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Bergbau im Kyffhäuserkreis Bergbau im Kyffhäuserkreis: Ende der Kali-Manie in Roßleben

Von Katrin Löwe 02.05.2014, 18:16
Kaliabbau wie hier im thüringischen Unterbreizbach wird es bei Roßleben vorerst nicht wieder geben.
Kaliabbau wie hier im thüringischen Unterbreizbach wird es bei Roßleben vorerst nicht wieder geben. DPA Lizenz

Rossleben/MZ - Der Thüringer Kyffhäuserkreis will in die Offensive gehen. Er hat eine Imagekampagne ausgeschrieben, arbeitet an einer Rückkehrerkampagne, die ehemalige Bewohner nach Hause locken soll. Kein ganz einfaches Unterfangen in einer Region, die mit rund zwölf Prozent mit die höchste Arbeitslosenquote in Thüringen ausweist. Umso schwerer wird sie mit Hiobsbotschaften wie der jüngsten: Pläne, den 1991 aufgegebenen Kalibergbau bei Roßleben wiederzubeleben, sind ad acta gelegt. Die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben (GVV) hat Verhandlungen zum Verkauf des Bergwerkseigentums beendet. Es ist nicht die einzige Rohstoff-Lagerstätte in Mitteldeutschland, die auf absehbare Zeit keine Chance hat.

In Roßleben an der Grenze zu Sachsen-Anhalt sitzt Bürgermeister Steffen Sauerbier (SPD). Nach dem Ende des Kalibergbaus in der Region sind in der Kernstadt von den rund 7.500 Einwohnern zur Wende nur knapp die Hälfte übrig geblieben. Den Verlust von rund 3.000 Arbeitsplätzen - gut 2.000 im Kalibergbau selbst und weitere im Umfeld - „haben wir auch in fast 25 Jahren nicht kompensieren können“, sagt er. Angesichts der Rückkehrerinitiative spricht Sauerbier sich nun selbst Mut zu. „Ein paar Unternehmen haben wir schon noch, es ist nicht ganz aussichtslos.“ Auf die jüngste bittere Nachricht hätte der Ortschef trotzdem gerne verzichtet, auch wenn sie „nicht mehr so wahnsinnig überraschend kam“, wie er sagt. Seit 2007 hatten sich die Verhandlungen zu einem Verkauf des bundeseigenen Bergbaugeländes hingezogen. Zuletzt, so Sauerbier, wurde es immer ruhiger, die Antworten der Bundesregierung immer nichtssagender.

200 Millionen Tonnen

Dabei hatte die Kaliregion so große Hoffnungen in das Projekt gesetzt: Rund 200 Millionen Tonnen Hartsalz lagern im länderübergreifenden Raum Roßleben-Steigra-Bibra, ausreichend für 50 Jahre Abbau. In einer Zeit, in der in der Branche das Interesse an Lagerstätten stieg, weckte das Erwartungen. Von „Kalie-Manie“ sprach Sauerbiers Vorgänger Rainer Heuchel noch Anfang 2008, von der Hoffnung auf rund 1.000 Arbeitsplätze. Ehemalige Bergleute waren gespannt wie Drahtseile: 1991 hatte nicht einmal mehr ein Hungerstreik von 400 Kumpeln das Ende des Kaliabbaus verhindern können - eine Tatsache, mit der sich viele nie abgefunden hatten. Und nun sollte plötzlich wieder alles möglich sein, eine Besinnung auf „das letzte Filetstück des deutschen Kalibergbaus“, wie ein ehemaliger Kumpel damals argumentierte. Einer indes sagt, bereits lange skeptisch zu sein: „Das Salz von Roßleben ist sehr kompliziert zu verarbeiten“, betont der einstige Grubenbetriebsleiter Helmut Pröseler, heute 81 Jahre alt. Was heißt, dass das ein teures Unterfangen wäre.

Immerhin: Sieben Bewerber aus dem In- und Ausland gab es nach einer 2006 veröffentlichten Studie zu dem Vorkommen. Übrig, sagt GVV-Sprecher Jörg Domnowski, blieben zwei, die ein Konzept einreichten - neben dem Branchenprimus Kali+Salz (K+S) aus Kassel eine Investorengruppe namens „Florett“. Fortschritte in den Verhandlungen habe es aber zuletzt nicht mehr gegeben. „Wir sehen keine Möglichkeit zum kurzfristigen Wiederaufschluss der Lagerstätte“, so Domnowski

Im Groben sind sich GVV und K+S einig über einen Punkt, der die Verhandlungen erschwert hat: der Preisverfall auf dem Weltmarkt. Zu Hoch-Zeiten 2008 und 2009 lag der Preis pro Tonne Standardkali bei rund 800 Dollar, so K+S-Sprecher Ulrich Göbel. Heute seien es 340. Besonders schwierig wurde die Situation, als Uralkali aus Russland Mitte 2013 überraschend scharfe Preissenkungen in Aussicht stellte und den Börsenkurs von K+S absacken ließ.

Das Unternehmen aus Kassel kündigte Ende 2013 ein 500-Millionen-Euro-Sparprogramm an und ließ verlauten, Pläne in Roßleben nicht weiter zu verfolgen. „Inzwischen haben auch zwei andere Projekte Priorität“, sagt Göbel - die Erschließung einer Lagerstätte in Kanada und die Wiedereröffnung einer anderen in Niedersachsen.

Das Ende der Verhandlungen sei dennoch bedauerlich, so Göbel. K+S wirft der GVV vor, sie habe „deutlich höhere Erlös-Erwartungen gehabt, als es bei der derzeitigen Marktsituation gerechtfertigt ist.“ GVV-Mann Domnowski widerspricht: „Das ist nicht richtig.“ Man habe vielmehr Interesse an einer kurzfristigen Wiederbelebung. Die wiederum hielt selbst K+S auch angesichts der neuen Prioritäten nicht mehr für machbar. Immerhin: Es wären Investitionen jenseits der 500 Millionen Euro nötig gewesen, so Göbel. Für K+S „liegt der Ball nun bei der GVV“. Die schließt nicht aus, das Verfahren irgendwann wieder neu zu eröffnen. „Das ist nicht das endgültige Aus“, so Domnowski.

Politik gibt nicht auf

Bergmann Helmut Pröseler indes bleibt skeptisch. Ersatz für irgendwann auslaufende deutsche Lagerstätten werde eher im Ausland gefunden, fürchtet er. Es ist in diesen Tagen Sache der Politik, die Hoffnung zu behalten. Roßlebens Bürgermeister setzt zunächst darauf, wenigstens ein lange erschlossenes Industriegebiet vermarkten zu können, das für den Bergbau zurückgehalten wurde.

Jenseits der Landesgrenze im Burgenlandkreis, wo ein großer Teil der Lagerstätte liegt, gibt es kämpferische Töne. Den Kaliabbau hatte der Kreis in den Regionalen Entwicklungsplan aufgenommen. „Das werden wir nicht korrigieren. Wir müssen dafür sorgen, dass Druck auf dem Kessel bleibt“, sagt Landrat Harri Reiche (parteilos). Er setzt darauf, „dass die Bergbautradition im Bereich Unstrut mittel- bis langfristig ihre Chance bekommt“ - vielleicht nicht in fünf, aber in zehn oder 20 Jahren. Nur die „alten Kumpel“, die das Ende so traf, wird es dann wohl nicht mehr geben.