Aus der Not eine Tugend gemacht Aus der Not eine Tugend gemacht: Diese tollen Erfindungen stammen aus der DDR

Halle (Saale) - Im Oktober 2010 war es soweit: Das letzte noch in der DDR angemeldete Patent lief aus. Dieter Mosebach, ein Ingenieur des VEB Kühlautomat in Berlin, hatte einen sogenannten Schraubenverdichter entwickelt, der die Aufgabe, ein Kältemittel so zu verdichten, dass seine Wiederausdehnung Kälte erzeugt, effizienter erfüllte als frühere Kältemaschinen.
Nicht weiter weltbewegend, aber dennoch kühlen Geräte, die mit Mosemanns Technik arbeiten, weltweit bis heute nicht nur Vertriebszentren von großen Handelsketten, sondern auch spektakuläre Bauten wie das Skizentrum in Dubai.
Aus „Sch... Bonbons machen“ - eine Tugend in der DDR
Das konnten sie in der DDR. Aus „Sch... Bonbons machen“, wie der Volksmund es nannte. Wie der Geithainer Joachim Kiesler, der nach der Verstaatlichung durch die DDR-Behörden als technischer Direktor in seiner Firma Musikelektronic weitermachen durfte. Und Ende der 70er Jahre den Auftrag bekam, dem DDR-weit grassierenden Gummimangel abzuhelfen, indem er eine neue Aufhängung für die Lautsprecherboxen im „Wartburg“ entwickelte.
Kiesler beließ es nicht dabei, sondern er entwarf gleich eine neue, winzige und klangstarke Box dazu, aus der später weitere wurden, vor Nachahmung geschützt durch Patente. Bis heute gilt ME Geithain bei Musikern und Musikproduzenten als Manufaktur für besten Klang, wie die Buchautoren Mandy Ganske-Zapf, Dennis Grabowsky und Robert Kalimullin in ihrem Sammelband „Erfindungen aus der DDR“ (Bild und Heimat, 14,99 Euro) schreiben.
„Not macht erfinderisch“ - und wie!
Überall werden sie fündig. Bei Tempo-Erbsen und Malimo-Maschinen, beim grünen Abbiegepfeil und dem Sero genannten System für Recycling, das besser funktionierte als heute der grüne Punkt. Eine Spurensuche, die auch nach Halle führt. Hier war es der Schweißingenieur Werner Gilde, der mit seinem Institut für Schweißtechnik aus dem Schweiß-Entwicklungsland DDR eine führende Exportnation für hochmoderne Schweißgeräte machte.
Mehr als 100 Patente trugen den Namen des aus Göttingen in die DDR gekommenen Professors der Technischen Hochschule Merseburg, der sich selbst mehr als Erfinder als als Institutsleiter sah. Nicht immer und überall aber war es die Begeisterung am Entdecken und Tüfteln, die die DDR zur Hochburg für Patente im sozialistischen Weltreich machte. Vielmehr galt häufig das Motto „Not macht erfinderisch“: Wo Rohstoffe fehlten, wie im Fall der Fahrzeugentwicklung die Bleche, um eine Karosse zu bauen, mussten Alternativen her, die dann als „Leukoplastbomber“ genannter Trabant herumfuhren.
DDR verlor letztes Patent vor acht Jahren
In anderen Fällen fehlte es nicht an Voraussetzungen, sondern an Rechten. Viele Originalpatente waren mit den geflüchteten früheren Firmeninhabern in den Westen verschwunden. Im Osten blieben günstigstenfalls die Maschinen zurück, die schließlich Polyamidstoffe unter dem Namen „Dederon“ statt unter dem früher gebräuchlichen „Perlon“ produzierten.
Ein Land der Knobler und Fummler, das sein letztes Patent schon seit acht Jahren verloren hat und inzwischen als Geist des früheren Erfindungsreichtums lebt. Nur rund fünf Prozent der zuletzt in Deutschland angemeldeten Patente stammten aus ostdeutschen Bundesländern. Und von mehr als 47.000 in Deutschland angemeldeten Erfindungen kamen nur etwas mehr als 200 aus Sachsen-Anhalt. (mz)
