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Von Dorf zu Dorf Von Dorf zu Dorf: Griff nach der Krone

03.07.2018, 12:17
Rundgang durch Schleberoda mit der Landeskommission und Vertretern der Vereine sowie Einwohnern.
Rundgang durch Schleberoda mit der Landeskommission und Vertretern der Vereine sowie Einwohnern. Gudrun Schröder

Schleberoda - Beim Besuch des kleinen Dorfes Schleberoda, kommt einem sofort das Kinderlied „Wer will fleißige Handwerker sehn“ in den Sinn. Denn wer, zwar keine Handwerker, aber emsige Dorfbewohner will sehn, der muss nach Schleberoda gehn. Hier zeigt sich das Funktionieren einer echten Dorfgemeinschaft. Da der Ort nicht nur mit intakten baulichen Strukturen punktet, sondern die Einwohner ihr Dorf mit Leben erfüllen, beteiligte sich Schleberoda im vorigen Jahr am Kreiswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ mit Erfolg. Schleberoda wurde im Oktober neben Reichardtswerben als schönstes Dorf im Burgenlandkreis ausgezeichnet. Damit nehmen die beiden Siegerdörfer automatisch am zehnten Landeswettbewerb teil. Vor Kurzem schaute sich die Landeskommission, unter Leitung des Referatsleiters im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, Ulf Wöckener, in der Gemeinde um. Begleitet wurde er von Vertretern des Verkehrs- und Umweltministeriums, dem Städte- und Gemeindebund, dem Landesheimatbund und Studenten der FH Magdeburg.

Zweieinhalb Stunden standen ihnen Vereine und Macher des Dorfes im Beisein von Bürgermeisters Udo Mänicke zur Verfügung. Unter Federführung von Karin Reglich, die im Dorf mit anderen Damen wie Uta Wuttke, Cornelia Hofmann und Kathrin Ehret den Hut aufhat, ging es von der Dorfmitte aus auf einen Rundgang. Bei der Begutachtung geht es erneut darum, Punkte zu sammeln, um die Krone zu erobern. Schleberoda war bis zum Jahr 2009 eine eigenständige Kommune und ist seit der Eingemeindung ein Ortsteil von Freyburg.

Die Einwohner hatten die Präsentation ihres Dorfes und seiner Schätze bestens vorbereitet. Zuerst führte der Weg zur Familie Müller. Der 29-jährige Jan Müller aus dem benachbarten Ebersroda kaufte 2015 den freien Hof. Dessen Vater Lutz Müller zeigte den Jury-Mitgliedern stolz, wie sein Sohn das Wohnhaus für sich und Lebenspartnerin Maria hergerichtet hat. „Wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben, dass sich ein Bauherr für das Gehöft findet. So sind wir glücklich, dass sich eine junge Familie das Haus ausbaut. Zumal wir Wert darauf legen, leerstehende Gebäude zu sanieren, statt neu zu bauen“, sprach Frau Reglich. Es sei noch viel zu tun, sagte Müller. Jetzt kommt das Pflastern des Hofes mit alten Steinen an die Reihe, um den ursprünglichen Charakter des Grundstücks herzustellen. Die Gemeinderätin freut sich, dass die Bauerngehöfte alle bewohnt sind. Fünf Familien sind in den letzten zehn Jahren nach Schleberoda gezogen. Ebenfalls neue Eigentümer wohnen in der einstigen herzoglichen Försterei. Carsten und Andrea Dufner kamen vor fünf Jahren nach Schleberoda, haben für sich das Forsthaus saniert und so vor dem Verfall gerettet. An der nächsten Station wurde von der Gruppe das Brunnenhaus begutachtet. Der Brunnen, zwischen 1881 und 1883 errichtet, gehört mit zu den größten und tiefsten im Unstruttal und auf der Querfurter Platte. 96 Meter geht es in die Tiefe, bei 89 Metern liegt der Wasserspiegel. Der Brunnen mit seinem hölzernen Aufsatz war zur Dorferneuerung 2005 rekonstruiert worden. Bis in die 1950er-Jahre funktionierte das Schöpfen des Wassers. Mit dem Anschluss des Dorfes an das Trinkwassernetz wurden 1957 die oberirdischen Förderanlagen abgebrochen. Mit der aufgestellten Sitzgarnitur ist der Brunnen ein idealer Rastplatz.

Lebhaft ging es bei dem Marsch durch das Dorf zu. Vorbei am früheren Armenhaus, das später zum Kindergarten umfunktioniert wurde, eine Kegelbahn erhielt und beide Räumlichkeiten jetzt zum Feiern von Geburtstagen und für Rentnertreffs genutzt werden. Vorbei an der sich im Ruhestand befindenden Schmiede.

Für einen Unternehmensbesuch der Jury war der Baubetrieb von Hardy Krause ausgewählt worden, der eine ehemalige LPG-Halle übernommen hatte. Seine Firma mit 14 Mitarbeitern ist neben dem Tiefbau vor allem ein Spezialist für Trockenmauern in Weinbergen. Zu den Firmen und Gewerbetreibenden, die im Dorf ihren Sitz haben, gehören unter anderem Andrea Dufner, die ein Institut zur Führungskräfteentwicklung betreibt, die Tierarztpraxis von Karin Reglich, das Planungsbüro von Silvia und Jörg Sichting und die Imkerei Gesch.

Die Zeit war knapp bemessen. Vieles wird im Vorbeigehen erläutert, wie die historische Dorfum-friedung. Die hinter zwei Grundstücken undurchdringliche Hecken zeigen, die ursprüngliche Dorfumfriedung in nahezu unveränderter Form, wie sie bis ins 18. Jahrhundert angelegt wurden. Mit Hilfe des Naturparks konnte ein Teil der Umfriedung erneuert werden. Statt Eichen wurden Robinienstämmlinge verwendet.

Weiter ging es im Schnelldurchgang in die Johann-Georgen-Kirche, die den Herzögen von Sachsen-Weißenfels während ihrer Aufenthalte im Jagdschlösschen Klein-Friedenthal als Gotteshaus diente. Von der spätromanischen Chorturmkirche sowie den von Uta Wuttke, der Kirchenältesten und guten Seele der Kirche, genannten Aktivitäten zur Erhaltung, war der Kommissionschef schnell begeistert.

Als nächstes Ziel stand das Weingut Waschfeld auf dem Programm. Cornelia Waschfeld informierte über den Familienbetrieb, der inzwischen von ihrem Sohn Andreas geführt wird. Und selbstverständlich: Gern schenkte Frau Waschfeld eine Kostprobe der Tropfen vom Freyburger Mühlberg ein.

Gegenüber dem Weingut erwartete Cornelia Hofmann, Ehrenbürgerin der Stadt Freyburg und Chefin des historischen Backhauses, die Kommission um Ulf Wöckener. Sie legt besondere Aufmerksamkeit auf den Erhalt und den denkmalgerechten Betrieb des 1789 erbauten Hauses. Ende des vergangenen Jahres konnte die umfassende Sanierung durch Spenden und Geld aus dem Förderprogramm „Leader“ abgeschlossen werden. Ein Anziehungspunkt ist das 220 Jahre alte Backhaus mit dem altdeutschen Backofen in der Adventszeit für die Stollenbäckerinnen. Aber auch zu anderen Anlässen öffnet der Heimatverein die Backstube, um mit Osterbroten oder Speckkuchen zu verwöhnen.

Sommersaal statt Stall

Gleich neben dem Backhaus befindet sich das Lesestübchen. Das frühere Gemeindebüro über dem alten Wasserspeicher, nach der Eingemeindung nach Freyburg verwaist, hat somit eine neue Nutzung gefunden. Eine Bibliothek gespendeter Bücher lädt zum Lesen ein, es findet Leseförderung für den Nachwuchs statt, man trifft sich zu Gesprächen bei Kaffee oder kann mit Chronist Christoph Wedekind die Ortsgeschichte erkunden.

Im Dorfzentrum zurück, strecken über 300 Jahre alte Linden ihre Kronen in den Himmel. Unter der ältesten, der Gerichtslinde, befindet sich ein ebenso alter Gerichtsstein, der sogenannte Bauernstein. Wenige Meter davon entfernt und Endpunkt der Besichtigungstour, liegt das Gemeindezentrum. Die einstige Stallanlage der LPG wurde zu einem Sommersaal für dörfliche Feste ausgebaut, es gibt einen Proberaum für die „Freyburger Musikanten“, und auf dem ehemaligen Futterboden ist die berühmte Sommergalerie entstanden. Bekannte Künstler wie der Freyburger Maler Walter Weiße oder der Branderodaer Künstler Karlheinz Schäfer stellten hier ihre Werke aus. Zu einem Kurzbesuch in der Sommergalerie weilte der international renommierte Opernregisseur und Maler Achim Freyer mit seiner Ehefrau, der koreanischen Sopranistin Esther Lee-Freyer, die mit einer gesanglichen Kostprobe brillierte.

Im schmuck eingerichteten Galerieraum gab Karin Reglich der Jury eine Präsentation des 157-Seelen-Dorfes mit seinen 30 Arbeitsplätzen und einem Altersdurchschnitt von 45 Jahren. Sie berichtete über das ehrenamtliche Engagement der Feuerwehr, der Pfingstburschen, des Heimat- und des Fördervereins der Kirche und der Freyburger Musikanten“ die alle für ein abwechslungsreiches Dorfleben sorgen.

Konzertreihe, Lindenfest

Nicht zu kurz kamen in ihrem Bericht die vielfältigen Kulturangebote, die Gäste aus nah und fern anlocken. Sie hob die seit 2011 durchgeführten Ausstellungen in der Galerie hervor, die Konzertreihe in der offenen Kirche und verwies auf das Lindenfest zum 20-jährigen Bestehen des Heimatvereins. Nicht jeder könne beim Landesausscheid gewinnen, schätzte Ulf Wöckener abschließend ein, aber allein schon die Teilnahme „und dass sie hier leben, ist ein Gewinn“.