Bad Frankenhausen Bad Frankenhausen: Denkmal steht auf wackligen Füßen
Bad Frankenhausen/MZ. - Wenn Bärbel Köllen Besucher in Bad Frankenhausen zu der 1382 erbauten Oberkirche führt, glauben viele an eine optische Täuschung. Als wolle er jeden Moment umkippen, so schief scheint der 56 Meter hohe Kirchturm zu stehen. Dass das keine Täuschung ist, beweisen die Zahlen. Der Kirchturm weicht derzeit 4,3 Meter vom Lot ab. Das sind 4,5 Grad Schieflage. "Damit hat Bad Frankenhausen den schiefsten Kirchturm Deutschlands", erklärt Bärbel Köllen, Vorsitzende des Fördervereins der Oberkirche.
Die rund 160 Mitglieder des Vereins haben sich seit 15 Jahren die Rettung des denkmalgeschützten Bauwerks auf die Fahnen geschrieben. Momentan ist ihr Engagement besonders gefragt: Der schiefe Turm der Kirche "Unserer Lieben Frauen am Berge", kurz Oberkirche, ist einsturzgefährdet. So steht es im neusten Statik-Gutachten. Es bescheinigt, "dass der Turm nicht mehr sicher steht", sagt Sören Hauskeller, Leiter der Bauverwaltung des Kyffhäuserkreises. Fünf Millimeter senkt sich der Turm jährlich in Richtung Nordosten. Neu hinzu kommt, so Hauskeller, dass sich eine noch auf festem Untergrund stehende Turmecke im vorigen Jahr erstmals gehoben hat.
Früh erkannt
Bereits im 17. Jahrhundert erkannte man in der Kurstadt, dass sich der Kirchturm senkt. Erste Bodenuntersuchungen und Sicherungsmaßnahmen starteten in 1920er Jahren. Die Kirche steht am Südrand des Kyffhäusergebirges in einem Gipskarstgebiet mit großen Hohlräumen. Das ohnehin instabile Karstgebiet wurde im Laufe der Jahre ausgespült, so dass es jetzt unberechenbar sei, sagt Hauskeller. Bricht einer der Hohlräume in sich zusammen, könnte der Turm einstürzen. "Man kann von Glück sprechen, dass der Turm auf unbewohntes Gebiet fallen würde", sagt Hauskeller. Nur der Parkplatz eines in der Nähe liegenden Hotels wäre betroffen. Und der ist seit einigen Tagen vorsichtshalber gesperrt worden.
Die Kirche selbst darf indes weiter betreten werden, denn der Turm kippt vom Kirchenschiff weg. Das offene Gotteshaus - seit 1961 wegen Schwammbefalls ohne Dach - wird in den Sommermonaten für Gottesdienste und Konzerte genutzt. "Das ist allerdings erst seit 1993 wieder möglich, zuvor war die Kirche gesperrt", sagt Vereinsmitglied Ingrid Mansel. Gesperrt ist heute nur der Turm selbst, die Glocke darf nicht geläutet werden.
Sören Hauskeller, Bad Frankenhausens Bürgermeister Mathias Strejc (SPD) und die Mitglieder des Fördervereines sind sich einig: Die Sanierung des Turms muss rasch beginnen - die Einsturzgefahr wächst. Deshalb wurde die Superintendentur der Kurstadt als Eigentümer beauftragt, den Turm zu sichern, abzureißen oder die Turmkrone abzunehmen. Für eine Entscheidung wurde der Kirche vier Wochen Zeit gegeben.
Spezialfirma gefragt
Eine Million Euro sind laut Fördervereinsvorsitzender Köllen für die Turm-Rettung notwendig. Geld, das längst vorhanden ist. Die Stadt hat 900 000 Euro zur Verfügung gestellt, 100 000 Euro sind durch den Förderverein und die thüringische Landesdenkmalpflege zusammen gekommen. "Jetzt hängt es nur noch an der Landeskirche in Eisenach", sagt Bärbel Köllen. Um den Turm zu retten, müsse der instabile Untergrund wieder verfestigt werden. Eine Arbeit, die nur eine Spezialfirma übernehmen kann. Die Aufträge kann nur die Kirche als Eigentümer vergeben.
Kirchenbauoberrat Bernd Rüttinger sagt, dass die Ausschreibung zwar abgeschlossen ist, aber mit der Firma aus Hannover noch einmal "über die technische Lösung nachgedacht werden müsse." Man werde sich kommende Woche darüber verständigen. Zugleich versteht er die Aufregung um den möglichen Einsturz des Turmes nicht, spricht von "Panikmache". Rüttinger: "Ein Denkmal hat es verdient, dass man ihm Zeit lässt."