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DDR-Humor DDR-Humor: Darüber lachte der Osten

Von HARALD BISKUP 06.11.2009, 16:47

Halle/MZ. - Eine Kundin fragt im Centrum-Warenhaus die Verkäuferin: "Sagen Sie mal, haben Sie keine Strumpfhosen?"

"Hier haben wir keine Waschmaschinen. Keine Strumpfhosen gibt's im ersten Stock."

Dieser DDR-Witz existierte in unzähligen Varianten. Mal sind es Südfrüchte, die gerade nicht im Angebot sind, mal Jeans oder Fernseher. Dies ist der absolute Klassiker unter den Mangel-Witzen. Dabei wusste jeder in der DDR: Mängel waren bloß eine böse Erfindung des Westens, es gab allenfalls Versorgungsengpässe, und die auch nur sporadisch.

Die Strumpfhosen-Geschichte illustriert exemplarisch, was charakteristisch war für den politischen Witz in der DDR: "Eine meist absurde Grundsituation, die aber realistisch klang", sagt der (Ost-)Berliner Autor, Filmemacher und Witz-Forscher Clement de Wroblewsky. "Die Leute konnten sehr scharfsinnig analysieren, was um sie herum passierte und waren in der Lage, das unglaublich prägnant und dialektisch zu formulieren, oft vor dem Hintergrund eines absurd wirkenden Szenarios."

Kostprobe aus de Wroblewskys reichem Witzeschatz, den er schon drei Jahre vor der Wende in dem Bändchen "Wo wir sind ist vorn" gehoben hat: "Honecker sitzt am Seeufer und angelt. Derweil räsoniert er, wie er das Volk begeistern könnte. Da erscheint plötzlich Jesus in einer Wolke. ,Honi, du musst es machen wie ich. Wandle über den See, und die Massen werden dir zujubeln.' Honecker lässt sich nicht lange bitten - und macht prompt eine Bauchlandung ins Wasser. Sagt ein Angler auf der anderen Seeseite zu seinem Kumpel: ,Nicht mal schwimmen kann er.'"

"Witze-Erzählen", sagt de Wroblewsky, "hatte sich zu einer echten Volkskunst entwickelt." Die DDR-Bürger seien in dieser Hinsicht ungemein schöpferisch gewesen, weil sie die "Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit" Tag für Tag schmerzlich hätten erfahren müssen.

Beim Witze-Erfinden und -Weiterzählen habe es einen Code gegeben, der sich westlichen Ohren nicht immer gleich erschlossen habe, weil er für Ost-sozialisierte "Endverbraucher" bestimmt war. "Man ging davon aus, der andere kommt aus derselben Erlebnissphäre und setzt vielleicht noch eines drauf."

So musste man niemandem zwischen Kap Arkona und Fichtelberg eine Erklärung mitliefern, dass sich ein Witz über Honeckers Erkenntnisse bei einer Reise zu asiatischen Brudervölkern auf das Berlin-fixierte Wohnungsbauprogramm bezog: "In Nordkorea hat er erfahren, dass Aufmärsche noch viel pompöser als in der DDR sein können. In China hat er gesehen, dass Mauern noch viel höher sein können und in der Mongolei, dass man außerhalb der Hauptstadt ganz gemütlich in Zelten wohnen kann."

Die Potenzierung der Absurdität erwuchs aus der Vorstellung, die Witze seien von einem Witze-Beauftragten im Politbüro oder im SED-Zentralkomitee erfunden und unters Volk gestreut worden, um ein Ventil für den Frust zu öffnen.

Das war freilich ebenso ein Gerücht wie die Mär vom Flüsterwitz als vorherrschender Art der Weiterverbreitung. "Das war eine Erfindung des Westens aus dem Kalten Krieg", meint de Wroblewsky. "Witze wurden in aller Regel laut und vernehmlich erzählt. Der politische Witz war Allgemeingut und Folklore zugleich." Dass jemand der eine "dicke Lippe riskiert" habe und in Schwierigkeiten geraten sei, hält er für die "absolute Ausnahme", jedenfalls in der Nach-Ulbricht-Ära, seit Anfang der 70er Jahre also.

Mit dem Mauerfall, spätestens jedoch mit der Wiedervereinigung war der politische Witz mausetot. "Es gab noch kurze Nahwehen, aber dann war er weg. Der Anlass war schlicht und einfach nicht mehr existent und die Luft war raus." Nur ein repressives System habe solche Witze hervorbringen können. Anschauungsobjekte einer in vier Jahrzehnten kultivierten Witz-Kultur ließen sich bei den großen Demonstrationen der Oktober- und Novemberrevolution 1989 in Leipzig und vielen anderen Städten besichtigen: "Die Losungen auf den Transparenten", urteilt de Wroblewsky, "waren doch geradezu eine Explosion von hochgradig witziger Intelligenz."

Ob wenigstens ein paar Witz-Kreationen die DDR 20 Jahre nach ihrem Dahinsiechen überdauern? In jüngster Zeit erschienene Anthologien lassen immerhin vermuten, dass mit gehörigem zeitlichen Abstand gesamtdeutsch gelacht werden kann.

Vielleicht über diesen: Katja Ebstein gastiert im Palast der Republik. Riesiger Erfolg. Begeistert kommt Honecker nach dem Konzert in die Garderobe. "Sie sind wunderbar. Sie haben unseren Menschen viel Schönes gegeben, dafür haben Sie einen Wunsch frei." - "Da wüsste ich was, reißen Sie die Mauer nieder." Honecker stutzt einen Moment und antwortet dann geschmeichelt: "Ich verstehe, Sie wollen mit mir allein sein."