Brocken-Benno Brocken-Benno: Er läuft und läuft und . . .
Schierke/MZ - Das Wetter meinte es nicht gut mit dem Jubilar. Zum 81.Geburtstag von Benno Schmidt regnete es am Mittwoch wie aus Gießkannen. Dumm nur, dass der Mann, den alle nur als Brocken-Benno kennen, an diesem Tag seine 7 000. Brockenbesteigung plante. Doch das Wetter konnte ihn nicht stoppen. Weder gestern noch sonst irgendwann in den vergangenen 24 Jahren. Der Berg ist zwar berühmt und berüchtigt für sein schlechtes Wetter, doch entsprechend vorbereitet war der Wanderer. Schmidt trug mehrere Schichten warmer Kleidung, Wanderschuhe und natürlich ein Regencape.
Gut 50 Wanderfreunde hatten sich am frühen Morgen in Schierke getroffen, um zu gratulieren und um selbst den gut sieben Kilometer langen Aufstieg in Angriff zu nehmen. Unter ihnen war auch Brocken-Bennos Frau Helga - ebenfalls mit einem Jubiläum. Schließlich stand für sie die 1111.Brockenwanderung auf der Tagesordnung. Nach zahlreichen Glückwünschen ging es los und viele erinnerten sich wehmütig an das sonnige Wetter im vergangenen Jahr, als über 200 Bergsteiger Brocken-Benno auf seiner 6666.Tour begleiteten. Doch abhalten ließ sich von der Witterung keiner. Wohl auch, weil noch keiner ahnte, wie schlecht es später noch werden sollte.
Stempel, Urkunde, Holzschnitt
Die steile Eckerloch-Route glich einem Wasserfall und die Wanderer „schwammen“ flussaufwärts. Anderthalb Kilometer vor dem Ziel wurde aus dem Regen Schnee und später Hagel. Minus ein Grad zeigte das Thermometer. Aus der Reisegruppe wurden auf dem Weg zum Gipfel Einzelkämpfer. Doch früher oder später erreichten alle ihr Ziel. Nur das obligatorische Gruppenfoto am Gipfel fiel aus. Stattdessen wurde Brocken-Benno im Touristensaal geehrt. Der Trubel war ihm fast schon unangenehm.
Neben seinem Stempel im Brockenpass bekam er auch eine Urkunde vom Brockenwirt und ein Holzkunstwerk, welches ihn auf eine Stufe mit den großen Dichtern Goethe und Heine stellte. Auch sie haben dereinst den Brocken bestiegen und ihre Erlebnisse ausführlich literarisch aufgearbeitet.
Heine ist es auch, den Benno Schmidt zitiert, wenn er seine Faszination für den Brocken beschreibt. So hat der „deutscheste aller deutschen Berge“ für ihn etwas Mystisches und Magisches. Doch den Hauptgrund für seinen täglichen Aufstieg sieht er in der Sperrung des Brockens während der innerdeutschen Teilung. „Als Wernigeröder war es mir 28 Jahre lang verwehrt, den Gipfel zu besteigen. Deshalb entwickelte ich eine große Sehnsucht nach dem Berg.“
Am 3. Dezember 1989 gehörte er zu den ersten Wanderern, denen es gestattet war, zum Brocken zu laufen – „ein echtes Glücksgefühl“. Um das Versäumte zu kompensieren, beschloss er, künftig öfter auf seinem Berg vorbeizuschauen. Schon bald machte er sich täglich auf den Weg. Mittlerweile seit über 20 Jahren und bei jedem Wind und Wetter. Langweilig wird es ihm dabei nicht. „Jeder Tag ist anders und auch der Berg ist jeden Tag anders. Da gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken.“
Angetrieben wird der Rekordler auch von der Tradition. Schon im frühen 20. Jahrhundert waren zwei Wernigeröder sehr aktiv am Brocken. Einer war 500 Mal auf dem Gipfel, der andere 650 Mal. Natürlich hat Brocken-Benno sie längst überholt, doch er sieht sich als legitimer Nachfahre der beiden und will seinen Teil dazu beitragen, dass Wernigerode als Wanderhochburg wahrgenommen wird.
Der Tempomacher
Schlechtes Wetter oder Müdigkeit – Brocken-Benno kennt keine Motivationslücken. Selbst wenn es ihm manchmal schwer fällt, früh aufzustehen, kommt doch spätestens auf dem Weg auch die Lust. Ausfallen lässt er seine Tour nur, wenn er im Urlaub ist und dann woanders wandert. Oder wenn ein wirklich wichtiges Familienfest ansteht.
Auch sein Arzt bekommt ihn eigentlich nie zu Gesicht. Das raue Klima und die tägliche Bewegung am Berg halten Benno Schmidt fit. Seine 81 Jahre sieht man ihm nicht an. Viele jüngere Wanderer konnten dem Tempo Brocken-Bennos gestern erst einmal nicht so recht folgen. Doch regelmäßige Pausen ließen die Nachzügler wieder aufschließen. Letztendlich hatte auch diese stürmische Wanderung ein gutes Ende, denn kurz vor der Rückkehr nach Schierke hörte es auf zu regnen.