Geschichte Geschichte : Amerikaner erreichen das Wethautal

Löbitz - Bilder flimmern über die Leinwand: Vor Beuditz bringen deutsche Soldaten, die sich inzwischen ergeben haben, einen verwundeten Kameraden zu den US-Soldaten. Danach erreichen leichte US-Panzer das Dorf Löbitz, überqueren schließlich die Autobahn in Richtung Zeitz. Aufgenommen wurden sie von Russ Meyer (1922-2004). Der spätere Filmproduzent, Drehbuchautor und Regisseur, der mit seinen Filmen aufgrund deren Sex-Potenzial in den 60er-Jahren weltweiten Kultstatus erreichte, war im Frühjahr 1945 als Kriegsberichterstatter und Kameramann für die US-Army unterwegs. Auch im Wethautal filmte Meyer, hielt das Geschehen der von Thüringen her zur Mulde vorrückenden US-Army in dokumentarischen Bildern fest.
Aufgespürt hat sie der in der Nähe von Nürnberg lebende Militärhistoriker Jürgen Möller. Der frühere NVA- und Bundeswehroffizier beschäftigt sich seit 2001 mit der Geschichte Mitteldeutschlands der Jahre 1944 und 1945. Dazu hat er mehrere Bücher veröffentlicht. Auf Einladung des Heimatvereins Wethautal stellte Möller im Löbitzer Kulturhaus seine Forschungsergebnisse zum Einmarsch der Amerikaner im Wethautal 1945 vor.
Stühle im Saal reichen nicht aus
Und das Interesse war überaus groß, wie Vereinsmitglied Lothar Meirich in seiner Begrüßung erfreut feststellen konnte. Die Plätze reichten nicht aus, weitere Stühle mussten in den Kulturhaus-Saal getragen werden. „Dieses Thema hat bislang in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle gespielt“, sagte Meirich. „Wohl auch, weil nach dem Abzug der Amerikaner die Region - wie auch andere Gebiete - entsprechend der Festlegung der Alliierten von der Sowjet-Armee übernommen wurde.“
Linie zwischen V. und XX. Corps
Mit zwei Corps, dem V. der 1. US-Armee im nördlichen Teil und dem XX. der 3. US-Armee im südlichen Teil, rückten die Amerikaner von Westen her in das Saale-Unstrut-Gebiet vor. „Die Unstrut diente dabei gewissermaßen als Trennlinie zwischen beiden Verbänden, die sich dann auch weiter durch das Wethautal ziehen lässt“, so Möller. Nachdem die US-Truppen am 11. April 1945 Bad Kösen erreicht hatten, begann einen Tag später, von Naumburg kommend, der Vormarsch in Richtung Wethautal.
Den südlichen und damit den Hauptteil der Region hatten die 6. Panzerdivision unter General Crow und nachfolgend die 76. Infanteriedivision unter General Schmidt vor sich. Dabei trafen sie in den Dörfern kaum noch auf Widerstand. Möller: „Um 9.55 Uhr erreichten die Truppen Casekirchen, um 10.20 Uhr Cauerwitz. In Löbitz marschierten sie gegen 12 Uhr ein, wobei der Ort keinen Widerstand leistete. Bürgermeister Fritz Schmidt hatte erreicht, dass das Flak-Geschütz nicht zum Einsatz kam. Auch die Soldaten, die sich im Rittergut befanden, setzten sich nicht zur Wehr. Die Einwohner hatten die weißen Fahnen gehisst. Auf dem weiteren Vormarsch wurden zwischen Löbitz und Pauscha zwei deutsche Soldaten getötet.“
Emissär nach Osterfeld entsandt
Weitere Dörfer im südlichen Bereich Naumburgs, die am 12. April 1945 von der 6. Panzerdivision und der 76. Infanteriedivision eingenommen wurden, sind Leislau, Abtlöbnitz, Meyhen, Mertendorf, Wetterscheidt, Wettaburg und Beuditz. In Haardorf trafen die US-Soldaten gegen 11.15 Uhr ein. Dort wurde ein Emissär nach Osterfeld entsandt. Er sollte der Stadt die kampflose Übergabe empfehlen. Diese kam aber zunächst nicht zustande. Zwar willigte der Osterfelder Bürgermeister ein, ein deutscher Offizier lehnte die Übergabe jedoch ab. „Von Haardorf rückten die Truppen in Richtung Roda und Autobahn vor, wobei ein Panzer durch eine deutsche Panzerfaust zerstört und ein US-Soldat getötet wurde. Nahe Haardorf kam es zu einem Gefecht“, so der Militärhistoriker weiter. Am frühen Nachmittag wurden dann Weickelsdorf und Roda eingenommen. Nach Artilleriebeschuss standen die US-Truppen gegen 14.30 Uhr an der Hassel. Osterfeld nahmen sie gegen 15.30 Uhr ein. Nun doch kampflos, weil Bürgermeister und Einwohner nach der Flucht des deutschen Offiziers die weißen Fahnen aus den Fenstern hängen konnten. Am Abend des 12. April zogen die US-Soldaten schließlich in Droyßig ein.
Vormarsch auf nördlicher Flanke
Auf der Flanke nördlich von Naumburg drangen ebenfalls am 12. April 1945 zunächst die 9. Panzerdivision unter General Leonard und folgend die 69. Infanteriedivision unter General Reinhardt des V. Corps vor. In Wethau war zwar von Deutschen die Wethau-Brücke zur Sprengung vorbereitet worden, US-Soldaten konnten die Sperre jedoch mit einfachen Mitteln überwinden. Gegen 13.45 Uhr nahmen sie Punkewitz ein, rückten weiter vor nach Stößen sowie Krössuln und erreichten am Nachmittag auf dem Weg nach Zeitz Teuchern.
Schwierig, so schilderte Möller im zweiten Teil seines Vortrages, gestaltete sich dagegen die Einnahme von Zeitz. Denn die Amerikaner besaßen Karten, in denen die Tagebaue nicht genau eingezeichnet waren. Vor allem aber wurden sie von zahlreichen Flak-Stellungen, so der 14. Flak-Division mit der Flak-Gruppe Böhlen-Zeitz, unter Beschuss genommen.
Zeit bis 30. Juni wenig erforscht
Bis zum 30. Juni 1945 war das Wethautal - wie auch die anderen von den US-Soldaten inzwischen eingenommenen Gebiete östlich von Elbe und Mulde - Besatzungsgebiet der US-Armee. Sie hatte für Ruhe und Ordnung zu sorgen, aber auch für Verpflegung und Trinkwasser. „Diese Zeit“, so Möller abschließend, „ist allerdings noch viel zu wenig unter regionalem Geschichtspunkt erforscht und dargestellt worden.“