Dorfreport Kaatschen Dorfreport Kaatschen: Kleiner Ort in Thüringen liegt gleich um die Ecke

Es ist erstaunlich, dass den Dorfreport-Schreibern der kleine Ort Kaatschen in den vielen Jahren des Burgenland-Journals bislang entgangen ist. Manches Dorf schaffte es schon dreimal auf diese Seite - Kaatschen noch nie. Wie das? Es mag an der Landesgrenze liegen, an der im realen Leben mitunter die Wahrnehmung endet. Dabei gehört Kaatschen auch irgendwie zu uns. Nicht zu Sachsen-Anhalt, das möchte man einem stolzen Thüringer nicht antun, aber wohl zu Saale-Unstrut.
Von Kleinheringen sind es entlang des Dachsberges auf gemütlichem Pfad nur ein paar Kilometer nach Kaatschen. Wer von der Straße aus Richtung Saaleck kommt, biegt gleich hinter der vor gar nicht allzu langer Zeit erneuerten Stahlbrücke kurz vorm thüringischen Großheringen scharf nach links ab und ist flugs am Ziel. Kaatschen ist also gleich um die Ecke. Und dann wäre da vor allem der Wein, der das kleine Dorf ganz nah an uns heranrücken lässt. So wie Bad Sulza oder Sonnendorf, das - wer sagt’s denn - schon den Weg auf diese Seite gefunden hatte.
Bleiben wir gleich beim Wein, denn er ist es, der dem kleinen Kaatschen stets ein volles Haus besorgt. Weinfreunde, ob radelnd, wandernd oder vom Wasser kommend, strömen bei schönem Wetter zuhauf durchs Dorf, um schließlich ein Plätzchen bei Zahns zu erhaschen. Am besten auf der Terrasse direkt an der Saale - doch meist ist dort schon alles besetzt. Man kann wohl behaupten: Ohne die Winzerfamilie wäre Kaatschen ein Dorf wie die meisten - verschlafen und irgendwie weg von Schuss. „Mancher im Dorf wird uns sicherlich verfluchen, wenn’s mal wegen der Gästezahl und Produktion turbulent und laut wird, aber alles in allem ist es ein Geben und Nehmen“, schätzt Juniorchef André Zahn ein. Und jetzt, da die Saison beginnt, ist er wieder da, der Trubel.
Ein Sachsen-Anhalter weniger
Seit 1964 bewirtschaftet die Familie den angrenzenden Dachsberg - mittlerweile in dritter Generation. Und in dieser haben sich familiäres und unternehmerisches auf idealerweise gefügt: Juniorchef André Zahn ist der Winzer im Hause, seine Schwester Elvira nebst Ehemann Torsten General die Betriebswirtschaftler, die auch das Restaurant managen. Hinzu gesellen sich noch jeweils fünf Angestellte in Restaurant und Weingut, in letzterem zudem ein Auszubildender. Nicht zu vergessen - wenngleich der Generationenwechsel mit Beginn des Jahres formell vollzogen wurde - Seniorchef Hartmut Zahn und Frau Christina. Sie hatten das Weingut 1998 gegründet, zuvor war es eine Straußwirtschaft.
Und Zahns schlagen in Kaatschen weitere Pflöcke ein, haben ein benachbartes Grundstück und eines schräg gegenüber erwerben können, alte Häuser abgerissen und zwei neue gebaut. Eines verklinkert, das andere mit eleganter Holzfassade. Elvira Zahn-General und Ehemann Torsten, die bislang noch im Zahn’schen Stammhaus wohnen, werden nebenan einziehen, in das andere Winzer André Zahn. Womit Sachsen-Anhalt einen Einwohner weniger hat, denn noch wohnt er in Naumburg. „Der Umzug bietet sich einfach an. Aber Naumburg bleibe ich weiter verbunden, meine Frau sowieso, denn sie arbeitet dort als Steuerberaterin“, klärt André Zahn auf.
Querverbindungen nach Naumburg gibt’s auch anderweitig, wiederum in einer Winzerfamilie. Stephan Gussek bewohnt im Dorf seit fünf Jahren eine Doppelhaushälfte und wuselt im Betrieb seines Vaters und bewirtschaftet damit automatisch die Flächen, die dieser im Kaatschener Dachsberg unterhält. Quasi gleich hinter der Haustür. „Eigentlich sollte mein Bruder hier einziehen, doch dann ergab es sich anders. Meine Frau und ich fühlen uns hier wohl, das Umfeld ist klasse, auch für unsere beiden Kinder“, erzählt Stephan Gussek.
Seine Doppelhaushälfte und vor allem der dahinter liegende Hang stehen dabei für den Wandel, den das Dorf vor etwa zehn Jahren vollzog. Jens Baumbach, Bürgermeister der Gemeinde Großheringen, zu der Kaatschen (korrekt Kaatschen-Weichau) gehört: „Das Dorf hat von einer Flurneuordnung erheblich profitiert, es wurden Grundstücke neu aufgeteilt und eine Infrastruktur geschaffen, die Erweiterung möglich macht. Rad- und Wanderweg wurden angelegt, die Wasserversorgung erneuert. Wie beliebt Kaatschen ist, zeigt sich auch daran, dass kein Grundstück mehr zu haben ist.“
Nichts entgeht Horst Lommer
Und Kaatschen ist auch jünger als andere Dörfer, der Altersdurchschnitt liegt irgendwo um die 45. Horst Lommer ist da mit seinen 85 Jahren ein Exot, ja sogar der älteste Einwohner. Und so mit seinem Dorf verbunden, dass bislang kein Tag vergeht, an dem er nicht aufschreibt, was passiert. Wann die Müllabfuhr kommt oder die Gemeindearbeiter Grünpflege betreiben, so wie jetzt. Oder ganz große Dinge wie das Hochwasser vor drei Jahren, der Bau der Trinkwasserleitung 1984 oder die Versorgung mit Telefon 1997. Wer wissen will, was wann gewesen ist, Horst Lommer kann helfen. Im Bedarfsfalle aber anmelden, denn Lommers Tagebuch sind Kalender - und in der Wohnstube liegt nur der aktuelle.
Kaatschen hat noch etwas Besonderes vorzuweisen: einen Eselhof. Wobei es hier nicht nur Esel gibt, sondern auch Kaltblutpferde und Leine-Gänse. Letztere ein Federvieh, dass beinahe schon ausgestorben war. Dass es soweit nicht gekommen ist, ist auch Familien wie den Wiegands zu verdanken, die den Eselhof betreiben.
Ein dickes Fragezeichen steht
Dabei ist der im wahrsten Sinne des Wortes ein Zufallsprodukt. „Na ja, bis 2008 arbeitete ich als Bürokauffrau, mein Mann als Dachdecker. Darauf hatten wir keine Lust mehr, aber auch noch keine richtige Idee, wie es weitergehen sollte.“ Doch es gab wachsendes öffentliches Interesse an den Tieren der Wiegands. Aus einer Eselwanderung zur Rudelsburg wurden unzählige, aus spontanen Kindergeburtstagen kleine, inzwischen buchbare Events. Von den Pferdekutschfahrten zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Weinverkostungen nebenan bei Zahns ganz zu schweigen.
Und eigentlich könnte es so gut weiterlaufen, wenn es da nicht Gerd Wiegand gesundheitlich hart getroffen hätte, er derzeit zur Genesung mit einem Krankenhausbett Vorlieb nehmen muss. Silke Wiegand: „Ich hoffe, dass alles gut wird und wir den Hof so weiter betreiben können. Doch im Moment steht alles in den Sternen.“ Auf der Internetseite des „Eselhof am Weinberg“ ist deshalb auch vermerkt, dass dieser wegen Krankheit vorübergehend geschlossen ist. Ist zu wünschen, dass es auch bei einem „vorübergehend“ bleibt, Interessenten sollen jedenfalls über die Homepage informiert werden. Alles Gute!