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Minimarkt in Granschütz Minimarkt in Granschütz: Der letzte Tante-Emma-Laden stirbt

Von Petra Wozny 08.04.2017, 14:00
Zu Schleuderpreisen versucht Chefin Viktoria Jahn noch einen Teil der Ware zu verkaufen.
Zu Schleuderpreisen versucht Chefin Viktoria Jahn noch einen Teil der Ware zu verkaufen. Peter Lisker

Granschütz - „Es ist wirklich zum Heulen“, klagt Rudi Bauer. Dem 82-Jährigen versagt die Stimme. Jahns Minimarkt in Granschütz steht vor dem Aus - und der alte Mann weiß nicht, wo er nun sein Brot kaufen soll. „Mein ganzes Leben lang ist hier ein Lebensmittelladen gewesen, früher war es die HO, später private Inhaber.“

Praktisch sei es für den Granschützer gewesen, war er doch nie auf einen Bus oder ein Auto wegen eines Einkaufs angewiesen. „Nun zahle ich zum Brotpreis auch noch die Fahrkarte und bin zudem auf die Fahrzeiten angewiesen. Ach, es ist schon schlimm. Mit Jahns sind wir immer gut hingekommen“, erzählt er. „Mach’s gut Rudi“, sagt die junge Frau an der Kasse, auch wenn hier gar nichts mehr gut ist.

Granschütz: Der potenzielle neue Besitzer will das Haus aber nur ohne „Tante Emma-Laden“

Der Besitzer des Backsteinhauses an der Hauptstraße vis à vis der Eisdiele will die Immobilie veräußern. Der potenzielle neue Besitzer will das Haus aber nur ohne „Tante Emma-Laden“. So die Vorgeschichte. Die Kündigung steht seit etwa einem Vierteljahr im Raum. Schließt Viktoria Jahn ihr Geschäft ab, stirbt einer der letzten Tante-Emma-Läden in der Region.

2005 hatte Matthias Jahn den rund 300 Quadratmeter großen Laden angemietet. Schnell erobert er die Herzen der Granschützer, denn in Jahns Minimarkt gibt es eigentlich alles, was das Herz begehrt. Lebensmittel, Getränke, frisches Gehacktes, knackige Brötchen, Drogerieartikel, ja selbst Spielwaren, Zuckertüten, Zeitungen und Glückwunschkarten. Was Jahn nicht hatte, wurde zeitnah für die Kunden bestellt. Matthias Jahn steht seine Frau zur Seite. Tochter Viktoria lernte sogar hier und übernahm das Geschäft 2012.

Abschied vom Tante-Emma-Laden in Granschütz: „Unser Markt ist im Dorf ein beliebter Treffpunkt“

„Ja, es ist ein richtiger Familienbetrieb. Das färbt auf die Kundschaft ab“, meint die junge Chefin. Man kennt sich halt, weiß um die Sorgen und Freuden in der Familie, wer wann Geburtstag hat oder einen lieben Menschen beerdigen muss. „Unser Markt ist im Dorf ein beliebter Treffpunkt“, schildert die 29-Jährige.

Das bestätigt die Kindertagesstättenleiterin Gerlinde Keck. Ihre Hortkinder hätten große Freude daran, im Laden selbst einzukaufen. „So lernen sie mit Geld umgehen und verantwortungsbewusst zu entscheiden“, meint Keck. Nun seien ihre Mädchen und Jungen ziemlich traurig. Die Fahrt zum Supermarkt ersetze nicht den Spaziergang in den fußläufig gelegenen Tante-Emma-Laden, findet die Kita-Leiterin.

Ortschaftsrat bietet Ladenbesitzerin Container in Granschütz an

Bereits vor Monaten, als sich die Schließung ankündigte, suchte Viktoria Jahn nach einem Ausweg. Und der lautet: Minimarkt in Granschütz, aber in einem anderen Gebäude. Ins Visier gerieten bei diesen Überlegungen Räumlichkeiten des Rollschuhvereins, die nach Jahns Meinung wenig genutzt werden, wie unter anderem der Raum des Ortschaftsrates. Der wäre sogar recht zentral neben der Sparkasse gelegen.

Jahn sucht das Gespräch mit dem Ortschaftsratsvorsitzenden Hilmar Geppert. Doch ihre Enttäuschung ist groß. Das Vereinsgebäude könne nur mit großem Aufwand saniert werden, was sich auf die Miete niederschlagen würde. Den Gemeinderaum brauche der Ortschaftsrat selbst. „Angeboten haben wir Frau Jahn, Container auf den benachbarten Parkplatz zu stellen. Das lehnte sie ab.“

Trübe Aussichten für den Tante-Emma-Laden und die Gemeinde Granschütz

Auch die Option mit dem Inhaber der abgebrannten Gaststätte „Nordstern“ über einen Abkauf des Geländes zu verhandeln, führte aus Gepperts Sicht zu keiner Lösung. „Mir tut das selbst leid, weil wir uns im Ortschaftsrat sehr um eine Problemlösung bemüht haben. Aber ich hatte letztlich den Eindruck, dass die junge Frau nicht wollte.“

Viktoria Jahn ist empört. „Ich kann mir keine Container leisten. Und den Schuttberg, der seit gut einem Jahr das Dorf verschandelt, nun durch mich wegräumen zu lassen, damit ich dort neu bauen kann, geht ja wohl gar nicht. Ich habe weder für Container noch für einen Neubau das Geld.“ Trübe Aussichten für Jahns und die Gemeinde Granschütz. Auch in den benachbarten Ortsteilen der Einheitsgemeinde Hohenmölsen gibt es schon lange keine Tante-Emma-Läden mehr.

„Der Trend des Aussterbens kleiner Lebensmittelläden auf dem Dorf hat nun auch Granschütz erreicht“, meint Viktoria Jahn. Sie stellt ein selbstgemaltes Schild zwischen die Regale. „Alles muss raus“ steht darauf. „Wirklich alles, also auch wir“, sagt sie bitter. Granschütz hat keinen Lebensmittelladen mehr und Viktoria Jahn ist ohne Arbeit. (mz)

In wenigen Tagen bleiben hier die Rollos für immer unten.
In wenigen Tagen bleiben hier die Rollos für immer unten.
Peter Lisker