"Das ist ein Nazi" "Das ist ein Nazi": Björn Höcke provoziert mit Äußerungen zum Holocaust

Dresden/Magdeburg - Natürlich. Am Tag danach hatten ihn alle mal wieder völlig falsch verstanden. „Böswillig, bewusst verleumdend interpretiert“ habe man ihn, jammerte Björn Höcke, 44, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag und ein Meister unmissverständlicher Missverständlichkeiten. In Dresden hatte er am Dienstagabend eine Rede im Ballhaus Watzke gehalten. 500 Zuhörer waren gekommen und hörten den Höcke-Satz: „Wir Deutschen sind das einzige Volk, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
Inszenierter Skandal von Björn Höcke
Schlau eingefädelt. Am Tag danach, als die Empörung groß war, erinnerte Höcke an vermeintlich ähnliche Äußerungen Martin Walsers und schob nach: „Diese Fähigkeit, sich der eigenen Schuld zu stellen, zeichnet uns Deutsche aus.“ Er habe den Holocaust als Schande bezeichnet, nicht das Mahnmal. So funktioniert Höcke. Er inszeniert den Skandal und damit sich. Provokation ist sein Handwerk, mediale und politische Entrüstung sein Lohn. Vor allem die Empörung der politischen Konkurrenz dürfte dem suspendierten Lehrer ein innerer Vorbeimarsch gewesen sein: SPD-Vize Ralf Stegner schimpft „Neonazipack“, der sächsische Grüne Jürgen Kasek prüft eine Anzeige, der Linke-Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm hat sie vermutlich als Erster gestellt. Eine erwartbare Reaktion auf die Provokation. Überraschender war die Distanzierung eines eigentlich erklärten Höcke-Freundes. Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg distanzierte sich von der Höcke-Rede. Sie sei „unglücklich und nicht zielführend“ gewesen. Beim Holocaust handele es sich um das „weltgrößte Verbrechen der Menschheit“, erklärte Poggenburg.
Zuletzt stand auch zur Debatte, ob sich die Union von der AfD abgrenzt. Zumindest in Bezug auf die Höcke-Rede ließ Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) keine Zweifel aufkommen. „Die marktschreierischen Äußerungen aus Thüringen entlarven sich von selbst. Geschichte kann man nicht umdeuten oder durch ein politisches Weltbild definieren. Wohin dies führt, hat der DDR-Sozialismus bewiesen“, sagte Tullner der MZ. Und schon gar nicht komme die von Höcke geforderte 180-Grad-Wende im Geschichtsunterricht in den Schulen in Betracht. „Man kann Zukunft nur gestalten, wenn man sich der Vergangenheit mit allen positiven wie schrecklichen Dimensionen auch bewusst ist“, sagte Tullner weiter. Wobei die Unionsdistanzierung auch knackiger ging. „Das ist ein Nazi. Und er ist dort nicht der einzige“, twitterte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz nach Höckes Auftritt.
AfD-Parteichefin Frauke Petry beklagt Querschüsse
Mit seinem Manöver hat Höcke nicht nur Distanzierung in seiner Partei, sondern auch harsche Kritik geerntet. Parteichefin Frauke Petry, die weder mit völkischen Figuren wie Björn Höcke, Poggenburg oder Pegida und deren mehrfach vorbestraftem Anführer Lutz Bachmann etwas zu tun haben möchte, schimpfte in der Wochenzeitung Junge Freiheit: „Es bestätigt sich, was ich schon vor einem Jahr sagte. Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden.“ Ihr Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Chef Marcus Pretzell meinte: „Fatal ist nicht, dass Höcke ständig missverstanden wird, fatal ist, dass dies in einem Bereich deutscher Geschichte geschieht, bei dem es der Anstand verbietet.“
Höcke-Rede: „Deutsche Geschichte wird mies gemacht“
Mit seiner Rede in Dresden hat der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke für Empörung und Debatten gesorgt. Hier einige Passagen im Wortlaut:
Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat … Und bis heute sind wir nicht in der Lage, unsere eigenen Opfer zu betrauern.
Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben,
… und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht.
(mz)