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Behörden-Ärger Behörden-Ärger: Genehmigter Schwarzbau

Von HENDRIK KRANERT-RYDZY 03.11.2010, 21:00

HALBERSTADT/MZ. - Wer im Internet nach dem Landesamt für Vermessung und Geoinformation in Sachsen-Anhalt sucht, dem sticht gleich unter der Adresszeile ein Satz ins Auge: "Die Behörde stellt rechtssichere und amtliche Geobasisinformationen für Verwaltung, Wirtschaft und Bürger zur Verfügung." Rechtssichere Informationen - Matthias und Ilona Gebauer (Namen von der Redaktion geändert) haben dafür nur noch ein bitteres Lachen übrig. Denn von rechtssicheren Informationen könne nicht die Rede sein, klagen die beiden Mediziner aus einem Vorharz-Dorf.

Willkürliche Grenzziehung

In der Gemeinde bei Halberstadt hat die Familie Mitte der 1990er Jahre ein Haus gebaut. Allerdings nicht ganz so, wie geplant - auf einen Wintergarten musste verzichtet werden, weil der zu nah an den Maschendrahtzaun zum Nachbargrundstück heranreichen würde. Drei Meter Abstand sind Vorschrift, der Wintergarten aber würde dieses Maß um 20 Zentimeter überschreiten. "Wir dachten immer, der Zaun sei auch die Grundstücksgrenze", erinnert sich Matthias Gebauer. So stand es auch im Lageplan für den Hausneubau. Jahre später erzählte dann der örtliche Bauamtsleiter, dass im Dorf die Grundstücksgrenzen selten mit den Zäunen gleichzusetzen seien, sondern die meist willkürlich gesetzt wurden.

Die Gebauers schöpften in Sachen Wintergarten Hoffnung und wandten sich zunächst an das Liegenschaftsamt der Gemeindeverwaltung. Und siehe da: In der dort zu findenden Karte war Nachbars Grundstück nicht drei, sondern 4,80 Meter entfernt. Heißt, der Abstand vom Wintergarten zur Grundstücksgrenze wäre ausreichend. Gebauer wollte aber auf Nummer Sicher gehen und wandte sich an das Landesamt für Vermessung und Geoinformation, schilderte die vorgebliche Diskrepanz und bekam - gegen Gebühr - einen aktuellen Auszug aus der digitalen Katasterkarte des Landes. Die sich mit der Karte aus dem Liegenschaftsamt deckte. Gebauers zogen also mit diesen für sie amtlichen Papieren los und beantragten beim Bauordnungsamt des Landkreises Harz ihren Wintergarten-Neubau, der auch anhand der Karte genehmigt wurde.

Die Freude über den fertig gestellten Bau währte nur ein knappes halbes Jahr: Da teilte ein vom Nachbarn beauftragter Vermesser den Gebauers mit, dass sie den Mindestabstand um 1,72 Meter überschritten hätten. Der Mann war sehr freundlich und erklärte, dass solche Probleme in Sachsen-Anhalt kein Einzelfall seien. Ungenauigkeiten in der digitalen Karte des Landesamtes von bis zu zwei Metern seien eher die Regel. Die Familie fiel aus allen Wolken und Matthias Gebauer rief beim Landesamt an. Die Antwort, die er dort erhielt, macht ihn fassungslos: "Ich hätte mich natürlich niemals auf die Karte aus dem Landesamt verlassen dürfen, sagte mir eine Mitarbeiterin am Telefon." Als Gebauer rechtliche Schritten ankündigt, ist das Telefonat zu Ende.

Weitere drei Monate später meldet sich dann auch das Bauordnungsamt des Landkreises und verlangt von den Gebauers, sich mit ihrem Nachbarn über die "Überbauung" zu einigen. In solchen Fällen müsste der Betroffene dem Eintrag einer Baulast im Grundbuch zustimmen - gegen Entschädigung natürlich - oder einen Flächentausch vornehmen. Doch Gebauers Nachbar lehnte ab.

Ganze Last beim Bauherrn

Der Fall des Vorharzer Wintergartens ist keine Ausnahme, sondern findet wohl seit Jahren immer wieder in Sachsen-Anhalt statt. Damals wurde mit einem Investitionserleichterungsgesetz die Grundlage dafür geschaffen, dass die Bauverwaltungen bei Genehmigungsverfahren keine eigenen Überprüfungen anstellen, sondern sich auf die Unterlagen des Bauherrn oder dessen Beauftragten verlassen, erinnert sich der Weißenfelser Vermessungsingenieur und CDU-Landtagsabgeordnete Harry Lienau. "Das war für den schnellen Baufortschritt durchaus gut, aber die gesamte Verantwortung wurde auf dem Bauherrn abgeladen", so Lienau. Wer seine Bauunterlagen selber einreichte oder bei der Wahl des Bauplaners oder Architekten zu sehr auf den Preis achtete, der wusste oft nicht, dass er zur eigenen Sicherheit einen Vermesser beauftragen sollte, um Fehler zu vermeiden. "Das hat uns kein Mensch gesagt", erklärt Matthias Gebauer. Nicht einmal der Architekt, den die Familie mit den Bauvorhaben beauftragt hat. "Das ist kein Einzelfall", weiß Lienau, "ich kenne etliche Fälle in Weißenfels, wo es ähnlich läuft - das ist einfach Harakiri für den Bauherrn." Und Lienau konstatiert, dass man mit dem damaligen Gesetz "übers Ziel hinaus geschossen ist".

Von der nun im Landtag und im Bauministerium geplanten Änderung der Bauvorlagen-Verordnung haben die Gebauers freilich nichts mehr: Das Bauordnungsamt, das ihnen den Wintergarten genehmigt hat, hat diese Genehmigung wieder zurückgezogen. Es droht der Abriss. Gebauers wollen gerichtlich dagegen vorgehen. Der Ausgang ist ungewiss.