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Auktionen Auktionen: Unter dem Hammer

Von Katrin Löwe 18.03.2012, 18:17

Halle (Saale)/MZ. - Wählerisch sind sie nicht. Einmal, erzählt Zoll-Mitarbeiter Marcus Felstau, da haben sie bei einem Schuldner 16 Kästen Leergut gefunden. "Das waren immerhin 60 Euro." Da nimmt man schon mal in Kauf, höchstpersönlich den Leergut-Automaten im nächsten Supermarkt zu füttern. Ein berechenbares Geschäft in diesem Fall - aber nur eines von vielen. Spannender wird es, wenn beim Zoll der Hammer geschwungen wird. Virtuell passierte das 885 Mal im vergangenen Jahr - dann wurde per Online-Versteigerung an den Mann gebracht, was bei Schuldnern gepfändet wurde. Und so manch vermeintlich wenig wertvolles Stück hat sich dabei - wie jetzt ein Öl-Gemälde - schon als kleiner Schatz erwiesen.

Zahlungsrückstände einzutreiben ist in Deutschland nicht nur der Job des klassischen Gerichtsvollziehers mit dem "Kuckuck", sondern auch des Zolls - nämlich dann, wenn es um Schulden bei Bundesbehörden geht. Ralf Klose, Sprecher des Hauptzollamtes Magdeburg: "Offene Beiträge bei Krankenkassen und Berufsgenossenschaften, Rückforderungen der Arbeitsagenturen oder vom Bafög-Amt - da vollstrecken wir." Mehr als 50 Millionen Euro wurden 2011 im Land eingetrieben. Kann der Schuldner auf das Schreiben des Zolls hin nicht zahlen, steht der Vollziehungsbeamte vor der Tür, sucht nach Verwertbarem.

So wie im aktuellen Fall: Rund 8 000 Euro hat ein Mann bei seiner Berufsgenossenschaft an Rückständen. Auf seinem Dachboden stieß der Zoll auf ein Gemälde - 99 mal 81 Zentimeter groß, aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es zeigt den jungen Erzherzog Leopold von Habsburg und ist laut Gutachten rund 2 000 Euro wert - die erste Überraschung für die Mitarbeiter der Verwertungsstelle. "Damit hat niemand gerechnet", sagt Felstau - in der Behörde hatte man 200 Euro geschätzt.

Vielleicht bleibt das nicht die einzige Überraschung: Mit einem Startgebot von 1 300 Euro wurde das Ölgemälde Ende Februar auf der Internet-Versteigerungsplattform zoll-auktion.de eingestellt, schon nach wenigen Tagen waren die Gebote bei 2 000 angelangt. Schluss ist erst heute Abend, und einige Interessenten, die möglicherweise erst am Ende mitbieten, gibt es schon noch.

"Das Ergebnis ist für uns nicht planbar", sagt Felstau. Zumal zwar formal ein Auktionsende festgelegt ist, anders aber als bei ebay die Auktion tatsächlich erst fünf Minuten nach dem letzten Gebot endet. Schaukeln sich die Bieter im Eifer des Gefechts also richtig hoch, kann das dauern. Einmal hat sich das Auktionsende von einem Auto so um anderthalb Stunden verschoben. Im Preis hat das immerhin 1 500 Euro ausgemacht - und einen leicht verschnupften Meistbietenden, wie Felstau erzählt.

Seit einigen Jahren versteigert der Zoll im Internet, klassische Auktionen haben heute oft nur noch Show-Zwecke. "Im Netz sind unsere Einnahmen 40 bis 60 Prozent höher", sagt Felstau. 90 000 Euro hat die Verwertungsstelle dort 2011 eingenommen - der Betrag schwankt, es gab auch schon Jahre mit 130 000 Euro. Spielzeug läuft gut, weil oft Sammler mitbieten, Kinderkleidung ist auch ein Renner. Und manchmal haben die Zollauktionäre Außergewöhnliches zu bieten. Zwei Eisenbahnwaggons haben sie zu je 4 500 Euro an den Mann - oder besser den Schrotthändler gebracht. Auch zwei der Lutherzwerge aus der umstrittenen wie Aufsehen erregenden Kunstinstallation in Wittenberg im Jahr 2010 kamen beim Zoll unter den Hammer. "Darunter war der letzte signierte, er ging für 800 Euro weg", erinnert sich Klose.

Teures Akkordeon

Marcus Felstau hat sich unterdessen schon mehr als einmal Ärger mit seiner Frau eingehandelt, weil er auch nach Feierabend schaut, was bei einer Versteigerung gerade läuft. "Das Mitfiebern habe ich noch nicht abgelegt. Und die meisten Auktionen enden zwischen 18 und 20 Uhr - das Schnäppchen vor der Tagessschau." Wobei: Schnäppchen? Mitunter, erzählt der Mann von der Verwertungsstelle, bieten die Leute bis zum Zehnfachen vom Marktwert. Ein Akkordeon, laut Gutachter noch 40 Euro wert, ging für 310 Euro weg. Die Armbanduhr, 79 Euro teuer und gerade ein Jahr aus dem offiziellen Handelssortiment verschwunden, wechselte für stolze 575 Euro den Besitzer.

Felstau erzählt manche Geschichte, während er durch die Lager führt, auf Elektronik, alte Uhren, Sportgeräte zeigt. Oder auf die Kartons mit russischem Wodka. 8 000 Flaschen hat der Zoll Anfang 2011 aus einem Sattelzug beschlagnahmt, dessen Fahrer die Zahlung der Branntweinsteuer umgehen wollte. Die holt sich der Staat jetzt über Auktionen und Vor-Ort-Verkauf des weißrussischen Getränks - 3 500 Flaschen sind schon weg.

Schuldner bekommt Geld wieder

Felstau gibt auch die Geschichte des Autos preis, das in der Garage der Behörde steht. Es gehört einem, der als Kurierfahrer illegale Zigaretten transportierte und erwischt wurde. Nun sitzt er auf einem sechsstelligen Batzen Schulden - dem Steuerschaden, der durch den Verkauf der Schmuggel-Glimmstängel entstand. Retten wird ihn auch die Versteigerung des Autos nicht - der bislang höchste Erlös von Sachsen-Anhalts Zoll lag bei 10 200 Euro für einen VW.

Dennoch: So mancher Schuldner hat bereits Geld wiederbekommen. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Da haben die Einnahmen durchaus auch die jeweiligen Schulden überstiegen. Und wer weiß jetzt schon, wo das Gemälde heute Abend endet?