Kultgetränk Pfefferminzlikör "Pfeffi Berlin": Rotkäppchen-Mumm will mit Pfefferminzlikör durchstarten

Berlin/Freyburg - Es ist Nacht, es ist Wochenende, es ist Party: Im halleschen Club Turm drängen sich die Gäste vor der Bar. In verschwitzten Händen werden zehn und 20 Euro Scheine über den Tresen gereicht. „Kühles Beck's Bier wird bei uns am meisten getrunken“, sagt Club-Chef Ulf-Elmar Böttcher später am Telefon.
Gefragt sei als Wachmacher auch Cuba Libre, ein Mix aus Cola, Rum und Limettensaft. Auf der Beliebtheitsskala am stärksten gestiegen ist in den vergangenen Jahren jedoch ein anderes Getränk: Pfeffi. Vor allem Menschen unter 25 bestellen laut Böttcher vom Pfefferminzlikör meist gleich mehrere 2-Cl-Gläser auf einem Tablett.
„Pfeffi Berlin“ will auf den Pfefferminz-Hype aufspringen
„Pfeffi trinkt man nicht allein.“ Der Likör, der in verschiedenen Varianten seit Jahrzehnten auf dem Markt ist, erlebt nicht nur im halleschen Club ein Revival. In Ostdeutschland ist Pfeffi inzwischen ein Trend-Getränk.
Der Hersteller Nordbrand aus dem thüringischen Nordhausen ist Marktführer, der aufstrebende Konkurrent heißt Schilkin aus Berlin. Ebenfalls aus der Hauptstadt kommt die neue Edel-Variante: „Pfeffi Berlin“. Wer genaueres über den Boom erfahren will, kann die Macher in ihrem eigenen Lokal treffen.
Szeneviertel Berlin-Friedrichshain, Petersburger Straße: Wenn es abends dunkel wird, fällt die Pfeffi-Kneipe durch ihre grüne Beleuchtung sofort auf. Nur fünf Schritte hinter dem Eingang steht die Theke, Tische und Stühle sind aus schwerem Holz. Philipp Wauer reicht zur Begrüßung einen Kurzen.
Doch der wird nicht gekippt, der 35-Jährige nippt und fängt an zu erzählen: „Pfefferminze mag doch eigentlich fast jeder.“ Sie habe einen frischen angenehmen Geruch und Geschmack. Der Hotelfachmann arbeitete lange für den Berliner Club „SchwuZ“. „Die Leute sind auf der Suche nach neuen Zutaten für Cocktails und Drinks, Pfefferminze ist seit Jahren beliebt“. Als der Getränkeprofi Marcus Stolze auf ihn zukam und das Projekt „Pfeffi Berlin“ vorstellte, zögerte Wauer nicht lange. Die beiden bauen seit 2017 die Marke auf.
Gin als Vorbild
Stolze hat früher Techno-Partys organisiert und arbeitete zuletzt im Vertrieb der Sektkellerei Rotkäppchen-Mumm. Das Freyburger Unternehmen ist mit der Tochter Nordbrand bereits führend im Pfefferminzlikör-Geschäft. Doch als Stolze auf Firmenchef Christof Queisser zuging und ihm seine Idee von einer hochwertigen Likör-Marke unterbreitete, war der Rotkäppchen-Boss angetan und stellte ihm dafür Kapital zur Verfügung.
Stolze und Wauer machten sich zunächst daran, eine neue Mischung zu kreieren: Neben Pfefferminze enthält der Likör unter anderem Wermutkraut für eine bittere Note und Vanille, um ihn weich zu machen. „Es werden nur natürliche Zutaten verwendet“, erklärt Wauer. Das Endprodukt sieht aus wie Pfefferminztee. Die Flaschen sind durchnummeriert, sie kosten stolze 16 Euro - fast dreimal mehr als herkömmliche Pfeffis. Die ersten beiden 5.000er Serien seien verkauft, so Wauer. Beliefert werde bisher nur die Berliner Gastronomie und Fachhändler.
Zum Lebensretter wurde der Likör sogar für den mittelständischen Spirituosen-Hersteller Schilkin. Die Destillerie aus Berlin-Kaulsdorf war 2013 fast pleite. Ein Insolvenzerfahren lief. Bereits seit den 50er Jahren hat das Unternehmen die Marke „Berliner Luft“ im Sortiment, doch erst jetzt ist sie ein Erfolgspfeffi.
„Wir hatten in den vergangenen Jahren Wachstumsraten von mehr als 50 Prozent“, sagt Geschäftsführer Erlfried Baatz. Im Jahr 2017 wurden etwa 2,6 Millionen Flaschen verkauft. Schilkins Likör ist klar und wird unter anderem mit Schokogeschmack und Glitzereffekt angeboten. Baatz nennt mehrere Gründe für den Erfolg: So habe das Unternehmen mehrere Berliner Kiez-Editionen herausgebracht, das Absatzgebiet in Ostdeutschland erweitert und das Label „Berliner Luft“ komme auch bei Touristen gut an.
Absatz hochprozentiger Getränke stagniert
„Berlin ist beliebt und seine Produkte auch“, so Baatz. Doch warum ein Likör, der seit Jahrzehnten von verschiedenen Herstellern abgefüllt wird, auf einmal Kult ist, kann der Unternehmenschef auch nicht richtig erklären.
Seit geraumer Zeit stagniert in Deutschland der Absatz hochprozentiger Getränke. Vor allem internationale Hersteller versuchten vor einigen Jahren mit sogenannten Alcopops junge Kunden zu gewinnen. Doch nach einer Sondersteuer im Jahr 2004 auf die Mixgetränke mit Wodka oder Rum brach der Markt zusammen, und auch das Image der Spirituosen-Industrie war deutlich angekratzt.
Seither hat sich einiges verändert: Überall in Deutschland sprießen kleine Gin- und Whisky-Manufakturen aus dem Boden. Inzwischen bundesweit erfolgreich ist beispielsweise die Gin-Marke Monkey 47 der Schwarzwälder Brennerei Black Forest Distillers. Sie wurde 2011 von Experten zur besten Gin-Marke der Welt gekürt und innerhalb weniger Jahre Kult.
Der Gin hat seinen Namen daher, dass nach Angaben der Brennerei genau 47 pflanzliche Zutaten zur Herstellung der Spirituose nötig sind. Inzwischen hat sich der französische Getränke-Riese Pernod Ricard die Marke einverleibt. In Sachsen-Anhalt macht unter anderem die Zeitzer Whisky Manufaktur auf sich aufmerksam. Im Mittelpunkt der Konzepte steht fast immer eine handwerkliche Herstellungsweise und ein lokaler Bezug.
„Der Trend tut der gesamten Branche gut“, sagt Rotkäppchen-Mumm-Chef Queisser. Es sei wichtig, die Werthaltigkeit der Getränke zu unterstreichen. Die Konsumenten würden verstärkt auf mäßigen Alkoholkonsum, Genuss und Qualität achten. Den Ansatz verfolgt auch „Pfeffi Berlin“. Das Start-up arbeitet weitgehend unabhängig vom Mutterhaus. Im Keller der Berliner Kneipe war bis vor wenigen Wochen noch eine kleine Pfefferminz-Plantage angelegt.
Unter pinkfarbenem Licht wurden 20 Minzsorten wie Erdbeerminze, Japanische oder Marokkanische Minze gezüchtet. „Wir wollen unseren Kunden die Vielfalt der Minze präsentieren“, sagt Wauer. Im Internet-Netzwerk Instagram zeigt die Firma Bilder, wie die Flaschen per Hand abgefüllt und mit Etiketten beklebt werden.
Nicht nur der Absatz zählt
In der Branche wundern sich viele, warum Rotkäppchen-Mumm trotz des Pfeffi-Erfolgs von Nordbrand eine kleine Neugründung finanziert. Queisser hält sich bei dem Thema bedeckt und spricht von einem „Experiment“. Wauer und Stolze haben weitgehend freie Hand. Das heißt aber auch, sie müssen sich allein behaupten.
Das Problem von etablierten Spirituosen-Herstellern ist, dass sie oft zu groß und zu schwerfällig sind, um Trends schnell aufzugreifen und Produkte weiterzuentwickeln. Einige industriell hergestellte Spirituosen haben zudem ihre Geschichte verloren, doch die wird beim Verkauf immer wichtiger. Das Unternehmen „Pfeffi Berlin“ soll offenbar neue Wege gehen.
Die obersten Ziele heißen nicht: Absatz, Absatz, Absatz. Das heißt nicht, dass die Marke ein Ladenhüter sein darf. Wauer und Stolze sehen sich auf einem guten Weg. „Wir sind mit dem Getränk in angesagten Berliner Clubs und die Marke ist im Gespräch.“ Ob der hochpreisige Pfeffi ein Erfolg wie Monkey 47 werden kann, ist offen. Geschmacklich kommt der Likör jedenfalls bei jungen Menschen gut an. (mz)