Armwrestler Matthias Schlitte Armwrestler Matthias Schlitte : Dieser Haldenslebener hat den stärksten Arm in Sachsen-Anhalt
Halle (Saale) - Eisern! So hat Matthias Schlitte den Gegner im Griff. Unverrückbar, wie ein Schraubstock. Der Hebel zum Sieg: sein rechter Arm. An der stärksten Stelle hat er einen Umfang von sage und schreibe 54 Zentimetern. Kein Unterarm in Sachsen-Anhalt ist mächtiger. Dessen Kraft sorgt längst auch im Ausland für Furore, etwa in Australien und den USA. Dort gilt der Mann aus der Börde unter professionellen Armdrückern als Champion. Die Armwrestler, wie man sie nennt, füllen in Übersee große Hallen und erzielen traumhafte Einschaltquoten im Fernsehen.
Seine Erfolge verdankt der amtierende Vizeweltmeister aus Sicht von Medizinern einer genetisch bedingten Besonderheit. Damit meinen sie den bei Schlitte von Geburt an extrem stark entwickelten Unterarmknochen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass einem so etwas passiert, liegt wohl bei eins zu 50 Millionen. Mich hat es halt getroffen.“ Das Besondere: Sein linker Arm ist völlig normal: gut trainiert zwar, aber im Vergleich mit rechts wirkt es fast schmächtig.
Der Athlet über diesen Unterschied: „Ich lebe ganz gut damit.“ Es störe ihn weder im Wettkampf noch privat. Seine Umgebung habe mit dieser Eigenart keine Probleme, an Hänseleien könne er sich nicht erinnern. Und im Alltag falle es ohnehin kaum jemanden auf, höchstens beim Hemdenkauf. Und nicht nur beim Armwrestling zahle sich die Laune der Natur aus, neuerdings auch in der Werbung. Ein deutscher Elektrokonzern wirbt mit ihm in Australien, wo Armdrücken ein Volkssport ist, für unverwüstliche Handwerksgeräte „Made in Germany“.
Armdrücken oder Armwrestling: Zwischen beiden Arten gibt es große Unterschiede.
Armdrücken: Hier gibt es keine festen Regeln, nur ein Prinzip. Danach sitzen oder stehen sich die zwei Kontrahenten an einem Tisch gegenüber. Beide setzen den Ellbogen eines Arms auf den Tisch, strecken die Hand nach oben und reichen sich die Hand. Auf ein Startkommando hin versuchen beide, den Arm des Gegners auf die Tischplatte zu drücken.
Armwrestling: Die professionelle Variante kam in den 1960er Jahren in den USA auf und ist dort bis heute sehr populär. Einen Wettkampfbetrieb nach festem Regelwerk gibt es in 48 Ländern. Seit 2008 besteht in Deutschland eine Bundesliga. Gekämpft wird in Kategorien: links und rechts sowie in Gewichtsklassen. Es zählt nicht nur die Kraft, sondern es kommt auch auf die Technik an. Der Wettbewerb erinnert entfernt an Ringen. Ein Armwrestler scheidet immer erst nach zwei Niederlagen aus. (rbö)
Mit seinem rechten Hammer ist Schlitte eine sportliche Ausnahmeerscheinung. Trotzdem kann er darüber Scherze machen. „Popeye, die Trickfilmfigur, könnte mein kleiner Bruder sein.“ In der Szene freilich geht es ums Ganze. Sein martialisch anmutender Kampfnamen signalisiert den Anspruch: „Hellboy“ (Höllenjunge), in Anlehnung an den unüberwindlichen Teufelskerl aus dem gleichnamigen US-Science-Fiction-Film aus dem Jahr 2004. Klar, dass auch Schlittes Lieblingsmusik irgendwie dazu passt: Die Band „Rammstein“, erfolgreich unterwegs auf der Welle der Neuen Deutschen Härte, motiviere ihn besonders, erzählt der 28-Jährige.
Eine Runde im Armwrestling-Wettbewerb dauert manchmal zwar nur wenige Sekunden, spektakulär ist so ein Vergleich aber in jedem Falle. Wenn Schlitte den Arm eines Gegners mit vollem Körpereinsatz niederdrückt, stehen die Männer im Publikum sprachlos, staunend und ein wenig neidisch da. Regelrechter Kreisch-Alarm herrscht in solchen Momenten dagegen bei vielen weiblichen Fans, die ein Triumph des 28-Jährigen oft in Verzückung versetzt. „Ich genieße solche Momente.“
Zahlreiche Titel
Der 28-Jährige aus Haldensleben, sportlich beim VfL Wolfsburg aktiv, kann bereits auf drei Dutzend deutsche und internationale Titel verweisen. Und er peilt bereits den nächsten Höhepunkt an. Dafür stellt ihn sein Arbeitgeber, Sachsen-Anhalts Justizverwaltung, sogar einige Tage frei. Ziel ist im Juni die Europameisterschaft in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Darf er dort am Ende auf das Treppchen klettern, will Schlitte einen großen Armdrücker-Wettbewerb nach Sachsen-Anhalt holen. Deutsche oder internationale Meisterschaften in Halle, vielleicht schon 2016/17, sollten es für ihn schon sein. Doch nicht nur sportlich kann sich Schlitte auf internationalem Parkett bewegen. Er beherrscht fünf Sprachen. „Vokabeln pauken, das ist mein Ausgleich zum Sport.“
Wie hart Matthias Schlitte für seine Erfolge trainiert und was seine Geheimwaffe zum Sieg ist, lesen Sie auf Seite 2.
Bevor Schlitte sich die Krone aber aufsetzen darf, muss er täglich ranklotzen und sein beeindruckendes Muskelpaket auf Höchstleistung trimmen. Doping erklärt er dabei eine klare Absage. „Ich bin Sportler, kein Kraftprotz, für mich ist das kein Thema.“ Auch lässt er Vorsicht walten, denn die körperliche Belastung sei hoch und manchmal auch riskant. „Schon einmal blieb mein Handwurzelknochen beinahe auf der Strecke“, erinnert sich Schlitte. Dieser Rückschlag sei inzwischen aber längst überwunden, ans Aufhören denke er vorläufig nicht - im Gegenteil: Klimmzüge nutzt er, um in Schwung zu kommen - 25 Stück, einarmig wohlgemerkt. Danach folgt der Wechsel auf die Bank. 70 bis 80 Kilogramm stemmt der Kampfsportler dort. Das entspricht seinem Körpergewicht. Ehe der Schweiß nicht in Strömen fließt, sagt er, darf ein echter Wrestler keinen Gedanken an eine Pause verschwenden.
Zum Ausklang einer jeden Übungsstunde gibt es immer leichte Gymnastik. Dabei sind die zu bewegenden Gewichte schon leichter. Aber trotzdem, eine Hantel bringt dann immer noch 30 Kilogramm auf die Waage. Manchmal kommt auch Freundin Maria mit in den Kraftraum. Ihre Hantel ist dagegen ein Leichtgewicht, wiegt ganze drei Kilogramm. Fast jede Woche trifft Schlitte auf seinen Trainingspartner: Jan Zarembe. Das 110-Kilogramm-Schwergewicht aus Hergisdorf (Mansfeld-Südharz) testet, wie fit der Titel-Anwärter ist und wie er seine technischen Kniffe wie Hakentechnik, Konter und Kampfriemen schon beherrscht. Natürlich kennt der 46-Jährige auch Schlittes Geheimwaffe. Das ist die unter Wrestlern berühmte Top-Roll-Technik. Damit lassen sich die Finger des Gegners öffnen. „Man konzentriert den Druck mit der Fläche unterhalb des Daumens.“ Das sei freilich die hohe Kunst und habe so gar nichts mit einer Kneipendisziplin zu tun, wie mancher hierzulande vielleicht immer noch meinen.
Zwei Fouls bedeuten das Aus
Der erste große Unterschied: Armwrestler sitzen - anders als in vielen Filmen - nie auf Barhockern. Sie stehen sich stattdessen einander an Wettkampftischen gegenüber, die exakt einen Meter und vier Zentimeter hoch sein müssen. Und immer achtet ein Schiedsrichter darauf, dass sich keiner der Kontrahenten unerlaubte Vorteile verschafft. Das wäre bereits der Fall, wenn vor dem Startsignal das Handgelenk gekrümmt oder der Ellbogen zwecks besserer Hebelwirkung nicht mehr auf dem roten Tischpolster aufliegen würde. Zwei „Fouls“ bedeuten automatisch das Aus. Schlitte: „Da gibt es überhaupt kein Pardon.“ (mz)