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Heiße Ware Heiße Ware: Blick in eine der letzten Böttchereien in Deutschland

Von Julius Lukas 31.12.2018, 14:00
Damit das Holz beim „Nachbrennen“ nicht reißt, muss Alexander Romberg es bewässern
Damit das Holz beim „Nachbrennen“ nicht reißt, muss Alexander Romberg es bewässern Andreas Stedtler

Roßbach - Mit dem Wasser aus dem Gartenschlauch kühlt Alexander Romberg das Fass noch ein wenig. Er sieht dabei wie ein Gärtner aus, der seine Tulpenbeete gießt. Obwohl: etwas konzentrierter wirkt der junge Mann schon. Ganz nah geht er an das Holz heran, streicht über seine Oberfläche. „Handwarm“, murmelt Romberg und greift erneut zum Wasserschlauch.

Die fünf Zentimeter dicken Eichenholz-Dauben, die unter großem Kraftaufwand und mit vielen Hammerschlägen zu einem Fass gebogen wurden, dampfen, wenn Romberg sie besprüht. Denn in dem Fass lodern kleine Flammen. „Wir feuern gerade nach“, erklärt er. Durch das Biegen sei viel Spannung im Holz. „Die wird durch das Erhitzen rausgenommen.“

Holz, Feuer, Muskelkraft: Die Böttcherei, also die Kunst der Fassherstellung, ist ein richtiges Handwerk - und ein altes noch dazu. Fässer wurden bereits von den Kelten gebaut. Doch wie so viele andere Handwerke drohte auch die Böttcherei der Modernisierung zum Opfer zu fallen. In der Weinherstellung, wo die meisten Fässer gebraucht werden, zogen in den 60er Jahren Edelstahl-Tanks in die Keller ein. Holzfässer wurden zum Auslaufmodell.

Diese Zeit allerdings ist vorbei, meint Carsten Romberg - der Vater des Fass-Bauers. Er steht etwas abseits des Feuers und schaut in die Flammen. Mit seinem Sohn betreibt er in Roßbach nahe Naumburg (Burgenlandkreis) eine der letzten Böttchereien in Deutschland: „Es gibt außer uns noch fünf Kollegen, die große Weinfässer bauen“, sagt der 53-Jährige. Ihr Handwerk wäre fast ausgestorben, nun lebt es jedoch wieder auf.

Denn die Fässer sind begehrt: „Ein Winzer, der seinen Wein richtig entwickeln will, kommt um das Holzfass nicht herum“, meint Carsten Romberg. Denn anders als der Edelstahltank sei Holz durchlässig - nicht für Flüssigkeiten, aber für Luft. „Das Fass atmet und erlaubt eine Oxidation, durch die der Wein weiter reift.“ Vor allem bei roten Säften lohne es sich, sie „auf das Fass zu legen“. Hinzu kommen noch besondere Sorten, wie der Barrique-Wein. Dessen Geschmack entsteht durch die Röstung des Fasses. Das wird innen mit einem Feuer „getoastet“ - je nach Wunsch von hellbraun-knusprig bis dunkelbraun-kross. Die so erzeugten Röststoffe gehen dann in den Wein über.

Bis zu 50 Fässer im Jahr

Viele seiner Fässer verkauft Carsten Romberg in der Region. „Die Winzer an Saale und Unstrut sind wieder bereit, ihrem Wein mehr Zeit zum Reifen zu geben“, sagt der Böttcher. Nach der Wende hätten sich erst langsam Kleinbetriebe angesiedelt. „Damals investierte kaum jemand sofort in große Fässer“, sagt Romberg. Denn Edelstahl sei preiswerter und auch in der Pflege leichter zu handhaben. „Mittlerweile allerdings haben sich die Weingüter etabliert und Qualität spielt eine größere Rolle.“

Das Fass, dem gerade von Alexander Romberg eingeheizt wird, bleibt allerdings nicht in der Region. Der 1 200-Liter-Behälter geht zu einem Winzer nach Rheinland-Pfalz. „Wir bauen im Jahr zwischen 30 und 50 Fässer, die wir deutschlandweit verkaufen.“ Produziert wird dabei nie auf Vorrat, sondern immer nach Auftrag. Denn jedes Fass ist eine Maßanfertigung. Das Holz dafür bekommt Carsten Romberg aus dem Landesforst Sachsen-Anhalt. „Dort kann ich mir die Stämme direkt im Wald aussuchen“, sagt er. Bei Weinfässern wird fast ausschließlich Eiche verwendet, weil die am langlebigsten ist und den Luftaustausch gut ermöglicht. Außerdem haben Eichen einen geraden Wuchs und sie sind auch nicht so astreich - denn Äste sind der natürliche Feind des Böttchers, weil sie die Struktur der Daube schwächen.

In seiner Werkstatt zerteilt Romberg die mächtigen Stämme zuerst in fünf Zentimeter dicke Bohlen und anschließend in schmalere Dauben - also Bretter, die später die Wand des Fasses bilden. „Wichtig ist, sich das Holz genau anzuschauen“, sagt der 53-Jährige und streicht über eine der Bohlen. Es ist ein sanftes Streicheln - neben dem optischen Eindruck spielt auch die Haptik eine Rolle: Wie fühlt sich das Holz an, wie sieht es aus? Sind Verfärbungen zu erkennen, die auf eine Pilzinfektion hindeuten, müssen die rausgeschnitten werden - gleiches gilt für Bereiche, die Äste enthalten.

Von den breiten Bohlen bleibt so nur noch wenig übrig. Und diese Auslese macht das Fass teuer. Etwa 2,30 Euro pro Liter Inhalt kostet ein Behälter. Dafür allerdings können die Fässer auch mindestens 30 Jahre lang im Weinkeller genutzt werden. „Ich kenne aber auch Exemplare, die schon 100 Jahre lang mit Wein befüllt werden“, sagt Carsten Romberg.

Zum Böttcher wurde Romberg durch einen Rat seiner Großmutter. „Weil ich mich für Holz interessierte, schlug sie mir das vor“, erzählt er. In den Schulferien arbeitet er dann bei einem Böttcher aus Naumburg. Die großen, alten Fässer beeindruckten ihn so sehr, dass er entschied, das Handwerk zu erlernen.

Nach der Wende allerdings waren Böttcher kaum noch gefragt. Carsten Romberg suchte sich andere Arbeitsfelder. Er gründete eine Firma für Innenausbau, die in Spitzenzeiten acht Mitarbeiter hatte. „Doch die Zahlungsmoral der Kunden im Baugewerbe war nicht sehr hoch“, sagt er. Es gab oft Streitigkeiten. „Und außerdem war die Liebe zur Böttcherei immer vorhanden.“

Und auch die Nachfrage wuchs wieder. Mitte der 2000er Jahre häuften sich die Anfragen der Winzer. In der Region wusste man, dass er das Handwerk beherrscht. „Ich habe dann die Böttcherei nebenbei wieder angefangen“, erzählt Romberg. Doch von Jahr zu Jahr wuchs das Geschäft, und irgendwann wickelte Romberg seine Trockenbaufirma ab und widmete sich nur noch der Fassherstellung.

Daumen kaputt, Sohn an Bord

Diesen Schritt hat er bis heute nicht bereut. Nur die Nachwuchssorgen wurden in den letzten Jahren immer größer. Für Böttcher gibt es zwar eine Ausbildungsklasse - allerdings teilen sich diese Deutschland und Österreich. „Wenn pro Jahr ein Lehrling die Prüfungen besteht, sind wir schon froh“, sagt Romberg. Um Hilfe muss er sich also immer selbst kümmern. Einen dauerhaften Mitarbeiter fand er lange nicht. Dann allerdings half ihm ein Unglück: Ein Geschäftsmann aus Frankfurt ließ 2013 bei ihm ein 9 000-Liter-Fass bauen - um es als Verkaufsstand auf dem Weihnachtsmarkt zu nutzen. Beim Biegen der Dauben schlug Romberg mit einem Zwei-Kilo-Hammer daneben und zertrümmerte sich den Daumen. „Das Fass musste aber fertig werden, und ich brauchte Hilfe“, erinnert sich der Böttcher.

Deswegen holte er am selben Abend noch seinen Sohn zu sich. Gemeinsam arbeiteten sie am Fass weiter. Und Alexander Romberg, der eigentlich gelernter Medizinisch-Technischer Assistent ist, kam auf den Geschmack. „Ich war damals ohnehin mit meinen Job unzufrieden“, sagt er. Der Wechsel in den Betrieb des Vaters fiel ihm also nicht schwer.

Heute ist er über die Entscheidung von damals noch immer glücklich. „Die Böttcherei ist zwar ein anstrengendes Handwerk, aber sie hat Zukunft“, meint Romberg junior. Und sein Vater sagt lächelnd: „Dass mein Sohn jetzt hier mitarbeitet, war den kaputten Daumen wert.“

Warum sind Fässer rund?

Der wichtigste Grund für die runde Form von Fässern ist, dass sie dadurch leichter zu bewegen sind. Wären sie eckig, müsste man sie tragen. So kann man sie rollen. Außerdem ist die Fassform platzsparend. Hinzu kommt, dass sich im Wein enthaltene Schwebstoffe am Fassboden auf einer vergleichsweise kleinen Fläche ansammeln und so gut entfernt werden können.

Die ersten aus Holzdauben zusammengesetzten Fässer wurden von den Kelten entwickelt. Nachgewiesen ist das ab etwa 50 vor Christus. Allerdings geht man in der Forschung davon aus, dass die Kelten auch zuvor bereits Fässer nutzten. Schon in antiken Erzählungen, etwa des Historikers Herodot (482-425 v. Chr.), werden die runden Behälter erwähnt. Die Römer übernahmen die Fertigung der Fässer von den Kelten und erhielten so die Form.

Die meisten Fässer werden heute aus Eichenholz hergestellt. Der Anteil liegt bei über 90 Prozent. Für die Reifung von Bränden wie Grappa werden allerdings auch andere Holzsorten verwendet - zum Beispiel Birne oder Esche. Fässer kann man in drei Arten unterteilen: Rundfass (charakteristische Form), Trommelfass (kürzer als der Bauchdurchmesser) sowie Ovalfass (höher als breit). (mz)

Vater Carsten Romberg sägt die Holzdauben zurecht
Vater Carsten Romberg sägt die Holzdauben zurecht
Andreas Stedtler