Dobrudscha-Deutsche Dobrudscha-Deutsche : Treffen der Nachfahren in Freyburg

Freyburg - Wer in der Burgmühle in Freyburg an jenem Tag zu Gast ist, verrät ein großes Banner am Eingangstor. „Dobrudscha Treffen“ steht mit großen Lettern darauf geschrieben. Wer oder was damit gemeint ist, wird erklärt: „Dobrudscha - eine Siedlungsregion von 1841 bis 1940 zwischen Donau und Schwarzen Meer“ heißt es da. Dabei macht jene Zeitspanne nur einen Teil der wechselvollen Geschichte jener deutschstämmigen Bevölkerungsgruppe aus, die sich in der Dobrudscha niedergelassen und deren Namen schließlich angenommen hatte.
30 Teilnehmer versammelt
Heinz-Jürgen Oertel, Organisator des Treffens aus Halle, und der Stuttgarter Historiker Hartmut Knopp können viel darüber erzählen. Beide sind Nachkommen von Dobrudscha-Deutschen, Knopps Mutter war die letzte Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, die sich vor gut zehn Jahren dem Bessarabiendeutschen Verein anschloss.
Da nur noch wenige Zeitzeugen leben oder diese mittlerweile betagt sind, würden sich vor allem die Kinder und Enkel mit der Geschichte und den Traditionen beschäftigen, berichtet Oertel. Rund 30 Männer und Frauen aus der Region sowie weiteren Bundesländern sind für das Treffen an die Unstrut gekommen, bereits im vergangenen Jahr fand die traditionelle Zusammenkunft in der Burgmühle statt. „Das Treffen bietet Raum für persönliche Begegnungen, für den Austausch und Gespräche“, erzählt der 67-jährige Organisator weiter. Gesprochen wird dabei über vieles: über Erinnerungen, über einstige Sitten und Musik, die Religion, das Essen, aber auch, was jeder persönlich erlebt hat, Bilder werden gezeigt. Immer wird auch ein Vortrag angeboten.
Diesmal spricht Hartmut Knopp über die Flucht der Bevölkerungsgruppe am Ende des Zweiten Weltkriegs. Denn rund 130 Jahre nach der Ankunft der deutschen Siedler aus Bessarabien und Cherson in der nahe gelegenen Dobrudscha, zogen sie 1940 auf Basis eines Vertrages nach Polen um, nachdem sie mehrere Jahre in Lagern verbracht hatten. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges flüchtete der größte Teil der Dobrudscha-Deutschen nach Westen in die vier Besatzungszonen. „Viele gingen nach Sachsen-Anhalt, weil es hier Land gab“, so Oertel. So kam seine Mutter nach Reichardtswerben. Allein in Freyburg gebe es rund drei bis vier Familien, schildert der Hallenser.
Im Gegensatz zu den Sudeten-Deutschen seien die Dobrudscha-Deutschen mit rund 15.000 Menschen allerdings nur eine kleine Splittergruppe gewesen, die sich schließlich über ganz Deutschland verstreut hat. „Und sie wurden damals nicht freundlich empfangen“, bemerkt Knopp rückblickend indes kritisch. Sie zählten einst zu jenen deutschen Siedlern, die ab 1764 einem Aufruf der russischen Zarin Katharina II. gefolgt waren und sich zuerst im Süden Russlands niederließen. „Sie kamen in Trecks aus 100 bis 150 Personen. Ihnen wurden vor Ort Gebiete zugewiesen. Jede Familie erhielt 66 Hektar Land. Die Geburtenzahl stieg, das Land wurde knapp, eine zweite Auswanderungswelle setzte ein“, erzählt der Historiker.
Viele Kulturen vor Ort
Auf die Frage, warum sich die Beschäftigung mit der Geschichte der Dobrudscha-Deutschen besonders und auch heute noch lohnt, braucht Knopp nicht lange nachzudenken: „Das Zusammenleben der Menschen verschiedener Ethnien, Religionen und Sprachen war nie ein Problem.“ Die Deutschen lebten damals an der Seite von Rumänen, Bulgaren und Türken, sie konnten ihre Religion frei ausüben, Kirchen bauen, lernten die Sprache vor Ort kennen, nahmen die verschiedenen Kulturen auf.
Und noch aus einem weiteren Grund hält hingegen Heinz-Jürgen Oertel die Beschäftigung mit der Geschichte seiner Vorfahren für spannend. „In Osteuropa gibt es noch viel zu entdecken. Die Regionen an der Donau, die Berge, das Schwarze Meer“, zählt der Hallenser auf.
