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Kriminelle  Kriminelle : Die freundlichen Betrüger

Von Michael Heise 13.01.2017, 17:28
5. Dezember, 11.08 Uhr, das Betrügerpaar schleicht auf dem Parkplatz des Domstadt-Autohauses um einen Ford Kuga, mit dem es  später Probe fährt und verschwindet.
5. Dezember, 11.08 Uhr, das Betrügerpaar schleicht auf dem Parkplatz des Domstadt-Autohauses um einen Ford Kuga, mit dem es  später Probe fährt und verschwindet. Domstadt Autohaus

Naumburg/Freyburg - Er ist ein sonniger Tag, der 5. Dezember vergangenen Jahres. Ein Tag, an dem man an nichts Schlimmes denkt. Doch im Domstadt-Autohaus in Naumburg geht er nicht gut zu Ende. Es ist gegen 11 Uhr, als ein Paar Zigarette rauchend um einen Ford Kuga schleicht, ihn begutachtet und schließlich von einem Verkäufer des Autohauses angesprochen wird. Sie zeigen Interesse an dem Pkw, meinen aber, erst noch mal rüber zu Opel schauen zu wollen. Ansporn für den Verkäufer, wenig später werden sie den 40.000 Euro teuren SUV testen dürfen. Sie legen Personalausweis und Führerschein vor, unterzeichnen eine Probefahrt-Vereinbarung. Alles wie üblich. Eine Stunde später sollten sie zurück sein.

Sind sie aber nicht. Auch zwei oder drei Stunden später nicht. Das Pärchen, das mit einem anderen Pkw, wohl einem Volvo, zum Domstadt-Autohaus im Gewerbegebiet „Am Hohen Stein“ gekommen war, ist mit diesem und dem Leihwagen verschwunden. Spurlos, denn der 150-Diesel-PS-Kuga hat noch keine Telematik verbaut, Technik, mit der man das Fahrzeug per GPS hätte ausfindig machen können. Das Autohaus erstattet Anzeige.

Was der Ford-Händler nicht wissen kann und erst später per Internet-Recherche herausfindet: Man ist einem Betrüger-Duo aufgesessen, das bereits wegen ähnlicher Delikte und Zechprellerei in Lübeck in Haft sitzt, einen Freigang-Tag zur Flucht genutzt hatte und bereits per Haftbefehl gesucht worden war. Bis letzte Woche, da erreicht das Autohaus ein Anruf. Man könne den Kuga in Sonthofen (Bayern) abholen. Dem voraus geht ein Fahndungsaufruf der Polizei in Tirol mit einem Foto, welches das Paar zeigt. Mit einem Gläschen Sekt in der Hand, einem Willkommenstrunk eines Nobelhotels, in dem es sich vom 13. bis 27. Dezember einquartiert. Und es selbstredend ohne zu bezahlen verlässt. Der Schaden wird von der Polizei mit einem mittleren vierstelligen Euro-Betrag angegeben.

Dass das Paar dann letzte Woche im Allgäu aufgespürt werden kann (wir berichteten), ist einem Zufall zu verdanken. Die Polizei fährt in einer anderen Angelegenheit zu einem Hotel, der Bleibe der Gauner, als diese gerade das Haus verlassen und angesichts der Beamten schnell über einen Feldweg das Weite suchen. Die Polizei überprüft darauf hin die Wagen auf dem Parkplatz, entdeckt den gesuchten Kuga und macht das Pärchen dingfest. Feierabend.

Der schwarze Ford aus Naumburg hat zwischen dem 5. Dezember und eben vergangener Woche eine üppige Europa-Rundreise absolviert. Welche Stationen er anläuft, weiß Jens Reinicke, Chef des Domstadt-Autohauses, zwar nicht genau, doch laut Polizei ist er bis nach Spanien unterwegs, wird an Tankstellen „kostenfrei“ betankt, wohl auch, weil falsche Kennzeichen montiert sind. „Fakt ist, er hat rund 10.000 Kilometer mehr auf dem Tacho“, so Reinicke.

Der Unternehmer ist in der Region nicht der einzige Geprellte. Denn: Bevor das Paar bei ihm den Kuga holt, nächtigt es vom 3. bis 5. Dezember im Hotel „Edelacker“ in Freyburg. Es checkt dort kurzfristig ein, konsumiert Frühstück und Abendessen - und verduftet. „Die beiden wollten bis 6. Dezember bleiben, deswegen wurden sie zunächst nicht vermisst. An der Zimmertür hing ’Bitte nicht stören’. Als irgendwann das Zimmermädchen nachschaute, waren sie weg“, schildert Hotelchef Jan Thyen. Schaden 480 Euro. Auf eine Anzeige verzichtet Thyen zunächst wegen - wie er sagt - zu geringer Aussicht auf Erfolgt, meldet sich aber später bei der Polizei, als er einen entsprechenden Facebook-Eintrag zum Gauner-Paar entdeckt.

Der Ford Kuga steht inzwischen wieder in Naumburg, wird gereinigt und auf Schäden untersucht. Letztere halten sich glücklicherweise in Grenzen. „Uns kostet das Ganze rund 5.000 Euro, da die Versicherung bei Veruntreuung nicht einspringt. Dumm gelaufen, doch wir kommen mit einem blauen Auge davon“, schätzt Reinicke ein. Allerdings ist der Ekelfaktor bei der Reinigung des Autos hoch, denn es diente dem Paar auch als Bleibe, hortete, was man zum Leben so braucht. Reinicke drückt es zurückhaltend aus: „Ich habe noch nie ein Fahrzeug in die Reinigung geschickt, das so sehr nach Mensch riecht.“ Wenn es bald wieder auf dem Hof steht, wird man von alldem nichts mehr feststellen, der Pkw wird dann wie neu sein.

Dass es überhaupt zum Klau kommen konnte, ärgert Reinicke ziemlich, doch seinem Verkäufer macht er keinen Vorwurf. „Das Paar war unverdächtig, ganz normal und freundlich, die Personalien gaben keinen Grund zum Zweifel“, sagt er, wundert sich aber, dass Verbrecher auf Ausgang mit Ausweisen unterwegs sind. „Das muss mir mal einer erklären.“