Jakobsweg Jakobsweg: Muschel auf dem Rucksack

Flemmingen - Die Bilder in den zahlreichen Reiseführern zum Jakobsweg (siehe Beitrag „Hintergrund“) sind für Ute Glaser und Roland Roßner nicht nur simple Fotografien zum Bestaunen. Sie bergen vielmehr unzählige Erinnerungen. Zu nahezu jeder können sie eine Geschichte, eine kleine Anekdote erzählen. Denn das Paar aus Flemmingen ist von Anfang Juni bis Anfang Oktober vom Schwarzwald bis nach Santiago de Compostela zu Fuß gelaufen. Rund 2500 Kilometer vom Süden Deutschlands durch die Schweiz und Frankreich bis an die spanische Atlantikküste. „Wir haben zuvor Berichte gesehen, mit Leuten gesprochen und haben uns gedacht, dass wäre ein tolles Ziel“, erzählt Uta Glaser. Bedenken und Sorgen hatten beide nicht. Ohne Vorbereitung schulterten sie am 1. Juni ihre Rücksäcke, griffen sie zu den Nordic-Walking-Stöcken. „Wir halten uns fit“, sagt Roland Roßner. Wandern, Radfahren, Paddeln. Die 70-Jährige und ihr 62-jähriger Partner sind aktiv und stets in Bewegung. Seit 1991 leitet die ehemalige Krankenschwester der DRK-Sozialstation zudem Gymnastikgruppen. Waren es einst drei, sind es heute zwei, die sich einmal wöchentlich in der Kindertagesstätte des DRK in der Kuglerstraße einfinden. Mit dabei ist da auch ihr Partner. Zusammen waren sie im vergangenen Jahr mit dem Boot die Donau hinabgefahren - von Sigmaringen bis ans Schwarze Meer.
Doch an dieser Stelle sollte ein Mitstreiter der Tour nicht unerwähnt bleiben. Denn Hündin Frieda, ein Jagdhund-Mix, begleitete das Paar vom Start bis zum Ziel. Auf ihrem Rücken trug auch sie einen Rucksack. Den Vierbeiner entdeckten die beiden Flemminger vor vier Jahren in Mertendorf. Frieda lief herrenlos herum, schien nicht wirklich einen treu sorgenden Besitzer zu haben. So wurde sie von Uta Glaser und Roland Roßner adoptiert. Beide im Ruhestand und verwitwet hatten sich zuvor bei einem Englischkurs im Naumburger Luisenhaus kennengelernt.
Viel Hilfsbereitschaft erlebt
Während Frieda zum Fotostar avancierte, von anderen Pilgern bestaunt und sogar von einem spanischen Fernseh-Team gefilmt wurde, erlebten ihr Herrchen und Frauchen die Zufriedenheit eines einfachen Lebens, eindrucksvolle mittelalterliche Städte, atemberaubende Landschaften sowie Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Viel hatten sie nicht im Gepäck. Etwas Kleidung, Reiseführer, Wasser und das Zelt. Jeder Kilo wiegt schwer auf den Tagestouren, die meist eine Strecke zwischen 20 bis 25 Kilometer umfassten.
Begegnungen bereichern
Pech hatten sie in der Schweiz, als sie sich verliefen, in Frankreich, als ihnen das Handy geklaut wurde. Am Madrider Flughafen auf der Rückreise blieb ebenfalls Technik zurück, so dass die beiden kaum über eigene Fotos verfügen. Doch auch da erweisen sich Begegnungen als wertvoll. „Wir haben von Mitstreitern eine CD mit Bilder erhalten“, berichtet Ute Glaser. Und die Liste an Beweisen der Hilfsbereitschaft ließe sich weiter fortführen. Mal bekamen sie spontan eine Übernachtungsstätte, wurden sie bei Regen zum Zeltplatz gefahren. In der Schweiz reichte ihnen eine Frau auf einem Bauernhof einen selbst gebackenen Schokoladen-Kuchen. Das bekannte Muschel-Symbol, am Rucksack befestigt, zeigte, dass sie Pilger waren.
Neben den Begegnungen mit Menschen aus aller Herren Länder, die ihre vielfältigen Lebensgeschichten erzählen konnten, gehören zu den Erlebnissen auch eindrucksvolle Landschaften und Orte, wie das Berg-Dreigestirn Eiger-Mönch-Jungfrau in der Schweiz und die französische Stadt Le Puy-en-Velay, deren Kathedrale zum Weltkulturerbe zählt. „Wir hatten nie den Gedanken, umzukehren oder es nicht zu schaffen“, bemerkt Roßner, der als Tischler gearbeitet hat und gebürtig aus Apolda stammt.
Obwohl beide keinem Glauben angehören, habe sie dieses Thema auf der Tour durch halb Europa begleitet, wie der Flemminger weiter erzählt. Wie auch die Gedanken von einem einfachen und zufriedenen Leben. „Man spürt Freiheit, beschränkt sich auf das Wesentliche. Wir brauchten vier Wochen, um uns wieder einzupassen“, so Ute Glaser. Für all jene, die eine Pilgertour planen, haben die zwei Flemminger gute Tipps: „Eine gute Planung, nicht so viel Gepäck und vor allem gute Schuhe“, sagt Roßner. Wer ebenfalls einen Hund mitführt, sollte zudem beachten, dass in Spanien Herbergen verboten ist, Hunde aufzunehmen.
Die nächste besondere Reise haben sie schon im Hinterkopf. Diesmal geht es wieder mit dem eigenen Faltboot auf einen Fluss: die Loire. Denn Frankreich hat sie schlichtweg verzaubert.
