Deutscher Wetterdienst bei Leipzig Deutscher Wetterdienst bei Leipzig: Wie Unwetterwarnungen entstehen

Holzhausen - Sommer, Sonne, blauer Himmel - und der grasgrüne Wetterfrosch grinst breit dazu. Das Maskottchen der Regionalstelle des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Holzhausen bei Leipzig scheint zu ahnen: Wie das Wetter in Mitteldeutschland ausfällt, entscheidet sich oft gar nicht hier, wo 65 Mitarbeiter rund um die Uhr die vielfältigen Auswirkungen registrieren, bewerten und die Region darüber informieren.
Das Spiel der Himmelsmächte läuft anderswo. Gerade erstrecken sich die Wetterfronten von Ost nach West quer durch Europa und darüber hinaus. Über Frankreich herrscht Tiefdruckgebiet „Detlef“. Sein Gegenspieler, das Hoch „Gwendolin“, hält Nordosteuropa im Griff. Und dazwischen findet heiße Luft vom Mittelmeer ihren Weg nach Sachsen-Anhalt und treibt die Temperaturen nach oben. Doch was bedeuten eigentlich diese feinen Linien da auf dem Chef-Bildschirm in der Wetterwarte?
Für Meteorologin Anja Juckeland vom DWD in Holzhausen signalisieren die für Laien unauffälligen Zeichen eine Verschiebung der Strömungsverhältnisse zwischen Elbe und Saale. Und wenn die Ausdehnung dieser Erscheinung auch vermutlich nur einen Korridor von 50 Kilometern betrifft, können die Folgen groß sein. „Hier nimmt möglicherweise die Tendenz zu lokalen Gewittern stark zu.“
Vorhersage von Gewittern ist schwierig
Die Vorhersage von Gewittern eröffnet ein besonders schwieriges Feld für Wetterkundler - trotz Datenflut, Computertechnik und Rechenmodellen. Der Grund: Vor allem das Tempo der Gewitter-Entwicklung sei nur schwer erfassbar, sagt Juckeland. Die Folge: Von jetzt auf gleich kann es auf einem vergleichsweise engem Raum zu krassen Wetter-Unterschieden kommen. Während sich die Hallenser vielleicht noch in den Freibädern tummeln, bricht womöglich gerade über Dessau-Roßlau mit lautem Donner eine rasch aufgetürmte Wolkenwand.
Anja Juckeland verständigt sich deshalb mit ihren Kollegen Henry Geyer und Torsten Lehne, die das Problem in den nächsten Stunden im Blick halten werden. Ein spezielles Ortungssystem für Blitze aus bundesweit 17 Radarstationen hilft ihnen dabei. Wichtig sind auch Daten zur Luftfeuchtigkeit, die eine sich ausbreitende Schwüle auch aus der Ferne erkennbar machen. Der Anspruch der Vorhersage jedenfalls meint Geyer, sei von Jahr zu Jahr gestiegen: Mittlerweile werden ihm zufolge 90 Prozent der Gewitter so frühzeitig erkannt, dass eine kurzfristige Warnung der Kommunen oft noch erfolgen kann.
Stündliche Aktualisierungen notwendig
Temperaturen, Druckverhältnisse, Windstärken, Niederschläge, UV-Strahlung - vieles fließt in die Wettervorhersagen ein, die ganz regulär auch in Leipzig mindestens stündlich aktualisiert werden müssen. Ob jemand heute mit oder ohne Schirm unterwegs ist, gehört nicht einmal zu den vordringlichsten Anliegen.
Höchste Priorität haben, so Anja Juckeland, stets die Warnungen vor Unwettern - ein gesetzlich geregelter Kundendienst, auf den neben Katastrophenschutz und Feuerwehr noch viele andere Kunden angewiesen sind. Dazu gehören auch Landwirte, die wissen wollen, wann die Erntemaschinen ausrücken sollen. Oder Konzertveranstalter, die aus Sicherheitsgründen notfalls auch eine lange geplante Show abblasen müssten.
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Dabei meint es Petrus meistens ziemlich gut mit dem südlichen Sachsen-Anhalt. Wetter-Extreme wie Orkane auf den Nordsee-Inseln oder Dauerschneefall auf dem Brocken - beide Wetterwarten gehören zu den beruflichen Stationen von Anja Juckeland - sind rund um Halle glücklicherweise selten. Und dennoch gibt die seit Wochen anhaltende Hitzeperiode der 42-Jährigen ernsthaften Anlass zur Sorge. Der Grund: Die Belastungen sind, sagt die Leipzigerin, auch im Jahresvergleich ungewöhnlich hoch - von der Luftverschmutzung infolge Windstille bis zu teils unverträglich tropischen Nachttemperaturen. Und Entwarnung ist laut Juckeland vorerst nicht in Sicht.
„Für einen Jahrhundert-Sommer reicht es 2015 wohl nicht.“ Ähnlichkeiten gibt es allerdings in jeder Hinsicht mit dem Hitze-Jahr 1992, oder zuletzt mit 2003. Aus jenen Tagen stammt auch der Allzeit-Wärmerekord für Deutschland, gemessen kürzlich im fränkischen Kitzingen mit 40,3 Grad Celsius.
Sachsen-Anhalt ist an diesem Wert Ende der Woche nur ganz knapp vorbei geschrammt. Mancher Hitzegeplagte will das nicht glauben und ruft deshalb direkt beim Wetterdienst an. Juckeland: „Es zählt aber nicht der Maximalwert von vielleicht 55 Grad am heimatlichen Küchenfenster.“ Diese Angabe besage nicht viel. Um belastbare Daten zu erhalten, erklärt Juckeland, erfassen frei stehende Stationen weltweit die Temperaturen nämlich immer in einer Höhe zwei Meter über dem Erdboden.
Mehr als 11.000 Stationen
Allein in Mitteldeutschland betreibt der DWD 65 Messstellen, 22 davon in Sachsen-Anhalt. Fast alle arbeiten maschinell. Freilich ist das alles nur ein winziger Teil eines weltumspannenden Netzes aus mehr als 11.000 Stationen, die ihre Angaben austauschen und in das zu Jahresbeginn neu installierte DWD-Rechnerwerk mit 40.000 Prozessoren in Offenbach (Hessen) einspeisen. Doch selbst hochkomplexe Modelle, räumt Anja Juckeland ein, können letztlich chaotisch strukturierte Abläufe in der Atmosphäre nie bis ins Kleinste auflösen. Rätsel bleiben. Bestes Beispiel: Die drohenden Gewitter bei Halle haben sich aufgelöst - ins Nichts. Der Wetterfrosch, der den Bildschirm von Anja Juckeland schmückt, lacht - wieder einmal. (mz)
