Disput um neue Schau Disput um neue Schau: Wie umgehen mit Toten vom Lützener Schlachtfeld

Lützen - Es findet nicht bei allen Bürgern Zustimmung, dass Gebeine zur Schau gestellt werden - selbst nicht, wenn sie ein Mahnmal sind. In einem Leserbrief hat Konrad Blanke aus Laucha sich kürzlich gegen die „makabre Schau“, die zukünftige Präsentation des Massengrabes von 1632 in Lützen ausgesprochen. Im Jahr 2018 soll ein neues Gebäude in Lützen an der Gustav-Adolf-Gedenkstätte eröffnet werden, indem der Fund aus dem Jahr 2010 vom einstigen Schlachtfeld bei Lützen gezeigt werden soll, nachdem er bereits in Halle zu sehen war. Die MZ hat in Lützen mit Bürgern darüber gesprochen und auch politisch Verantwortliche und Wissenschaftler dazu befragt.
Überreste bekommen einen Sinn
Wenn sich die Stadt damit nicht finanziell überlastet, dann sollte sie ein neues Besucherzentrum mit dem Massengrab schaffen, so der Grundtenor von acht geäußerten Meinungen von Bürgern. Eine 74-jährige Lützenerin, die ihren Namen nicht nennen wollte, hatte ein Problem damit, dass mit der Zurschaustellung der Skelette der 47 namenlosen Soldaten die Totenruhe nicht gewahrt werde. „Lasst die Toten ruhen, das habe ich schon vertreten, als die Archäologen sie 2010 ausgruben“, sagte sie. Sie habe die Ausstellung in Halle gesehen und sei trotzdem nicht zu einer anderen Einstellung gekommen.
„Was jetzt mit den Knochen der Toten geschieht, ist doch würdiger als das, was vorher war. Da lagen sie in einer Grube übereinander und darüber rollten Traktoren und Düngerfahrzeuge“, äußerte Ute Hadlich. „Es ist so lange her, es gibt keine Angehörigen dazu, deren Gefühle man verletzen könne. Und vielleicht wären sie uns sogar dankbar, wenn ihre Überreste heute so noch einen Sinn bekommen“, setzt Marianne Götze hinzu.
„Ich war schockiert, als ich das Grab in Halle gesehen habe, doch ich finde es richtig, so auch vor Augen geführt zu bekommen, was eigentlich passiert ist“, sagt Jana Pagel. Und unter dieser Voraussetzung, dass es anregt, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, und mahnt, dass Völker und Religionen nicht Kriege gegeneinander führen sollten, ist es auch für Mark Zeigermann legitim, zu einem so drastischen Mittel zu greifen, „gerade bei der Aktualität der Problematik heute.“
Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes
Dem Für und Wider, Gräber öffentlich zu präsentieren, haben sich die halleschen Archäologen gestellt. Rechtlich betrachtet sind die menschlichen Skelette Kulturdenkmale und ihre Erforschung gesetzliche Aufgabe, verteidigt Alfred Reichenberger, Stellvertretender Landesarchäologe, die Erforschung. Die Würde des Menschen reiche nach der Rechtsprechung bis zu den Hinterbliebenen. Davon gingen auch die Mindestliegezeiten auf Friedhöfen aus, sagt Reichenberger. Die Toten des Massengrabes werden als Christen betrachtet. Für deren Auferstehung sei es nach heutigem Verständnis nicht mehr notwendig, konkret an die Auferstehung des Fleisches zu glauben. Die rechtlichen sowie ethisch-religiösen Aspekte seien in Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes zum Umgang mit solchen Funden berücksichtigt und nach denen arbeiteten das hallesche und auch das Lützener Museum, so Reichenberger. Durch die Art der Präsentation werde jedem voyeuristischem Anschein vorgebeugt. Das Massengrab sei als Antikriegsmonument konzipiert.
Friedenszustand keine Selbstverständlichkeit
In Lützen wird die Präsentation einer Begräbnissituation angepasst, „würdig und gegenüber anderen Schauobjekten sehr zurückgenommen“, betont Lützens Bürgermeister Dirk Könnecke (parteilos). „Der Fund ist für uns eine einmalige Gelegenheit, der bisherigen fast ausschließlich dem Gedenken an den schwedischen König Gustav II. Adolf gewidmeten Erinnerung den Alltag, das Leiden und das Sterben der bisher anonym gebliebenen einfachen Soldaten gegenüberzustellen und damit ein Gleichgewicht herzustellen“, betont Katja Rosenbaum, die Leiterin des Lützener Museums. Es gehe darum, auch in Verbindung mit Museumspädagogik, den jüngeren Generationen zu verdeutlichen, dass der seit mehr als 70 Jahren bestehende Friedenszustand keine Selbstverständlichkeit ist.
Gerade im Kontext mit der bestehenden Gedenkstätte sollte der Besucher, der sich mit der Thematik des Krieges auseinandersetzt, Empathie mit den Toten entwickeln, meint Maik Reichel, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung. Selbst Lützens Pfarrer Armin Pra hat seine Bedenken überwunden. ,„Das sinnlose Sterben der Menschen aus dem Grab bekommt jetzt einen Sinn“, sagt er. Sie sollen die Schrecken des Krieges verdeutlichen, an alle Opfer der Schlacht erinnern und zur Friedensarbeit mahnen. Er sieht die Pietät gewahrt. (mz)