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Anzeigenblatt Anzeigenblatt: Bitterfelder Spatz fliegt einen Rechtskurs

Von Alexander Schierholz 08.03.2005, 20:00

Bitterfeld/MZ. - Seit Klaus-Peter Sperling seit Juni vergangenen Jahres im Stadtrat sitzt, beschäftigt sich das Gremium noch öfter als bisher mit sich selbst. Mitte voriger Woche war es wieder soweit: Bürgermeister Werner Rauball bezichtigte CDU-Mann Sperling der "rassistischen und antisemitischen Hetze und Provokation". Sperling, so der Sozialdemokrat, beschädige das Ansehen der Stadt.

Der Anlass für diese Vorwürfe ließ sich wenige Wochen zuvor im "Bitterfelder Spatz" nachlesen. Sperling ist Geschäftsführer und Redakteur des sonntags erscheinenden Anzeigenblatts. Und erklärt seinen Lesern ab und an auf seine Weise die große Politik. Am 13. Februar befasste er sich mit dem NPD-Verbot, vermengte Asylbetrüger, Homosexuelle und den Zentralrat der Juden (siehe "Im Wortlaut").

Seitdem ist die Empörung groß. "Da werden Minderheiten pauschal diffamiert", sagt der Bürgermeister. Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit wirft die PDS-Landtagsfraktion dem CDU-Mann vor. "Eine Entgleisung" sagt der Chef der örtlichen PDS-Fraktion, Dietmar Mengel. Nicht die erste. Im August vorigen Jahres behandelte Sperling mit fremdenfeindlichem Unterton das Thema Asylmissbrauch. 1997 ermittelte die Staatsanwaltschaft, nachdem sich eine Bürgerinitiative in dem Blatt in Versform zu Asylbetrug geäußert hatte.

Doch juristisch ist dem gebürtigen Niedersachsen, der 1991 nach Sachsen-Anhalt kam, bisher nicht beizukommen. Seinerzeit wurde das Verfahren eingestellt, auch jetzt sieht die Dessauer Staatsanwaltschaft "keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten", wie eine Sprecherin sagt. Mittlerweile indes hat ein Privatmann Sperling erneut wegen Volksverhetzung angezeigt.

Seine Partei verweist nicht nur auf die Meinungsfreiheit, sondern auch darauf, dass sich ihr Fraktionsmitglied ja nicht strafbar gemacht habe. So ganz wohl ist aber offenbar auch den Christdemokraten nicht mit ihrem Parteifreund, der 2002 noch für die Schill-Partei in den Landtag wollte. Denn im Rat sagte ein CDU-Vertreter lediglich, das Thema gehöre dort nicht hin. Wie die Christdemokraten Sperlings Text bewerten, erklärte Fraktionschef Lars-Jörn Zimmer, der auch im Landtag sitzt, erst auf Nachfrage der MZ: "Da ist nichts so anstößig, dass man darauf reagieren müsste." Mancher in der CDU klatscht sogar Beifall: "Größtenteils hat Sperling Recht", findet ein Fraktionsmitglied. Und ein anderer bemüht sich, das Thema niedrig zu hängen: "Diese Aufregung ist der Artikel nicht wert."

Das sieht Sperling allerdings anders. Gestern hat er seinerseits Anzeige erstattet gegen Bürgermeister Werner Rauball, unter anderem wegen Beleidigung.