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DDR-Schlagersängerin DDR-Schlagersängerin: Veronika Fischer über ihr Leben in Ost und West

Von Steffen Könau 22.06.2013, 21:06
Veronika Fischer steht seit mehr als 40 Jahren auf der Bühne.
Veronika Fischer steht seit mehr als 40 Jahren auf der Bühne. Agentur Lizenz

Es war das Jahr, als mit Österreich ein erstes Land des Westens die DDR anerkannte und die Freie Deutsche Jugend ein eigenes Reisebüro eröffnete. Frank Beyer bringt in jenem Jahr 1975 „Jakob der Lügner“ ins Kino, die KSZE-Schlussakte wird unterzeichnet und die Band Renft verboten.

Vor allem aber ist es ihr Jahr, das Jahr der Veronika Fischer: Das erste Album der 24-jährigen Sängerin aus dem thüringischen Örtchen Wölfis wirft gleich fünf Hits ab. Aus „In jener Nacht“, „Auf der Wiese“, „Klavier im Fluss“, „Abendlied“ und „Als ich noch ein Kind war“ klingt der Sound der Zeit. Fischer, von ihren Fans „Vroni“ genannt, ist der Star des Jahres, ein Glamourgirl der seit dem Amtsantritt von Erich Honecker kulturell liberalisierten Arbeiter- und Bauernrepublik. Von wegen Schlager. Veronika Fischer hatte zuvor bei Stern Meißen und neben dem Wahl-Hallenser Herbert Dreilich bei Pantha Rhei gesungen, der Band, aus der später Karat entstand. Als sie dann den Komponisten Franz Bartzsch traf, gelang es ihr, einen Personalstil zu entwickeln: In ihrer Biografie „Das Lügenlied vom Glück“ beschreibt Fischer ihre Anfänge, ihre Triumphe und ihre Niederlagen. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und versucht gar nicht erst, die Brüche zu übertünchen, die ihren Lebenslauf zerklüften.

14 Hits gelangen ihr in den nur fünf Jahren, die sie mit dem aus dem thüringischen Schmölln stammenden Bartzsch zusammenarbeiten konnte. Ihre „Schneeflocke“ und „In jener Nacht“ avancierten zu Klassikern, Fischer zu einer der am besten gebuchten und bezahlten Unterhaltungskünstlerinnen der DDR. Es gab keine Grenzen mehr für die Sängerin, die in Dresden studiert hatte und nun von Berlin aus zur Plattenmillionärin wurde. Allerdings nur virtuell, wie sie in ihrer mitunter von einem leicht säuerlichen Ton durchzogenen Lebensbeichte beklagt. 1,5 Millionen Schallplatten verkaufte die DDR-Monopol-Firma Amiga mit Veronika-Fischer-Musik. Statt 2,25 Millionen, die ihr nach eigener Auffassung zugestanden hätten, bekam sie nur 6.000 Mark pro Album, weil sie gesungen, aber nicht komponiert oder getextet hatte.

Für DDR-Verhältnisse, wo der Durchschnittslohn bei unter tausend Mark lag, immer noch viel Geld. Doch Veronika Fischer scheint darunter gelitten zu haben, zwar öffentlich als erfolgreichste Sängerin gefeiert zu werden, finanziell aber zum künstlerischen Mittelstand zu gehören.

Sie selbst beschreibt ihren Loslösungsprozess von der DDR als eine zwangsläufige Entwicklung. Als Franz Bartzsch, mit dem sie sich nach einer Zeit der Trennung wieder zusammengetan hatte, nach einem Auftritt im Westen bleibt, fühlt sich die Zurückgelassene gemobbt und getriezt. Schon seit 1978 beobachtet die Stasi die preisgekrönte Botschafterin der DDR-Kultur, obwohl die sich im Verlauf der Biermann-Affäre sogar geweigert hatte, sich mit dem ausgebürgerten Kollegen zu solidarisieren. Fischer, Mutter eines damals zweijährigen Sohnes, zieht die Konsequenzen und nutzt ebenfalls einen Auslandsauftritt zur Flucht.

Glücklicher aber wurde sie anfangs auch im Westen nicht. Statt verbohrter Ideologen warteten jetzt geföhnte Marketingleute. Statt des richtigen Parteibuchs wurden die richtigen Verbindungen benötigt. Veronika Fischer lief dem eigenen Ruhm nach, bis die Mauer fiel. Danach erst konnte sie zu dem Publikum zurückkehren, das sie zurückgelassen hatte. Und mit dessen Hilfe eine dritte Karriere starten.

Veronika Fischer, Das Lügenlied vom Glück, Heyne-Verlag, 19,99 Euro