Comeniusschule Halle Comeniusschule Halle: Auch die «Dinogruppe» ist nicht verloren
Halle/MZ. - Schule ist nicht gleich Schule. Nach dem schlechten Abschneiden Sachsen-Anhalts bei der Pisa-Studie stellt die MZ Schulen vor, in denen mit besonderen Angeboten Freude am Lernen gefördert wird. Heute: die Comeniusschule für lernbehinderte Schüler in Halle.
Wieviel ist zehn minus fünf? Wie schreibt man Buchstaben? Welche Wörter beginnen mit S? Was alle Schulanfänger lernen, wird auch in der Comeniusschule in Halle gelehrt - nur ein bisschen anders. Denn die rund 200 Schüler, die hier von 32 Lehrern unterrichtet werden, sind lernbehindert. Das heißt, das Lernen fällt ihnen schwerer als vielen Altersgenossen. Um für das Leben fit gemacht zu werden, brauchen sie daher eine besondere Förderung in einer Sonderschule.
Wenn die Schüler Schreiben, Lesen und Rechnen lernen, dann steht ihnen mehr Zeit und Material zur Verfügung. Christian zum Beispiel malt auf einem Blatt Papier eine kleine Unterwasserwelt aus. Die Farben werden durch Gleichungen vorgegeben. Also muss er vorher genau rechnen. Dazu nutzt er eine Dose mit Perlen und zählt.
Auch seine Mitschüler beschäftigen sich selbstständig - mit den Sachen, die ihnen selbst wichtig erscheinen. 14 Schüler der ersten und zweiten Klasse lernen in der Gruppe. Zwei Lehrer erklären den Unterrichtsstoff jedem Schüler einzeln, üben mit ihnen, unterstützt von einer pädagogischen Mitarbeiterin, individuell das Gelernte. Das Konzept nach dem unterrichtet wird, kommt aus der Montessori-Pädagogik und wird auch in den oberen Klassen genutzt. Dass diese alternative Lehrmethode an einer staatlichen Schule angeboten wird, ist durchaus nicht selbstverständlich. An der Comeniusschule, die seit 1989 besteht und an der die Ausbildung bis Klasse 10 läuft, haben bereits fünf Lehrer die Montessori-Befähigung erworben - auf eigene Kosten. Auch Schulleiterin Ines Falk, die mit dem jungen Lehrer Nicki Kwincinski die Grundschulgruppe unterrichtet.
Sie versteht das Konzept als Möglichkeit, auf die sich stark ändernde Schülerschaft positiv einzuwirken: "Die Kinder sind heute anders als noch vor zehn Jahren." Sie kämen mit weniger Vorwissen zur Schule, hätten weniger motorische Fähigkeiten - und zeigten oft zu ihrer Lernbehinderung Verhaltensprobleme. Mit herkömmlichem Frontalunterricht komme man da nicht weit. Einige der Schüler hätten Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich, wechselten mehrere Male die Schulen. In schweren Fällen sei die Aufnahme in eine reguläre Klasse kaum noch möglich, erzählt Falk.
Auch für diese Kinder hat die Comeniusschule seit 1998 eine Alternative mit einem Spezialprogramm: In einer so genannten "Dinogruppe" werden Schüler mit schweren Verhaltensstörungen wieder gruppenfähig gemacht: "Dort wird absolut individuell gearbeitet." Zwei Jahre bleiben die "Dinos" unter sich, dann gehen sie wieder in "normale" Klassen. Mit Hilfe von Entspannungs- und Verhaltenstherapien lernen sie besser mit sich selbst und ihrer Umwelt umzugehen.
"Dinokinder" werden sie genannt, so Ines Falk, weil sie - wie einst die Dinosaurier - stark unangepasst an ihren Lebensraum seien. Der Vergleich solle jedoch nicht bedeuten, dass diese Kinder verloren sind. "Ich bin ein Mensch, ich werde angenommen", das solle die Erfahrung sein. Aber nicht nur die Integration von verhaltensgestörten Kindern läuft in der Comeniusschule auf Hochtouren. Auch mit der Schule für Geistigbehinderte in Halle gibt es einen Austausch: "Einige geistigbehinderte Schüler sind in der Lage, Lesen, Rechnen und Schreiben über den Rahmen ihrer Schule hinaus zu lernen." Diese Kinder werden in der Comeniusschule unterrichtet. Erst wenn sie an ihrer Leistungsgrenze angekommen sind, kehren sie an ihre Schule zurück.
Die Pläne der Landesregierung, demnächst alle Sonderschulen im Land zu Förderschulen oder Förderzentren auszubauen, das heißt mehr Raum für Integrationsangebote dieser Art zu schaffen, kommt dem Profil der Comeniusschule entgegen. Falk: "Damit werden die strengen Kategorisierungen endlich aufgebrochen."