Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen: Villa mit Geschichte

Das Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen beging am 1. Dezember sein 70-jähriges Bestehen. Doch die Geschichte des Gebäudes samt seinem weitläufigen Anwesen am Rechenberg reicht weiter zurück. Zurück in das Jahr 1910, als es von Paul Schultze-Naumburg (1869 - 1949) entworfen und von der Bad Kösener Baugesellschaft auf einem dem Gutsbezirk Pforta gehörenden Grundstück errichtet wurde.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der umstrittene Architekt, der später im Nazi-Regime als NSDAP-Reichstagsabgeordneter und Rassentheoretiker auch politisch aktiv wurde, am Rechenberg eine Gartenstadt geplant, die nach dem Bau der ersten Häuser indes keine Fortsetzung fand.
Landesgerichtspräsident erwirbt Haus
1918 erwarb der pensionierte Potsdamer Landesgerichtspräsident Paul von Ehrenberg (1846 - 1928), einst Schüler von Schulpforte und 1908 von Kaiser Wilhelm II. in den Adelsstand erhoben, die Villa. Das erste Gebäude im Zuge des Vorhabens Gartenstadt erhielt daraufhin den Namen „Haus von Ehrenberg“. Nach dem Tod von Ehrenbergs erbte dessen Tochter Herta - zu dieser Zeit einziges Kind, ihr Bruder Otwig war im Ersten Weltkrieg 1917 gefallen - das Haus, das sie 1947 an das Bistum Magdeburg vermietete, das es als Bildungs- und Begegnungsstätte nutzte. Zuvor in den Wirren am Ausgang des Zweiten Weltkriegs wurde das Haus geplündert, für die Beseitigung der Schäden forderte Herta von Ehrenberg von den Amerikanerin und Russen 578 Reichsmark.
Drei Jahre später ging das Anwesen schließlich in den Besitz des Erzbischöflichen Kommissariats über. Am 1. Dezember 1950 erhielt es den Namen des Paderborner Bischofs Konrad Martin (1812-1879) verliehen. Die Einrichtung, in der auch Herta von Ehrenberg bis zu ihrem Tod 1974 sowie deren Schwägerin Gertrud-Adelheid von Ehrenberg wohnte, wurde zunächst von zwei Ordensschwestern geleitet. Es diente zudem Priestern, Kirchenbediensteten und Theologie-Studenten, später auch psychisch Kranken als Erholungsheim.
Der Staat hatte die Vorgänge vor Ort sehr genau im Blick. Von Polizei-Besuchen und aufgelösten Kursen berichtet die Chronik, mit der sich derzeit Bianca Thiel, pädagogische Mitarbeiterin des Konrad-Martin-Hauses, beschäftigt. „Zurzeit recherchiere ich nach Originaldokumenten seit 1947. Ich habe Kontakt mit dem Kloster aufgenommen, aus dem die ersten Schwestern geschickt wurden, und einen mehrjährigen Briefwechsel von Herta von Ehrenberg mit einem Verwandten ab 1958 ausfindig gemacht und diesen angefordert. Ein Blick ins Stadtarchiv von Naumburg ist ebenfalls geplant“, erzählt Bianca Thiel.
Seit 1978 in Trägerschaft des Caritas-Verbandes
1978 ging das Haus in die Trägerschaft des Caritasverbandes über. Menschen mit Behinderung sowie ab 1982 auch Senioren fanden hier Erholung. 1989 wurde ein Erweiterungsbau eingeweiht. Seit der Wende wird das Haus als Bildungsstätte genutzt. 1993 wurde mit dem Erwerb des Hauses „Ramona“ samt dazugehörigem Grundstück das Areal erweitert. Mit dem Umbau konnte jedoch erst drei Jahre später begonnen werden.
Bereits im Dezember 1994 erhielt das Konrad-Martin-Haus als erste Heimvolkshochschule in Sachsen-Anhalt die staatliche Anerkennung als Einrichtung für Erwachsenenbildung, seitdem fördert das Kultusministerium die Arbeit des Hauses, das in den Folgejahren mehrfach Maßnahmen zum Umbau und Modernisierung erfuhr. So wurden Gästezimmer saniert, Seminarräume geschaffen und ein Aufzug eingebaut. Zuletzt flossen Mittel des Konjunkturpaketes.
Heute Haus mit 33 Zimmern
Heute werden in der Heimvolkshochschule Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen jährlich mehr als 130 mehrtägige Seminare durchgeführt. Schwerpunkte sind die Bereiche politische Bildung, Bildung für Menschen mit Beeinträchtigungen inklusive der Grundbildungsarbeit sowie Angebote für nachhaltige Entwicklung. Das Haus verfügt über 33 Zimmer, fünf Seminarräume sowie eine eigene Küche und verzeichnet im pro Jahr rund 6.000 Übernachtungen. 17 Mitarbeiter sind beschäftigt. Seit 2018 befindet sich unter dem Dach der Trägergesellschaft zudem die Koordinierungsstelle für das Programm „Demokratie leben!“. Eine weitere Heimvolkshochschule findet sich mit der Akademie Sonneck in Naumburg.


