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Schauspieler Markus Sulzbacher Schauspieler Markus Sulzbacher: Im Strudel des Lebens

Von Jana Kainz 19.08.2018, 08:31
Als Nietzsche war Markus Sulzbacher erstmals in Naumburg zu erleben. Nun ist er am Theater fest engagiert.
Als Nietzsche war Markus Sulzbacher erstmals in Naumburg zu erleben. Nun ist er am Theater fest engagiert. Hellfritzsch

Naumburg - „Ach, ihr seid das mit dem Anarcho-Bus“. Diesen Satz hört Markus Sulzbacher oft in Naumburg. Das Gefährt ist fast schon zum Markenzeichen seiner Familie geworden, zu der Katja Rosin und die Söhne Marius und seit wenigen Tagen Henri Matthis gehören. Als der Familienvater vor fünf Jahren auf der Suche nach einem Auto war, erinnerte er sich an eine frühere Freundin, die solch einen Kleinbus fuhr. Das sei die Idee gewesen, denn sie brauchten ein Auto, in dem die Familie auf Reisen auch mal schlafen konnte. Und der Bus bietet nicht nur vier Schlafplätze, sondern auch eine Küche samt Gasherd. In seiner damaligen Wahl-Heimat Berlin kaufte er den Benz 508d dessen elften Besitzer ab. „Der Bus ist 40 Jahre alt, genau wie ich“, so Sulzbacher.

In Naumburg muss er mit seiner Familie keinesfalls in dem Gefährt campieren. Vor einem Jahr hat er sich mit Frau und Kind in der Domstadt wohnlich niedergelassen - lediglich dem Familienauto fehlt es an einem Winterunterschlupf und einer fachmännischen Kfz-Betreuung. Katja Rosin hatte damals als Dramaturgin einen Job am hiesigen Theater bekommen. Mann und Sohn ließen sie nicht alleine ziehen. Das Naumburger Publikum lernte Sulzbacher sogleich als Schauspieler kennen. Er gab den alten Friedrich Nietzsche zum Theaterspaziergang - damals als Gast. Seit Anfang dieses Jahres gehört er fest zum vierköpfigen Ensemble. Die Schauspielerei ist für ihn eine weitere berufliche Facette. „Gefühlt“, so Sulzbacher, „habe ich schon alle Jobs, teils auch ohne Ausbildung gemacht.“

Ausbildung und diverse Jobs

Seine ersten 30 Jahre seien selten glatt verlaufen. Der gebürtige Österreicher, der in der Steiermark aufgewachsen ist, drückt es so aus: „Ich habe alles verbockt.“ Seinen Lauf habe dies mit dem eher widerwilligen Wechsel ans Gymnasium genommen. Das besonders frühe Aufstehen und die 50-minütige Zufahrt zur Schule hätten ihm nicht gut getan und auch nicht seinen Leistungen. Das achte Schuljahr wiederholte er. Wohl oder übel - wohl, weil er während dieser Ehrenrunde eine Chemielehrerin traf, die ihn zu klasse Leistungen führen konnte; übel, weil ihn seine Mutter, im Glauben Gutes für ihn zu tun, ob der plötzlich guten Leistungen sofort auf eine spezialisierte Schule schickte - der Höhertechnischen Lehranstalt. „Die war zwei Stunden von uns entfernt“.

Also musste er ins Internat. Das setzte ihm noch mehr zu. Den Rest gab ihm die organische Chemie. „Das habe ich nicht mehr verstanden. Außerdem dachte ich, dass ich an dieser Schule zum Forschen und Entdecken ausgebildet werde, aber es ging nur darum, uns später zur Qualitätskontrolle einzusetzen“. Alles in ihm rebellierte. Nach zwei Jahren zog sein Vater die Reißleine. Rasch musste eine Berufsausbildung her. Nur welche? Der 18-Jährige hatte sich längst selbst verloren.

Am liebsten hätte er Musik gemacht. Stattdessen fand er sich in einem Sportartikelgeschäft in Bad Aussee wieder - zur Verkäuferausbildung. Ausbildung? Nicht in einem Skigebiet. Bis 1 Uhr nachts stand er im Laden, wachste und schliff Skier. Früh um 9Uhr ging es weiter. Für Sulzbacher wurde es nur ein kurzes Gastspiel. Da hielt er sich lieber mit Gelegenheitsjobs - Ski- oder Snowboard-Lehrer wurden oft genug gebraucht - über Wasser. Taten sich zeitliche Löcher auf, verschwand er zur Großmutter auf die Alm.

Ab dem 13. Lebensjahr hatte er viel freie Zeit in dem 1700 Meter hoch gelegenen Gehöft verbracht. Da gab es nur die Großmutter, zwei Kühe, ein Schwein und eine Katze. „War die Einsamkeit groß, ging ich sechs Stunden hinunter zum Baden mit Freunden und am nächsten Tag ging es zurück auf die Alm“, so Sulzbacher. Auf der lernte er auch Butter und Käse herzustellen. „Die Großmutter hat mir vertraut, mir liebevoll viel beigebracht.“ Seinen letzten Sommer war er allein auf der Alm. Zwei Jahre später starb die Oma - sein erster großer Verlust.

„Ein bisschen zerbrochen“ sei er während des Grundwehrdienstes, zu dem ihm das Bundesheer 22-jährig doch noch einzog. Es seien diese ewigen Hierarchien, die ihm generell zusetzen. Indes ließ ihn die Idee vom Musikmachen nicht los. Gitarre spielend und singend stand er mit einigen Bands auf der Bühne. Richtig ein schlug die „Falco Revival Formation“. „Da haben wir wohl Leichenfledderei betrieben“, meint er schmunzelnd. 80 große Konzerte spielten sie nach dem Tod des Stars. „Wir stillten den Durst der Österreicher nach Falco.“

Tontechniker wird Moderator

Indes keimte in ihm der Wunsch, Tontechniker zu werden. Den verwirklichte er an einer Privatschule in Wien. Endlich hatte er einen Abschluss in der Tasche. Aber die Realität schlug erneut zu. Während seiner Bewerbungstour kam sein Abschluss bei den Tonstudios nicht gut an. Unter kam er letztlich in einem Ein-Mann-Studio in Wien. Allerdings war das kein Job auf Dauer und Sulzbacher bald wieder zurück in der Heimat. „Was ist die letzte Option, wenn gar nichts mehr geht? Man geht in die Gastronomie“, meint er. So verbrachte er viele Nächte in Bars - hinterm Tresen, versteht sich, und träumte von einem Tontechniker-Job auf dem Kreuzer „Queen Mary II“. Auf der Suche nach etwas Bodenständigerem traf er auf Franz Steinegger, inzwischen sein bester Freund. Mit ihm stampfte er in Gößl am See ein Festival aus dem Boden, das bereits zum zwölften Mal aufgelegt wurde.

Eigenes Unternehmen

Zwischenzeitlich kam er bei einem Privatradio in Graz unter und saß dort nicht nur am Mischpult, sondern später auch am Mikrofon und moderierte Sendungen. „Ich wurde zur Stationsstimme“, so Sulzbacher, der eine neue Seite an sich entdeckte: die Synchronsprecherei. Kurz darauf begann er, sich ein Sprecherbusinnes aufzubauen. Vielleicht wäre er noch heute bei dem Sender, wenn er der Liebe nicht nach Berlin gefolgt wäre, die dort schnell zerbrach. Auch beruflich war die Hauptstadt anfangs ein Flop. „Wir brauchen dich als Synchronsprecher nicht, such’ dir einen ordentlichen Job“ - hörte er oft. Irgendwann verfiel er darauf, privaten Schauspielunterricht zu nehmen. „Eine Aufführung, mit der eines der Ausbildungsmodule endete, brachte mir mein erstes Engagement ein“, erzählt Sulzbacher. Er wirkte im „Pizza Man“ mit, in dem er privat in Liebe zu seiner Schauspielkollegin Katja Rosin entbrannte. Mit dem Stück traten sie auch im Stadtbad des Steglitzer Clubtheaters von Stefan Neugebauer auf.

Nun hat Sulzbacher in Naumburg als Schauspieler Fuß gefasst. Die Synchronsprecherei gab er nicht auf. Zu hart war der Aufbau. Und seit der Geburt von Sohn Marius vor fünf Jahren laufe dieses zweite Standbein richtig gut. Anders als bisher hat er nun seine Zukunft - wenn auch die ganz ferne - klar vor Augen: „Irgendwann lebe ich wieder auf der Alm.“