Bad Schmiedeberg Bad Schmiedeberg: Wunder dauern länger
BAD SCHMIEDEBERG/MZ. - Heimatkunde zählt zu Arnholds Hobbys. "Ich mache diese Arbeit sehr gern", sagt er. 1998 ist der gelernte Energietechniker arbeitslos geworden. Trotz zahlreicher Bewerbungen fand er jedoch keine neue Arbeitsstelle. Erst die Bürgerarbeit ermöglichte ihm, wieder einer geregelten Tätigkeit nachzugehen.
In dem kleinen Kurort mit 4 300 Einwohnern im Landkreis Wittenberg haben seit Dezember 2006 viele Langzeitarbeitslose mit Hilfe der Bürgerarbeit eine feste Anstellung bekommen. Bürgerarbeiter sind in gemeinnützigen Einrichtungen als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte tätig. Das Modellprojekt sorgte bundesweit für ein Aufsehen, denn die Arbeitslosenquote im Ort ist um die Hälfte auf etwa sieben Prozent gesunken. Vom "Wunder von Bad Schmiedeberg" war die Rede. Doch der Modellversuch, an dem auch andere Kommunen im Land teilnehmen, neigt sich dem Ende zu. Die Bilanz fällt zumeist positiv aus. Es gibt aber auch enttäuschte Hoffnungen.
Einen festen Job gefunden
Frank Arnhold sieht die Bürgerarbeit als Chance, noch einmal einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. "Ich habe einige Weiterbildungen gemacht, doch mit 59 Jahren ist es schwer, einen festen Job zu bekommen." Diesen hat jetzt Antje Litschewski gefunden. Im Dezember 2006 ging die gelernte Zoo-Händlerin als Bürgerarbeiterin nach eigenen Worten "mit gemischten Gefühlen" ins Altenpflegeheim Augustinus-Werk. Zu ihren Aufgaben gehörte es, mit den Heimbewohnern zu basteln, Gymnastik zu treiben, zu backen. "Für die alten Menschen ist es wichtig, dass jemand mal Zeit hat, ihnen zuzuhören", sagt Litschewski. Sie fand Gefallen an der Arbeit - und ihr Arbeitgeber an ihr. Seit diesem Jahr ist sie beim Augustinus-Werk als Betreuerin fest angestellt.
"Dies ist der Idealfall, aber nicht die Regel", sagt Sylvia Kühnel, Projektleiterin bei der Landesarbeitsagentur. "Wir hatten in Bad Schmiedeberg 106 Bürgerarbeiter, von denen 14 eine feste Stelle gefunden haben." Die Quote von mehr als zehn Prozent sei jedoch nicht schlecht. Kühnel verweist darauf, dass das Modell in vier Stufen angelegt ist. "Wir haben zunächst intensiv versucht, Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln", sagt sie. Zudem hätten sich 20 Prozent aller Arbeitslosen selbst in reguläre Beschäftigung abgemeldet. "Nur diejenigen, die nicht vermittelt werden konnten, sind Bürgerarbeiter geworden."
Eine Untersuchung des Zentrums für Sozialforschung Halle stellt dem Projekt gute Noten aus. Die Zufriedenheit der Bürgerarbeiter und ihrer Arbeitgeber sei hoch, schreiben die Autoren. Kritisch sehen sie eine mögliche Verdrängung von regulärer Arbeit. Dies sei nicht auszuschließen und müsse von Fall zu Fall entscheiden werden. Enttäuscht ist dagegen der ehemalige Bürgerarbeiter Rainer Kaspar. Der Maschinenbauschlosser gehörte zu den Pionieren des Projektes. Er kümmerte sich um das Feuerwehrmuseum und die Instandhaltung der Gerätschaften.
Unfreiwillig ausgeschieden
Nach zwei Jahren musste Kaspar jedoch gehen. "Weil meine Frau verdient und ich kein Hartz IV beziehe, bin ich aus der Förderung rausgeflogen", sagt Kaspar. Eine Anstellung hat er deswegen nicht. Nur einmal habe ihm die Arbeitsagentur einen Call-Center-Job angeboten. Mit 51-Jahren will er nicht zu Hause auf der Couch sitzen. "Mir wurden Hoffnungen gemacht, doch jetzt bin ich nur enttäuscht."
Er ist kein Einzellfall. "Wegen der Förderrichtlinien konnten wir 40 Arbeitslose, die kein Hartz IV beziehen, nicht weiter als Bürgerarbeiter beschäftigen", sagt Kühnel. Gut findet sie das auch nicht.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) will sich nun dafür einsetzen, dass es nicht bei Modellprojekten bleibt. "Wir wollen Bürgerarbeit ausweiten", sagt Haseloff. Bürgerarbeit sei zur Integration in den Arbeitsmarkt besser geeignet als Ein-Euro-Jobs oder ABM, da sie längerfristig angelegt ist. Am Freitag noch führte Haseloff Gespräche mit dem Bundesarbeitsministerium. "Die Bürgerarbeit steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung", sagt der Minister. Eine Hürde sei die Finanzierung, da Hartz-IV-Mittel nur als passive Leistungen gelten. Dies will Haseloff ändern: "Die Gelder sollten auch dafür dienen, Menschen wieder in Arbeit zu bringen."