Sommerfest in Kirchscheidungen Sommerfest in Kirchscheidungen: Kirche trifft Kunst und Kultur

Kirchscheidungen - Während das Sommerwetter am Sonnabendnachmittag bestens zum Feiern in Kirchscheidungen geeignet war, bedeutete es für Jörg Dietrich enormen Stress. Als Mitglied des Gemeindekirchenrates des Dorfes wollte Dietrich bei der Eröffnung des Gemeindefestes und dem feierlichen Gottesdienst natürlich mit dabei sein. Aber der Kirchscheidunger ist auch Landwirt. Und noch vor dem gemeinsamen Abendessen tauschte er den Kirchplatz gegen den Fahrersitz seines Mähdreschers ein. Die Getreideernte hat Vorrang.
Seit über 40 Jahren feiert die Kirchengemeinde Kirchscheidungen am zweiten Juliwochenende ihr Sommerfest. Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Martin Reschke, hielt als Hauptorganisator die Fäden in der Hand. Gut gelaunt hieß er die zahlreich erschienenen Gäste auf dem Kirchberg, unter der großen, 479 Jahre alten Linde willkommen. Der Baum, so erzählte Reschke, wurde 1539 mit der Einführung der Reformation gepflanzt. Weit offen stand zudem die Tür der St. Johanniskirche.
Jedes Jahr stellt Reschke das Gemeindefest unter eine besondere Thematik. Im vorigen Jahr lag die Orgeleinweihung und 2016 das Gedenken an Pfarrer Oskar Brüsewitz im Fokus. Diesmal erinnerte der Kirchenälteste an den 100. Todestag des deutschen Malers Hans am Ende, dem Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie. Der Maler, am 31. Dezember 1864 in Trier geboren, kam als Achtjähriger mit seiner Familie nach Kirchscheidungen, wo sein Vater Alwin die Pfarrstelle bis zu seinem Tod 1888 innehatte. Das mittlere von drei Kindern verlebte im Pfarrhaus von Kirchscheidungen bis 1879 seine unbeschwerteste Zeit. Danach, so sagte Reschke, führte der Weg über die Landesschule Pforta, wo Hans am Ende seine Studienreife erwarb, zur Akademie der Bildenden Künste nach München und später zum Teufelsmoor nach Worpswede. Der Künstler verstarb am 9. Juli 1918 in Stettin, nach seiner Verwundung als Reserve-Offizier im Ersten Weltkrieg. Der Kirchenälteste findet es sehr bedauerlich, dass die Kirchscheidunger kein Interesse für die Ehrung ihres „großen Sohnes“ zeigten und als Straßennamen ablehnten. Das gleiche treffe für den in Kirchscheidungen 1784 geborenen bekannten Philologen Friedrich von Thiersch zu.
Mit einer Kaffeetafel begann das Gemeindefest, das mit seinem vielfältigen Programm begeisterte. Auch die ehemalige Pfarrerin von Kirchscheidungen, Annemarie Müller, und ihr Ehemann Christoph Müller, einstiger Pfarrer in Laucha, zählten zu den Gästen. „Es ist schön, dass es das Fest hier nach Jahrzehnten noch gibt. Die Leute gestalten es selbst für sich. Wir kommen gern von Naumburg hierher“, erzählte das Ehepaar. Kultur, Kunst und Gottesdienst - diese drei Säulen vereint Reschke jeweils zum Sommerfest zu einer Einheit. Für den kulturellen Teil sorgte der Schauspieler, Puppenspieler und Sänger Holger Vandrich aus Naumburg. Nach seinem Lied vom „Glück oder Unglück“ hatte er zu Sketchen von Loriot die Lacher auf seiner Seite.
Zu einem Höhepunkt gestaltete sich der Gottesdienst, der vom Gospelchor Eckartsberga unter Leitung des Kantors Robert Müller begleitet wurde. Die sechs Mitglieder des Gemeindekirchenrats richteten die Andacht aus. Die Predigt hielt ein langjähriger Freund des Kirchenältesten, der niederländische Pfarrer Freddy Gerkema. Seit 1976 kommt er nach Kirchscheidungen und begleitet die Kirchengemeinde. Er sprach über den Begriff „Schöpfung“ und stellte die Verbindung zum Maler Hans am Ende her. Wer Augen und Ohren offen halte, könne hören, sehen und Gott fühlen. Es sei die Schöpfung Gottes, die jeder genießen und über die sich jeder freuen kann, sprach der Pfarrer. Auch der Maler habe Sachen erdacht und gezeichnet, habe mit seiner Schöpfung die Leute erfreut. Dabei bringen die Worte Gottes Klarheit im Leben und geben die Richtung an.
Nach der Stärkung am Büfett mit Salaten, Gegrilltem und einem Glas Wein sorgte zu abendlicher Stunde ein Konzert mit dem Lindenchor von Kirchscheidungen und dem Eckartsbergaer Gospelchor in der Kirche für Unterhaltung. Ab 22 Uhr konnte mit der City Rock Band Weißenfels ordentlich abgerockt werden. Darauf freute sich besonders Martin Reschke, der sich als Rockmusik-Fan outete. Eine Andacht zu Mitternacht bildete den Abschluss.

