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Lebensbilder: Silke Schröter Lebensbilder: Silke Schröter: Odyssee mit Happy End

Von Jana Kainz 18.10.2020, 08:26
An der Kasse des Theaters Naumburg sorgt Silke Schröter mit ihrer Fröhlichkeit für einen angenehmen Abend, lange bevor sich der Vorhang hebt.
An der Kasse des Theaters Naumburg sorgt Silke Schröter mit ihrer Fröhlichkeit für einen angenehmen Abend, lange bevor sich der Vorhang hebt. T. Biel

Naumburg - Sie ist die Erste, auf die die kleinen wie großen Gäste treffen, noch bevor sie das Foyer des Theaters Naumburg betreten haben: Silke Schröter. Mit stets ansteckender Freundlichkeit sitzt sie im kleinen Kassenraum und versorgt Jung wie Alt mit den reservierten, noch zu habenden oder nicht abgeholten Eintrittskarten. Lächeln und kassieren - nein, dass ist längst nicht alles, worum sich die 50-Jährige kümmert, damit der Theaterbetrieb abseits der Bühne reibungslos funktioniert.

Wichtige Vorbereitungen

Lange, bevor sich im Saal der imaginäre Vorhang hebt, steckt sie in den Vorbereitungen. Da wird nicht nur die Kasse aus dem Tresor geholt. Sie muss sich einen Überblick verschaffen, welche reservierten Karten in der Tourist-Information vorab abgeholt wurden, welche für wen noch reserviert und wie viele für den freien Verkauf noch vorhanden sind. Sobald die Vorstellung läuft, geht das Licht im Kassenraum keinesfalls sofort aus. Dann muss Silke Schröter noch einen Bericht schreiben, wie viele Zuschauer sich die Vorstellung ansehen, wer vom Vorderhauspersonal an Garderobe und Einlass im Einsatz ist. Schließlich wird das Geld gezählt und die Abrechnung ausgedruckt. Erst dann hat sie Feierabend.

Seit Kurzem liegt noch einiges mehr auf ihrem Tisch - allerdings tagsüber. Dann sitzt sie mit im Büro weiter oben im Haus und kümmert sich um die Buchhaltung. Es müssen Rechnungen geschrieben werden: So für den Kauf von Material für Kostüme oder Bühnenausstattung, für Gastregisseure und -schauspieler, auf die in diesem von Corona gezeichneten Jahr aus Kostengründen verzichtet werden muss, die Karten-Rechnungen für Schulen und Kindertagesstätten oder die Verwendungsnachweise für Fördergelder - all dies als Zuarbeit an die Stadt Naumburg, die Träger des Theaters ist.

Lehre zur Wirtschaftskauffrau

„Buchhaltung, das war für mich früher ein rotes Tuch“, gesteht sie. Früher, das war Mitte/Ende der 1980er-Jahre während ihrer Lehre zur Wirtschaftskauffrau. Damals wurde alles per Hand und Kopf erledigt. Das Gros davon haben längst Computerprogramme übernommen - und da machen ihr diese Arbeiten plötzlich Spaß. Hinzu komme, sagt sie, dass sie sich im Theater-Team, zu dem sie nach mehrjähriger Arbeit als geringfügig Beschäftigte nun als festangestellte Mitarbeiterin gehört, rundum wohlfühlt.

Zum 1. August hat sie für ihren Job am Theater mit der Stadt Naumburg einen unbefristeten Arbeitsvertrag auf einer 24-Stunden-Basis abgeschlossen. „Jetzt bin ich glücklich“, sagt die Ur-Naumburgerin. Denn die meiste Zeit hat sie nur mit diversen Minijobs zum Familienunterhalt beitragen können.

Diese Odyssee begann, als sie 1992 von ihrem Lehrbetrieb - dem Kohlehandel Naumburg, der sie einst auch übernommen hatte - entlassen worden war. So beschloss sie, sich für die neue Arbeitswelt fit zu machen und belegte in Naumburg bei der Deutschen Angestellten-Akademie einen sechsmonatigen Computerlehrgang. Doch nicht allein die neuen Kenntnisse hatten ihr zu einer neuen Arbeit verholfen, sondern auch eine Portion Glück, wie sie sagt. Durch eine Bekannte bekam sie bei einer Buchhaltungsfirma am Naumburger Marktplatz einen Fuß in die Tür. Das Glück war aber ihr hier nur vier Jahre hold. Denn dann brach der Firma der Hauptkunde weg. So gingen in den Büros die Lichter für immer aus.

Wieder begann für Silke Schröter die Suche nach einer Arbeit. Wie gesagt, fortan sollten es nur noch Minijobs sein, die sie ergatterte wie für mehrere Jahre in einem Baumarkt, für knapp zwei Jahre in einem Buchladen, der in Naumburg nur kurz „am Markt“ war, oder für ein halbes Jahr im Büro eines Taxi-Unternehmens. Unterbrochen wurde diese Odyssee 2001 mit der von ihr und Ehemann Michael lang ersehnten Geburt ihres Sohnes Max.

Als sie 2012 mal wieder ohne Job da stand, wurde sie auf eine Anzeige aufmerksam. Fürs Theater Naumburg wurden Mitstreiter fürs Vorderhauspersonal benötigt - also am Einlass oder an der Garderobe. Zwei Jahre hatte Silke Schröter damals fürs Theater arbeiten dürfen. Unter anderem vertrat sie die erkrankte Reinigungskraft. „Ein Knochenjob ist das, da kann ich nur den Hut vor allen ziehen, die das machen“, sagt sie. Nach den zwei Jahren war dann erst einmal Schluss mit Theater. Doch es sollte nur eine Trennung auf Zeit sein, wie sich im Jahr 2015 zeigte.

Nun in fester Anstellung

Damals wurde Verstärkung in der Kasse gebraucht. Dank Kostümschneiderin Nicole Klauser, die bei ihren Kollegen Silke Schröter in Erinnerung brachte, bekam diese die Stelle als geringfügig Beschäftigte. Über mehrere Etappen schaffte es Silke Schröter schließlich bis zu der kürzlich besiegelten Anstellung.

Dass sie meist an drei Abenden in der Woche - donnerstags bis sonnabends - nicht daheim, sondern an der Theaterkasse ist, hat sich längst eingespielt. Es tat auch dem regulären Frauenabend keinen Abbruch, zu dem sie sich mit zwei, drei guten Freundinnen jeden Montag für zwei Stunden zusammensetzt und das seit gut 30 Jahren - also schon eine gefühlte Ewigkeit. Und noch zwei weitere Abende sind in der Woche ausgebucht.

Seit zwei Jahren ist sie dienstags und mittwochs beim Reha-Sport anzutreffen - auf Anraten des Arztes, nachdem sich nach einer Fußverletzung andere Folgeerscheinungen eingestellt hatten. Dass der Wechsel aus Geräte- und Gruppentraining seine Wirkung nicht verfehlt, zeigte ihr der Lockdown im Frühjahr. So ist Silke Schröter froh, dass nun nicht nur wieder Theater gespielt werden, sondern sie auch ihrem Reha-Sport nachkommen kann.