Aschersleben Aschersleben: Eine Stadt schwärmt
ASCHERSLEBEN/MZ. - Der Besuch lässt sich gut an: Ein Stau, vor dem ein unscheinbares Schild einige Kilometer vor Aschersleben (Salzlandkreis) warnt, existiert nicht. Der große Besucherparkplatz hinter dem Bahnhof bietet um die Mittagszeit noch ausreichend Platz. Und der in fröhlichem Gelb gekleidete Helfer erklärt gut gelaunt den nur 120 Meter langen Weg zum Nordeingang und wünscht einen angenehmen Tag. Die Landesgartenschau in Aschersleben begrüßt ihre Gäste - bei strahlendem Sonnenschein und in ebensolcher Stimmung. "Das hier", sagt einer der Besucher später, "ist wie kollektives Urlaubsgefühl." Tausende schlendern bei 20 Grad durch das 15 Hektar große Gelände mit seinen fünf bunt blühenden Bereichen mitten in der Stadt, lauschen Konzerten oder räkeln sich einfach entspannt in etlichen Liegestühlen und künstlerischen Sitzelementen.
Er habe, sagt Oberbürgermeister Andreas Michelmann (parteilos), in Aschersleben noch nie eine solche Zustimmung, "ja fast Euphorie" erlebt wie in den vergangenen Tagen. Und eine Verwandlung der Innenstadt, "wie wir uns selbst das nie erträumt haben." 40 Millionen Euro sind in den vergangenen Jahren in die Landesgartenschau unter dem Motto "Natur findet Stadt" geflossen, tausende Blumen wurden selbst außerhalb des offiziellen Geländes gepflanzt. Da dürfte es Michelmann, aber auch allen anderen wie Öl heruntergegangen sein, dass Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) zur Eröffnung sagt, Aschersleben sei nicht nur die älteste Stadt in Sachsen-Anhalt. "Ich glaube, sie ist heute auch die schönste", schwärmt er.
Tatsächlich ist es vor allem eines, das in Gesprächen mit Besuchern immer wieder deutlich wird: das Wissen um die Veränderung, die die 30 000-Seelen-Stadt in den vergangenen Jahren durch Stadtumbau (IBA 2010) und Landesgartenschau erfahren hat. "Als würde man Dornröschen wachküssen", sagt die Magdeburgerin Petra Pelz. Niemand weiß das besser als die Einheimischen. Da lassen sich Teenies wie Anna-Sophie Albig (14) und Lisa Kohlenbach (15) dazu hinreißen, im Brustton der Überzeugung zu sagen: "Wir sind stolz auf Aschersleben." Die Dauerkarten in der Tasche, erinnern sie sich, wie es vor wenigen Jahren aussah: "Überall dreckig und die Bänke beschmiert." Jetzt finden sie das Zentrum "einfach überwältigend." Es ist ein Zentrum, in dem auch durch die Internationale Bauausstellung vieles rekonstruiert wurde. "Früher", so Stadtführer Knut Balster, "war hier pro Straße ein Haus okay. Heute gibt es kaum noch unsanierte Gebäude." Ohne IBA wäre die Landesgartenschau wie ein nicht zu Ende gemaltes Bild, hat der Oberbürgermeister zuvor betont.
Es sind einige Schandflecken verschwunden, sagen auch Anja Gräbe und Gabriele Eicke. Eines davon mitten auf dem Laga-Gelände: Dort, wo Heinrich Christian Bestehorn vor rund 150 Jahren mit dem Aufbau seines Papierverarbeitungswerkes begann, stach den Besuchern Ascherslebens zuletzt nur ein leerstehendes Fabrikgelände des "VEB Optima" in die Augen. Eine Fabrikruine, immer sichtbar, alles verschandelnd, wie die beiden Frauen erzählen. Heute steht an ihrer Stelle der Bestehornpark, ein Bildungszentrum mit begrüntem Campus und den "Flüster-Orealien", Sitzskulpturen mit versteckten Lautsprechern, aus denen Erzählungen und Geräuschkollagen ertönen. Im Bestehornpark erwarten die Besucher bis Oktober zwölf Hallenschauen, ab Ende Mai eine Ausstellung des in der Stadt geborenen Künstlers Neo Rauch.
Direkt aus den Fenstern ihres Wohnhauses bietet sich Gräbe und Eicke jetzt auch der Blick auf die Eine-Terrassen, im Laga-Team längst nur noch "Volksstrand" genannt. Das Flüsschen ist nicht länger von Gestrüpp verdeckt, alte Fabrikhallen von Fahrzeugbau und Energiewirtschaft sind verschwunden. Statt dessen grünt und blüht es an der Stelle, die die Verbindung zum Wohngebiet bildet und zum Promenadenring, der an 15 alten Wachtürmen vorbei um die Innenstadt führt. "Wir brauchen uns gegenüber Städten wie Quedlinburg oder Wernigerode nicht verstecken", sagen Margit und Volker Kipry. Und selbst Wolfgang Pollin (60), ein Ur-Aschersleber, der sich selbst als skeptischen Typen bezeichnet, ist überzeugt: "Richtig schick". Da bleibe nur der Wunsch, dass Verkehrsprobleme gelöst werden und auch nach der Gartenschau Geld und Menschen da sind, um das Gelände zu pflegen.
Erst einmal aber genießen alle den ersten Tag. "Hätte gar nicht besser laufen können", sagt Gartenschau-Sprecherin Amanda Hasenfusz am Abend. Und das sonnige Wetter, "das ist doch ein schönes Zeichen für Aschersleben."