Kriminalität Kriminalität : Blutige Hände

Naumburg - In weißen Badeschlappen steht Mohamed A. vor dem rot gesprenkelten Flur. Er richtet seine Handykamera auf die Blutlachen, auf den überall mit Blut bespritzen Boden und schließlich auf einen leblosen Hundekörper. Zwei seiner Vierbeiner sind am Dienstagmorgen bei einem Großeinsatz (wir berichteten) erschossen worden. Die Polizei stellt dies als Notwehr dar. Die Einsatzkräfte seien von den Hunden „unmittelbar attackiert und vom Halter nicht zurückgehalten“ worden. Mohamed A. sieht das anders. Er habe die Tiere zurückgehalten. Die Beamten hätten geschossen, weil es ihnen Spaß gemacht habe, seine Tiere abzuknallen. „Guckt euch das an, haben die einfach meine Hunde erschossen, die Hurensöhne“, sagt er in dem Video, was bis zum gestrigen Mittwochnachmittag auf Instagram weit über 90.000 Gefällt-Mir-Herzen, eine im Vergleich extrem hohe Zahl, bekommen hat. In den zig Tausenden Kommentaren dazu erhält Mohamed A. viel Zuspruch. Tenor: Die Bullen sind Schweine und haben einfach grundlos die Hunde erschossen.
Sein Video verbreitete Mohamed A. am Dienstag in Freiheit. Im Gegensatz zu drei anderen Männern, bei denen die Durchsuchungen zu Festnahmen führten. Ob für sie Haftantrag gestellt wird, dazu äußerte sich die Staatsanwaltschaft Halle gestern nicht. Es erfolgte lediglich der Hinweis, dass der Großeinsatz der 130 Beamten am Dienstag nicht nur mit Waffen und Drogen, die ja auch gefunden wurden, zusammenhänge, sondern mit einem Vorfall, der sich am 27. Dezember in Naumburg abgespielt hatte. Damals trafen in der Weißenfelser Straße zwei Personengruppen aufeinander. Bei der einen handelte es sich um Männer afghanischer Herkunft, die angaben, attackiert und mit einer Pistole beschossen worden zu sein. Verletzt wurde niemand. Die Afghanen konnten flüchten. „Bei den Tätern soll es sich um sechs bis neun Personen verschiedener Nationalitäten handeln“, schrieb unsere Zeitung damals zu dem Vorfall, der nun als „Schwerer Landfriedensbruch“ von der Staatsanwaltschaft benannt wird.
Mohamed A. kosteten die jetzigen Ermittlungen womöglich die Freiheit einiger Freunde und das Leben seiner Hunde „Molly“ und „CJ“. Doch es ist nicht der erste schwere Treffer, den der aus Syrien stammende Mann und seine Großfamilie in den vergangenen Wochen und Monaten hinnehmen mussten.
Noch vor drei Jahren schien das Selbstvertrauen des vorwiegend in Naumburg wohnenden Clans, der unter anderem eine Shisha-Bar an der Ecke Lindenring/Fischstraße betrieb, unerschütterlich. Rap-Videos mit fetten Autos und massig Bargeld wurden gedreht, Polizisten beleidigt und bedroht, deren Autos beschädigt. Man musste den Eindruck gewinnen, hier fühlen sich Menschen als über dem Gesetz stehend.
Doch das Gesetz und deren Hüter schlugen zurück. Erst Anfang April bekamen dies vor allem Mohameds Bruder Ali und seine Mutter Gulistan zu spüren. Noch nicht rechtskräftig wurden sie vom Landgericht Essen verurteilt. Für drei Jahre und drei Monate muss Gulistan ins Gefängnis, Ali A. sogar für sieben Jahre. Es geht um eine schwere Körperverletzung, die Ali A. und weitere Familienmitglieder im Mai 2018 begangen und die Gulistan A. nachweislich angezettelt hatte. Es geht um den sogenannten „Essener Ehrenmordprozess“ und um Mohammad A., der in einem Essener Hinterhof 31 Schläge, Tritte, Stiche, Schnitte einstecken musste und nur wie durch ein Wunder überlebte (wir berichteten). Ebenfalls beteiligt: der zwischendurch in Freyburg wohnende Mostafa M., der ein Neffe von Gulistan A. ist. Ihn traf die höchste Strafe, die das Landgericht aussprach: acht Jahre und sechs Monate Freiheitsentzug.
Doch auch zwei andere Brüder des am Mittwoch zum Instagram-Star gewordenen Mohamed A. verbrachten in den vergangenen Monaten viel Zeit in Gerichtssälen und wurden dort, ebenfalls noch nicht rechtskräftig, verurteilt. „Fünf Jahre und elf Monaten Haft“, hieß es da vor Kurzem im Landgericht Halle für den 27-Jährigen Mazen A., der sich in 19 Fällen des bewaffneten Handels mit Drogen in nicht geringer Menge sowie wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln strafbar gemacht hatte.
Auf Bewährung wurde hingegen die Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten ausgesetzt, die Ahmed A., ein weiterer Bruder Mohameds, vor etwa vier Wochen ereilte. Ihm wurde unter anderem nachgewiesen: Fahren ohne Fahrerlaubnis in neun Fällen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Vortäuschen einer Straftat, Bedrohung sowie Körperverletzung. Ebenfalls angeklagt in diesem Prozess: der Vater der sechs Brüder. Er kam mit einer Geldstrafe davon.
In einem Text unserer Zeitung vor drei Jahren sagte Ahmed A.: „Einer meiner fünf Brüder muss wegen Drogenhandels ins Gefängnis. Das heißt aber noch lange nicht, dass die ganze Familie kriminell ist.“ Er sprach damals von einem Bruder, dessen Name hier im Text bisher noch gar nicht auftauchte.