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Hotel "Zentral" in Teuchern Hotel "Zentral" in Teuchern: Vom ersten Haus am Platz zur hässlichen Ruine

Von Anka Stolper-Heinike 09.12.2017, 15:30
Was für ein trauriger Anblick. Das „Zentral“ ist vom schönsten zum hässlichsten Gebäude am Teucherner Marktplatz geworden.
Was für ein trauriger Anblick. Das „Zentral“ ist vom schönsten zum hässlichsten Gebäude am Teucherner Marktplatz geworden. Peter Lisker

Teuchern - Einst war es das beste und wahrscheinlich auch das imposanteste Haus am Platz. Heute ist das ehemalige Kulturhaus „Zentral“ der Schandfleck mitten im Herzen von Teuchern. Nichts ist mehr vom Glanz früherer Jahre geblieben - nur noch ein leeres Vorderhaus, dessen Fenster seit über 27 Jahren nicht mehr hell erleuchtet sind. Den großen Saal gibt es schon gar nicht mehr. Er wurde aus Sicherheitsgründen vor einigen Jahren abgerissen.

Der trostlose Anblick des „Zentral“ lässt auch das Herz von Manfred Gießler bluten. Denn der engagierte Heimatforscher und Stadtrat kennt die wechselvolle Geschichte des Hauses. In alten Aufzeichnungen sei es bereits 1856 als „Gasthof zu Teuchern“ erwähnt worden. 1868 wurde es in „Gasthof zum Löwen“ umbenannt.

Kulturhaus „Zentral“ in Teuchern: Einst bekanntester Gasthof der Stadt

Doch der Name bewahrte das Gebäude nicht vor dem Abriss. Um 1910 errichtete man das heute stehende Haus. Das „Hotel zum Löwen“ wurde schnell zum bekanntesten Gasthof der Stadt. Manfred Gießler hat beim Studium verschiedener alter Aufzeichnungen herausgefunden, dass Gäste sogar mit einer eigenen Pferdekutsche vom Bahnhof Teuchern abgeholt wurden.

Die Vereine von Teuchern präsentierten sich im Saal. „Es hat sogar Theater-Spiele gegeben“, so Manfred Gießler. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Saal im „Löwen“ zunächst auch als Turnhalle genutzt. Doch nachdem der Saal der früheren HO (Handelsorganisation)-Gaststätte „Weltfrieden“ Anfang 1959 mit dem Einverständnis der Stadtoberen zur Turnhalle umgebaut wurde, verhalfen Bauleute dem Saal und auch der Gaststätte vom „Löwen“ zu einem neuen und frischeren Aussehen.

Haus als HO-Gaststätte „Zentral“ wiedereröffnet

Am 4. September 1959 wurde das Haus als HO-Gaststätte „Zentral“ wiedereröffnet. Die ehemalige „Diele“ des „Hotels zum Löwen“ wurde später ebenfalls umgebaut und in „Bauernstube“ umbenannt. Die Umbenennung in „Zentral“ wurde in der Sitzung des Rates der Stadt vom 26. Juni 1959 beschlossen, weil Teuchern zukünftig das Zentrum eines so genannten Zentraldorfes werden sollte. In den sechziger Jahren fanden im Saal zahlreiche Veranstaltungen vom damaligen Gewerbeverein statt. „In dieser Zeit war der Saal auch eine Hochburg des Karnevals“, berichtet Manfred Gießler.

Für Brigitta Müller war das „Zentral“ noch viel mehr. Die Teuchernerin hat dort nämlich 35 Jahre lang gearbeitet, erst als Kellnerin und bis zum Oktober 1989 sogar als Objektleiterin. Heute würde man sagen, dass sie die Chefin des Kulturhauses war. „Unser Haus war fast täglich voller Menschen. Die 47 Plätze im Gasthaus waren immer besetzt. Da hatten wir mit neun Leuten immer gut zu tun, um sie zu versorgen“, erinnert sich Brigitta Müller. Sie erzählt, dass die beiden Köchinnen zum Mittagessen deutsche Hausmannskost gezaubert haben.

Kulturhaus „Zentral“ in Teuchern: 300 Gäste zusätzlich zur Gaststube zu versorgen

Im Saal nebenan hätten nachmittags und abends viele Werktätige der Produktionsgenossenschaften (PGH) und der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sowie natürlich viele junge Leute gefeiert. „Da waren 300 Gäste zusätzlich zur Gaststube zu versorgen“, erzählt Brigitta Müller. Ob Hochzeit, Jugendweihe oder Betriebsfeier - im „Zentral“ war immer etwas los.

Besonders viel zu tun habe ihr Gaststätten-Team rund um Weihnachten und Silvester gehabt. „Da hatten wir am 24. Dezember bis 14 Uhr geöffnet. Und an den beiden Weihnachtsfeiertagen gab es Mittagstisch und Abendessen“, berichtet Brigitte Müller.

Kulturhaus „Zentral“: Schlagergrößen wie Roland Neudert, Ute Freudenberg oder Dagmar Frederik traten hier auf

Mareike Benecke, die Tochter von Vierfach-Mutter Brigitta Müller, kann sich noch gut an die Veranstaltungen beim traditionellen Teucherner Parkfest erinnern. Da traten im Saal des „Zentral“ solche Schlagergrößen wie Roland Neudert, Ute Freudenberg oder Dagmar Frederik auf. Und zur Disco sei sie immer ins „Zentral“ gegangen. „Das war wirklich eine tolle Zeit“, erinnert sich die 48-jährige Friseurmeisterin.

Weniger toll waren die letzten 27 Jahre des einst stolzen Hauses, für das sich seit seiner Schließung 1990 keine neue Verwendung gefunden hat. 2002 verkündete der damalige Bürgermeister Lothar Gieler vollmundig den Umbau des „Zentral“ zum multifunktionalen Haus mit Bibliothek, Seniorenclub mit Wintergarten und Reinhard-Keiser-Gedenkstätte. Ein Jahr später ruderte Gieler zurück. Das Projekt sei zu teuer.

Pläne für ein altersgerechtes Wohnen im früheren „Zentral“

Und auch die nach einem mit knapp 60.000 Euro geförderten Architektenwettbewerb geschmiedeten Pläne für ein altersgerechtes Wohnen im früheren „Zentral“ sind wieder in der Schublade verschwunden, weil dem Investor, der Diakonie Naumburg-Zeitz doch das Geld fehlt. Was aus dem einst ersten Haus am Platz wird, steht nun wieder in den Sternen.

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Diese alte Postkarte zeigt das Hotel in seiner früheren Pracht. Direkt daneben lag das Kaufhaus von Albin Schieke.
Diese alte Postkarte zeigt das Hotel in seiner früheren Pracht. Direkt daneben lag das Kaufhaus von Albin Schieke.
Manfred Gießler
Blick in den Saal des ehemaligen „Hotel zum Löwen“. 1919 wurde das Gebäude errichtet und schnell zum bekanntesten Haus der Stadt.
Blick in den Saal des ehemaligen „Hotel zum Löwen“. 1919 wurde das Gebäude errichtet und schnell zum bekanntesten Haus der Stadt.
Manfred Gießler