont Thomas Ahrens.

Denny Schönemann, der seine Film-Doku provokant „Die Abrechnung“ genannt hat, beruhigt das nicht. Sein Schortewitzer Schlagersänger-Kollege Ulli Schwinge klagt im Film gar über einen „sehr bewusst gesteuerten Prozess, der zum Ziel hat, einer Gruppe von Künstlern endgültig das Wasser abzugraben“. Nicht nur, dass junge Musiker aus dem Schlagermetier keine Chance mehr hätten, sich einem Publikum vorzustellen. Nein, zudem flössen immer mehr Tantiemen ins Ausland, zu den Komponisten und Textern der englischsprachigen Titel. Für Leute wie Ulli Schwinge bleibt nichts mehr übrig: „Meine eigenen Tantiemen gehen inzwischen gegen null“, klagt der Sänger.

So geht es ihnen allen, die nicht Helene Fischer heißen, sondern wie Schönemann, der Dessauer Peter Pach, Linda Hesse oder Phil Stewman auf kleineren Bühnen versuchen, den großen Wurf zu landen. „Es gibt gute Popmusik, guten Rock und guten Schlager“, glaubt Denny Schönemann, „genauso wie es schlechte Popmusik, schlechten Schlager und schlechten Rock gibt.“ Allein nach gut und schlecht dürfe ausgewählt werden, was im Radio gespielt wird. „Eine pauschale Ausgrenzung eines ganzes Genres darf es nicht geben“, fordert der Filmemacher.

Dafür will der Trebitzer kämpfen, nicht nur auf der Bühne, wo er in jeder Show alles gibt, „damit die Leute kapieren, dass Schlager schon lange nichts mehr zu tun hat mit ,Über jedes Bachl geht ein Brückl’“, wie er sagt. Sondern auch mit seiner selbstfinanzierten Dokumentation. Die läuft ab Sonntag früh beim Internet-Videoportal Youtube, aber auch einige Fernsehsender haben Interesse angemeldet. Nein, nicht der MDR, schmunzelt Denny Schönemann. „Ich fürchte fast, die haben einfach nicht genug Humor, das zu zeigen.“ (mz)

Die Doku können Sie ab sofort in diesem Artikel via YouTube.de sehen.

Der Bernburger Schlagersänger und Filmemacher Denny Schönemann rechnet in einer Dokumentation mit der Diskriminierung von Schlagerfans im Rundfunk ab.
Der Bernburger Schlagersänger und Filmemacher Denny Schönemann rechnet in einer Dokumentation mit der Diskriminierung von Schlagerfans im Rundfunk ab.
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