Historische Post- und Ansichtskarten Historische Post- und Ansichtskarten: Fröhliche Weihnachten!

Am Ausgang des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte ein damals noch recht junges Medium seine Glanzzeit, die Ansichtskarte. Bereits 1760 hatten private Postunternehmen der Stadt Paris und bald danach auch in Wien „offen lesbare Mitteilungen“ eingeführt, die innerhalb dieser Städte versendet werden konnten.
1861 verabschiedeten die USA ein Gesetz, welches erlaubte, privat gedruckte Postkarten mit der Post zu verschicken. John P. Charlton aus Philadelphia ließ sich im Dezember 1861 seine erste Postkarte unter dem Namen „Lipman’s Postal Card“ urheberrechtlich schützen. 1865 durften im Königreich Preußen und damit auch in Naumburg und Umgebung offen lesbare Karten, die auch als Avis- oder Drucksachenkarte bezeichnet wurden, versendet werden.
Ein wesentlicher Schritt in der Geschichte der Post- und Ansichtskarten wurde die Erfindung der „Correspondenz-Karte“ durch den österreichischen Nationalökonom Emanuel Herrman (1839-1902) für die österreichisch-ungarischen Post am 1. Oktober 1869. Professor Hermann versprach sich davon vor allem volkswirtschaftliche Vorteile. Für eine sehr geringe Gebühr sollten kurze Mitteilungen mit bis zu 20 Wörtern auf einer offenen Karte versendet werden können. Heute erinnert das an den elektronischen Mikroblogging-Dienst „Twitter“. Die ersten Postkarten dieser Art waren 8,5 mal 12,2 Zentimeter groß und hatten eine aufgedruckte Briefmarke. Bereits in der Anfangszeit wurde eine vor 9 Uhr in Wien und in den Vororten aufgegebene Korres-pondenzkarte noch am selben Tag in diesem Gebiet zugestellt, in der Monarchie im Regelfall am kommenden Tag. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein sollte die Postkarte international vor allem im Wirtschafts- und Amtsverkehr wichtigster Nachrichtenübermittler sein.
Anfänge liegen im Dunkeln
Eine Seite der Karte war ursprünglich nur für die Adresse, die andere für die Mitteilungen bestimmt. Diese Form sollte sich später auch noch eine Weile bei den Ansichtskarten einbürgern. Ab 1905 wurde schließlich im Deutschen Reich die Adressseite in der Mitte geteilt, um damit Raum für die schriftliche Mitteilung zu gewinnen. 1907 setzte sich dieses Prinzip für die Post- und Ansichtskarten endgültig auch international durch. Die „Postkarte“ in Deutschland war durch den „Norddeutschen Bund“ 1870 eingeführt worden und bereits während des Deutsch-Französischen Krieges kamen im Dezember 1870 etwa zehn Millionen Exemplare davon auf den Postweg. Waren bisher Postkarten ausschließlich für eine knappe Korrespondenz ohne Illustration vorgesehen, sollte sich dies bald ändern.
Die Anfänge einer bebilderten Postkarte, also einer Ansichtskarte, liegen weitgehend im Dunkeln. Eine Karte aus Worms mit ganzseitigem Bild, eine grafische Einladung zu einer Treibjagd, die ohne Umschlag offen mit der Post am 5. Dezember 1866 verschickt wurde, gilt derzeit als das älteste bekannte Exemplar innerhalb der deutschen Staaten. Das Bild des Klosters Melk in Österreich 1869 gilt als erste Ansichtskarte der Welt, auf der ein historisches Gemäuer abgebildet wurde. Der Drucker und Buchhändler August Schwartz in Oldenburg ließ am 16. Juli 1870, nur wenige Tage nach der amtlichen Einführung der Postkarte im Norddeutschen Bund, Karten mit einem kleinen Bildchen als Holzstich drucken und verschickte ein erstes Exemplar davon nach Magdeburg. Auch eine Ansichtskarte aus unserer Region, die 1874 gedruckte Abbildung der Rudelsburg an der Saale, zählt immerhin zu den frühesten Ansichtskarten der Welt.
Mit dem Druck der ersten Ansichtskarten entwickelte sich schnell das Bedürfnis, diese ähnlich wie Münzen oder Briefmarken zu sammeln und damit zu bewahren. Bereits 1898 tauchte in diesem Zusammenhang der Begriff „Philokartie“ (Postkartenkunde) als Fachbegriff für dieses Sammelgebiet auf. Die Bilder auf den frühen Ansichtskarten waren Zeichnungen, die überwiegend im Druckverfahren der Lithografie übertragen wurden. Dieser Druck von einem Stein (Lithos) ist ein recht aufwendiges Flachdruckverfahren, welches im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts seine Blütezeit hatte und bald auch in Farbe erfolgte. Später wurde die Lithografie von moderneren sowie effektiveren Verfahren abgelöst, welche auch den Druck von Fotografien beförderten. 1871 hatte auch die neugegründete Deutsche Post im jungen Deutschen Kaiserreich eigene Glückwunsch- und Ansichtskarten herstellen lassen. Es sollte allerdings noch einige Jahre dauern, bis diese richtig populär waren. Besonders beliebt wurden Ansichtskarten mit Grüßen von Ausflügen und Reisen, aber auch besonders häufig mit Ansichten aus dem eigenen Wohnort als eine Form der Heimatverbundenheit. Ein besonderes Gebiet wurde die Produktion von Glückwunschkarten für Geburtstage und für andere feierliche Anlässe und Feiertage.
Große Ansichtskarten-Verlage sowie regionale Anbieter überschlugen sich bald mit der Produktion von Ansichtskarten in unterschiedlicher Qualität auch zum Thema Weihnachten und Neujahr. Für verschiedene Orte, Unternehmen oder beliebte Tourismusziele wurden um 1900 die bereits vorgedruckten Ansichtskartenmuster zum Jahresende mit einer typischen regionalen Sehenswürdigkeit kombiniert. So geschah das auch bei der Ansichtskarte mit einer goldenen Glocke am verschneiten Tannenzweig, in welche eine Ansicht des Naumburger Doms hineingedruckt wurde: „Fröhliche Weihnachten sendet Euch liebe Eltern Emse dankbare Gustav Anna“, ist auf der Bildseite zu lesen. Geschrieben am 24.Dezember 1907 in Naumburg und mit Poststempel vom 25. Dezember1907 versehen. Die Eltern in Saubach werden auf dem „Schreibraum für Inland“ bei dieser Gelegenheit gemahnt, sich doch endlich mal wieder zu melden, da ein Brief bisher unbeantwortet geblieben war.
Deutsche Kurrentschrift
Der Text ist in der klassischen deutschen Kurrentschrift verfasst, welche seit Jahrhunderten die übliche Verkehrsschrift war und die sich in ihrer Geschichte mehrfach in Nuancen gewandelt hatte. Umgangssprachlich wird die Schrift heute gerne als „Sütterlin-Schrift“ bezeichnet. Diese erst 1911 künstlich entwickelte Schrift ist allerdings nur eine Sonderform der deutschen Kurrentschrift und wurde nur kurzzeitig in Preußen und später im Deutschen Reich genutzt. Eine vorgefertigte Ansichtskarte mit „Prosit Neujahr!“ und eingefügtem Motiv vom Marientor in Naumburg war an Albert Gerlach, Kohlenhandlung in Freyburg a./U. gerichtet, die am 29. Dezember 1909 in Naumburg gestempelt wurde. Kurz und knapp heißt es auf der Rückseite: „Zum neuen Jahre herzl. Glückwunsch G. Jähnert.“
Urform einer frühen Glückwunschkarte zu Weihnachten ist eine Ansicht mit drei gezeichneten und lithografisch gedruckten festlichen Motiven, gerichtet an „Fräulein Sophie Pinder in Naumburg a/d Saale Grochlitzerstraße“. Da zu dieser Zeit eine Kartenseite ausschließlich für Adressangabe sowie Porto und Poststempel vorbehalten blieb, war nur auf der Bildseite ein kleines Feld für eine handschriftliche Nachricht frei: „Fröhliche Weihnachten! Wünscht von ganzen Herzen meinen geliebten Pinderchen Eure einsame Freundin in Weimar“. Sophie Pinder (1846-1924) in der Grochlitzer Straße 2/3 ist eine Schwester von Wilhelm Pinder (1844 in Naumburg-1928 in Kassel). Dieser war ein enger Jugendfreund von Friedrich Nietzsche (1844-1900) in Naumburg, dessen Schwestern Sophie und Marie wiederum seit Kindertagen eng befreundet mit Nietzsches Schwester Elisabeth (1846-1935) waren. Kurz nach dem Tod der Mutter in Naumburg hatte Elisabeth Förster-Nietzsche im April 1897 mit ihrem schwer erkrankten Bruder Friedrich der Domstadt den Rücken gekehrt. Das mütterliche Haus am Weingarten war verkauft worden. Abgestempelt ist die Karte am 24.Dezember 1897 in Weimar mit einem Postausgangsstempel, einen Tag später ist sie mit einem Eingangsstempel in Naumburg versehen. Die Post wurde offenbar am ersten Weihnachtsfeiertag bearbeitet und ausgetragen.


